Die „LINKE.“ gegründet, WASG beendet

Am 16. Juni 07 wurde in Berlin die LINKE gegründet und Lafontaine und Bisky zu den Vorsitzenden gewählt. Durch die Fusion der WASG mit der Linkspartei.PDS endet der Versuch, in einer Sammlungsbewegung die Linke zusammen zu bringen. Nun verkündet der Parte
Stephan Kimmerle, CWI-Deutschland

Oskar Lafontaine, nun neben Lothar Bisky Vorsitzender der Partei Die LINKE, bemühte in seinen Beiträgen auf dem Parteitag sein Redetalent: Wortgewaltig stellt er die neue Partei in die Tradition von Luxemburg und Liebknecht - und Willy Brandt – sowie die „Traditionen der deutschen Arbeiterbewegung“. „Die Systemfrage wird durch die Umweltfrage gestellt", rief der Fraktions-Chef der LINKEN. „Freiheit durch Sozialismus, das ist die Formel“, so der Ex-SPD-Vorsitzende. Bush und Blair werden für ihre völkerrechtswidrigen Kriege als Terroristen bezeichnet. „Die Linke tritt ein für den Generalstreik als Form der politischen Auseinandersetzung", so Lafontaine. Die Verstaatlichungen im Energiesektor in Südamerika lobt Lafontaine.

Doch ansonsten bleiben die Parteitage, am 15. Juni noch getrennt in WASG und Linkspartei.PDS, am 16. Juni dann vereinigt, blass. Zentrale Fragen sind offen: Wie hält es die Linke mit Regierungsbeteiligungen? Welches Verhältnis hat sie zu Gewerkschaften und außerparlamentarischen Bewegungen?

Mandats-Träger-Maximal-Quote

Die strittigste Frage, bei der plötzlich Engagement und Leidenschaft sichtbar wird, bleibt die Frage der Posten: Bernd Riexinger, Landesvorsitzender der WASG Baden-Württemberg, und Wolfgang Zimmermann, sein nordrhein-westfälisches Pendant, ergreifen das Wort. Die beiden ver.di-Linken fordern im Interesse der Lebendigkeit der Partei, die Zahl der von der WASG zu benennenden geschäftsführenden Bundesvorstandsmitglieder von 3 auf 2 zu senken und damit 4 statt 3 Nicht-Mandats-Träger zu nominieren.

Hinter diesem Vorschlag wird von manchem Delegierten Profanes vermutet: Neben Oskar Lafontaine und Ulrich Maurer soll statt dem Mandatsträger Klaus Ernst (stellvertretender Fraktionsvorsitzender) der Leiter der wirtschaftspolitischen Abteilung der ver.di-Bundeszentrale, Michael Schlecht, in Position gebracht werden.

Der Antrag scheitert mit rund 40 Prozent der Delegiertenstimmen.

Doch auch Klaus Ernst bemüht die „Mandatsträger-Maximal-Quote“. Er, der sich seit der Bundestagswahl der Trennung von Amt und Mandat entzog, streichelt die Seele der WASGler: In einem geharnischten Brief an Linkspartei-Chef Lothar Bisky nennt Ernst es einen „Affront“, „dass die Linkspartei.PDS plant, auf ihrem Parteitag die vereinbarte Mandatsträgerhöchstquote von 50 Prozent nicht einzuhalten, sondern sie bewusst zu überschreiten!“

Am Ende ging das Kalkül der Linkspartei auf, dass durch weniger Nominierungen von Mandatsträgern durch die WASG für den Gesamt-Bundesvorstand die PDS-Überschreitung der Mandatsträger-Nominierungen (über 50 Prozent) ausgeglichen und damit die satzungsmäßige Quote (maximal 50 Prozent) erfüllt wird.

Regierungsbeteiligung inklusive Sozialabbau

Die weitaus interessantere Debatte, wann sich denn Linke an Regierungen beteiligen dürften, blieb weitgehend außen vor. Die unterschiedlichen Akteure hatten im Vorfeld versucht, ihre Claims abzustecken.

