Die Frage des NPD-Verbots

Welche Haltung sollten Linkspartei und antifaschistische Bewegung einnehmen?
Steve Kühne, CWI-Deutschland

Die Ermittlung in Sachen „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) macht es möglich: Die Bürgerlichen schrecken reflexartig zusammen. Ach, Herrje, es gibt doch ein Problem mit Nazis. – Was sind die Reaktionen? Aufdeckung der Verbindungen zwischen staatlichen Behörden und Nazi-Strukturen? Ein Ende des Sozialabbaus, damit den Nazis der Boden für ihre rassistische Propaganda entzogen wird? Natürlich nicht.

Im Zusammenhang mit dem stockenden Ermittlungsgang im Fall NSU erklärte Gesine Lötzsch für die Partei DIE LINKE am 1. Dezember: „Die Ermittlungen zeigen, dass ein NPD-Verbot dringend erforderlich ist. Die NPD unterstützt offensichtlich Gewalttaten. Die Unterstützung der NSU ist dafür nur ein Beleg.“ Ohne Zweifel wäre das Verbot der NPD – und aller rechtsextremen Organisationen – von Vorteil. Zunächst wären große Teile des Nazi-Personals stetem Verfolgungsdruck ausgesetzt. Der Knotenpunkt zwischen „Autonomen Nationalisten“, „Freien Kameradschaften“, militanten Nazi-Gruppen und dem biederen NPD-Abgeordneten wäre verschwunden.

Millionen, die an Wahlkampfkostenerstattung, in die Taschen der Nazi-Partei gespült werden, Gelder für Abgeordnete und Fraktionen – vom Steuerzahler finanziert –, würden nicht mehr fließen.

Die Beispiele FAP und Wiking-Jugend

Allerdings würde ein Verbot die Probleme längst nicht lösen. Als 1995 die „Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei“ (FAP) verboten wurde, kam es flugs zu Reorganisierungen. So gehen die heutigen „Freien Kameradschaften“ wesentlich auf die FAP zurück.

Eine langwierige Debatte um das Verbot der NPD könnte den Nazis zudem in die Hände spielen, wie das Beispiel der verbotenen „Wiking-Jugend“ zeigt. Der 1952 gegründete rechte Jugendverband sah sich ganz klar in der Tradition der „Hitler-Jugend“ und war ein Durchlauferhitzer für Nazi-Personal. Über Jahre wurde das Verbot immer wieder diskutiert. Erst 1994 entschloss man sich dazu. Dann gab es bereits zahlreiche Nachfolgeorganisationen, deren Gründung schon vor dem Verbot der Organisation vorbereitet wurde. Je länger die Debatte bis zu einem Verbotsverfahren, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass die NPD ähnlich handeln wird.

Es gibt noch weitere Wenn und Aber. Verfolgungsdruck entstünde nur dann, wenn der Staat seine Behörden einsetzen würde, um jene zu verfolgen, die die NPD im Untergrund aufrecht erhalten würden. Der Fall der Nazi-Terroristen der NSU zeigt jedoch, dass man sich darauf wohl kaum verlassen kann.

Die Bürgerlichen und das NPD-Verbot

Generell muss die Ernsthaftigkeit der Bürgerlichen beim Vorgehen gegen Rechts bezweifelt werden. Schon bei Gründung der NPD 1964 hätte man sie problemlos verbieten können. Personell wie politisch wies sie große Kontinuitäten zur in der BRD verbotenen rechten „Sozialistischen Reichspartei“ und zur NSDAP auf. Stattdessen wurde die Partei bis heute von staatlicher Seite nicht nur geduldet, sondern finanziell unterstützt und von sogenannten V-Leuten mit aufgebaut. Mehr noch: Aufmärsche von NPD und anderen rechtsextremen Kräften dürfen unter Polizeischutz stattfinden. Etablierte Parteien wetteifern seit Jahren, wer rassistischer ist. Von diesen Parteien und diesem Staat ein konsequentes Vorgehen gegen die Nazis zu erwarten, wäre gefährlich. Dass die Nazis auf die brennenden Fragen keine Antworten haben, sondern MigrantInnen die Schuld geben, finden die Herrschenden ganz nützlich, lenkt es doch von ihrer eigenen Verantwortung ab.

Über das Ausmaß des NSU-Terrors zeigen sie sich allerdings auch empört. Schließlich ist das schlecht für das Image der deutschen Industrie und damit für das Export-Geschäft. Außerdem sorgen sie sich um die destabilisierenden Folgen.

Auf Mobilisierung von unten setzen

Die Bürgerlichen tarnen mit der Forderung nach einem Verbot der NPD nur ihre bisherige – nett formuliert – Untätigkeit im Kampf gegen die braune Gefahr. Sollten DIE LINKE und andere antifaschistische Kräfte jetzt die Verbotsforderung in den Vordergrund stellen, würden sie die Illusion wecken, dass der Staat stellvertretend für die antifaschistische Bewegung im Kampf gegen Rechts aktiv werden kann. Noch dazu ein Staat, der Polizisten gegen linke DemonstrantInnen einsetzt, AntifaschistInnen, die sich Nazis in den Weg stellen, verurteilt, und der prinzipiell Unternehmerinteressen schützt. Ein NPD-Verbotsverfahren läge in der Hand von Organen, die gerade im Fall der NSU wenig Drang zur Aufklärung haben. Im Gegensatz zu Kampagnen, die zum Ziel haben, Nazi-Propaganda am Kiosk oder rechte Aufmärsche zu verhindern, wären AntifaschistInnen bei einem NPD-Verbotsverfahren auf die Rolle von ZuschauerInnen degradiert.

Nazis stoppen, Nazis outen, Nazi-Propaganda verhindern, Rassismus, Sozialkürzungen und Kapitalismus bekämpfen – dafür sollte sich DIE LINKE jetzt in der antifaschistischen Bewegung stark machen.