Lafontaine auf die Frage von Spiegel.de am 13. Juni, ob eine Koalition von SPD und Linkspartei auf Bundesebene für ihn eine realistische Perspektive sei: „Ja, wenn man folgende Ziele anstrebt: Lohnwachstum im Rahmen von Produktivität und Preissteigerung, ein entsprechendes Rentenwachstum und ein Sozialstaat, der diesen Namen verdient. Und keine Beteiligung an völkerrechtswidrigen Kriegen.“ Diese Schmalspurbedingungen sind doch recht dehnbar.

Etwas verdruckst und etwas angepasster meldeten sich die alten PDS-Mandatsträger zu Wort. „Wir setzen uns dafür ein, dass die neue Partei mehr wird als eine Sammlungsbewegung, die gegen den Kapitalismus kämpft“, sagt Stefan Liebich, ehemaliger Fraktions-Chef der Berliner Regierungs-PDSler. Mittlerweile ist er ein Sprecher des „Forum demokratischer sozialismus“, dessen Erklärung von allen drei Berliner Senatoren der LINKEN, der Mehrheit des alten PDS-Parteivorstands, zehn Bundestagsabgeordnete und den Landtagsfraktionsvorsitzenden von Sachsen-Anhalt, Berlin, Sachsen und Brandenburg unterzeichnet wurde.

Sie fordern auch im Hinblick auf „einige Tausend demokratischen Sozialistinnen und Sozialisten“, die „Mandate in parlamentarischen Vertretungen gewonnen haben oder politische Wahlämter einnehmen“, dass linke Politik nicht erst durch eine Gesellschaftsveränderung umgesetzt werden könne, „sie [linke Politik] ist bereits der Weg dafür [für die Gesellschaftsveränderung]“. Es sei dagegen keine linke Politik, so ihre Erklärung vom 14. Juni, „wenn sie die schrittweise Veränderung der Gesellschaft auf der Basis stabiler demokratischer Mehrheiten nicht mit einschließt“. Etwas klarer: Ohne jegliche inhaltliche Bedingungen für Regierungsbeteiligungen werden Koalitionen („stabile demokratische Mehrheiten“) als zwingender Bestandteil linker Politik benannt.

Katina Schubert, bekannte Vertreterin des Berliner Kurses der Linkspartei.PDS und ebenfalls Unterzeichnerin dieses Forums erhielt mit 63 Prozent das schlechteste Ergebnis der StellvertreterInnen zum Parteivorsitz. Daneben wurden Katja Kippling mit 84,7 Prozent, Klaus Ernst mit 79,8 Prozent und Ulrike Zerhau mit 79,3 Prozent als Vize-Vorsitzende gewählt.

Auch Dietmar Bartsch erhielt mit 63,7 Prozent bei der Wahl zum Bundesgeschäftsführer – ohne Gegenkandidaten – ein relativ schlechtes Ergebnis. Er hatte noch am Morgen des Beginns der Parteitage im Deutschland-Radio gefordert: „Wir treten an mit politischen Zielen. Parlamentarische Konstellationen sind dann eine Resultante. Meine Position ist ganz klar: Wir müssen auch regieren wollen, und wir müssen regieren können.“

Kriegsfrage

Viel Wert wurde darauf gelegt, die neue Partei als Anti-Kriegs-Partei zu präsentieren. Im Vordergrund stand dabei die Forderung nach einem Truppenabzug aus Afghanistan.

Debattiert wurde hier aber ebenfalls wenig. Im gemeinsamen programmatischen Eckpunkte-Papier drückt sich die LINKE um eine Aussage zu UN-mandatierten „Friedenseinsätzen“ herum. Das oben angesprochene „Forum demokratischer sozialisten“ will auch hier die Debatte eröffnen und die Position zugunsten von UN-mandatierten Einsätzen öffnen.

Herausforderung an SPD und Grüne

Klaus Ernst erinnerte daran, dass vor Jahren ebenfalls im Berliner Konferenzzentrum des Hotels Estrel die SPD die Agenda 2010 beschlossen habe. „Wir geben heute die richtige Antwort auf die Agenda 2010 von Schröder", rief der Schweinfurter IG-Metall-Bevollmächtigte. Es gehe darum, sich den Gewerkschaften als Partner anzubieten.

Einzig anwesende Spitzengewerkschafterin war die ver.di-Vizevorsitzende Margret Mönig-Raane. Doch gerade in den Gewerkschaften fordert die LINKE die SPD heraus. Auf Funktionäre und Basis hat es Wirkung, wenn die SPD im Bundestag ihre eigene Unterschriftensammlung für einen Mindestlohn aus Regierungs-Koalitions-Treue abschmettert. (Am Tag vor den Parteitagen brachte die LINKE im Bundestag wortgleich den Text der SPD-Unterschriftensammlung für einen Mindestlohn als Antrag ein. Nur vier SPD-Abgeordnete stimmten für diesen Antrag, einer enthielt sich.)

Trotz aller inhaltlicher Begrenzungen stellt die LINKE vor dem Hintergrund der völligen Anpassung der SPD an die Bedürfnisse der Verwaltung und Gestaltung des Kapitalismus im Niedergang erst einmal eine wahlpoliltische Alternative dar, die von vielen genutzt werden wird. Eine Forsa-Umfrage sieht ihr Potential gar bei 24 Prozent.

Die Strömungen in der LINKEN

Die „Sozialistische Linke“ als Mehrheitsströmung der alten WASG beschäftigt sich vor allem mit dem Aufbau von Seilschaften. Sie ist zahlreich auch im neuem Bundesvorstand vertreten, doch nach dem Missgeschick der gescheiterten Kandidatur ihres Vertreters Hüseyin Aydin wurden vor allem die Rangeleien und Kämpfe um Posten sichtbar. Mitten drin bei der „Sozialistschen Linken“ steckt Marx21, ehemals Linksruck. Dort lässt man sich vollkommen auf die Logik ein, dass 1. alles Linke sich zukünftig in der LINKEN tummeln werde und 2. das Koordinatensystem der LINKEN recht einfach aussieht: Rechts stehen die alten PDS-Mandatsträger à la Berlin, links finden sich Oskar Lafontaine, Ulrich Maurer und Klaus Ernst. So stritten Marx21-Vertreter gegen die Absenkung der Mandatsträgerquote bezüglich des geschäftsführenden Bundesvorstands explizit in Verteidigung dieser drei Herren als Vertreter der Linken!

Zweifelsohne verlaufen die Machtkämpfe innerhalb der LINKEN auch entlang dieser Linien. Petra Pau gegenüber Tagesschau.de am 16. Juni: „Bei der WASG gibt es sehr viele gewerkschaftlich geprägte Mitstreiter. Die legen den Schwerpunkt auf Arbeitnehmer- und Rentner-Interessen. Wir können aber nur eine akzeptable Politik entwickeln, wenn wir genauso etwa die Interessen des Mittelstandes und kleiner Gewerbetreibender vertreten. Es gibt in Linkspartei wie WASG Leute, die meinen: Erst einmal brauchen wir soziale Gerechtigkeit. Wenn alle satt und zufrieden sind, können wir uns auch um Freiheitsrechte kümmern. Da werden wir Dinge, die in der PDS schon mal ausgefochten haben, noch mal neu erstreiten müssen.“

Daraus ergibt sich allerdings noch nicht, dass ausgerechnet Lafontaine, Maurer und Ernst konsequent für die Interessen von ArbeitnehmerInnen eintreten würden. Eher geht es um zwei verschiedene Konzeptionen, koalitionsfähig zu werden.

Auf dem linken Flügel der Linken finden sich im Bundesvorstand noch Thies Gleiss, Marc Mulia und Sabine Lösing aus der WASG und Sahra Wagenknecht aus der L.PDS.

Die SAV wird in West-Deutschland weiter gemeinsam mit vielen WASG-Aktivisten Mitglied der neuen Partei bleiben, und innerhalb und außerhalb der LINKEN für eine konsequente Interessensvertretung von und für Beschäftigte, Erwerbslose, Jugendliche und RentnerInnen streiten.