Deutschland: Pflege im Streik

Kimi

Seit Anfang Mai 2022 (bei Redaktionsschluss noch andauernd) streiken 2.000 Beschäftigte der Unikliniken in Nordrhein-Westfalen (NRW) für einen Tarifvertrag - Entlastung (TVE). Dieser soll eine Verbesserung von Arbeitsbedingungen und Qualität der Pflege ermöglichen. Die Streikstimmung ist kämpferisch, die Medien aber berichten kaum über das Geschehen und von oben kommen Einschüchterungsversuche. Der Grund für die Streiks im Pflegebereich ist nicht die Coronapandemie, sondern der Normalzustand vor Covid, der durch die Pandemie verstärkt wurde. Personalmangel, Überstunden, Mangel beim Equipment und vieles mehr steht für die Beschäftigen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen auf der Tagesordnung. Da kann es nicht verwunderlich sein, dass Kolleg*innen beginnen, sich zu organisieren und zu streiken, um für eine Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen zu kämpfen.Solche Bewegungen sind nicht nur auf einzelne Bundesländer Deutschlands beschränkt, international sehen wir in den letzten Jahren immer mehr Proteste im Pflege- und Gesundheitsbereich. So etwa in Belgien mit „La santé en lutte“ (“Gesundheit im Kampf”), in Berlin an der Charité oder auch am anderen Ende der Welt in Antofagastas, Chile.Die wohl längsten Streiks im Gesundheitswesen seit Jahren zeigen viel Mut und Kampfgeist. Es treffen sich täglich hunderte Kolleg*innen beim Streikposten in Köln. Dort werden Workshops und nächste Schritte besprochen und diskutiert. Selbst die Gewerkschaft „ver.di“ ist vor Ort und hat die Kolleg*innen in diesem Streik sogar an der Erstellung der Forderungen beteiligt. Das spiegelt wider, wie stark der Druck von unten sein muss! Doch vor einer Ausweitung auf andere Bundesländer und Branchen schreckt die Gewerkschaft zurück. So sind die ökonomischen Folgen der Streiks begrenzt. Ein Teil der OP-Säle und Stationen sind zwar geschlossen, doch die Kliniken sparen sich einen Teil der Lohnzahlung und versuchen so die Verluste auszugleichen.Aktivist*innen schlagen daher auch einen Ausbau der demokratischen Strukturen vor, die Streikenden setzen das sehr konkret auch um. Gewählte Streikkomitees, breite Einbindung aller Beschäftigten aus den verschiedenen Bereichen sowie von Patient*innen, Angehörigen und Unterstützer*innen und v.a. laufend offene Diskussionen für alle am Streik beteiligten sind wichtig, um rasche Entscheidungen treffen zu können. Die SAV (Sozialistische Alternative, deutsche Schwesterorganisation der ISA) schlägt folgende weitere Forderungen und Schritte vor:

  • 500 Euro mehr im Monat für alle Beschäftigten im Gesundheitswesen, Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich
  • Finanzierung des Gesundheitswesens nach Bedarf – Weg mit den Fallkostenpauschalen (DRG)
  • Mehr von uns ist besser für alle – Bedarfsgerechte gesetzliche Personalbemessung für alle Bereiche in Krankenhaus und Altenpflege
  • Gesundheitswesen in öffentliche Hand – Rekommunalisierung der Krankenhäuser, Pharmaindustrie unter demokratischer Kontrolle in öffentliches Eigentum überführen, keine Schließung von Krankenhäusern
  • Nein zur Zwei-Klassen-Medizin – Abschaffung der privaten Krankenversicherung und Zusammenführung aller Kassen zu einer einzigen öffentlichen Krankenkasse unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch Beschäftigte, Gewerkschaften, Patientenvertreter*innen und die öffentliche Hand           

Daten und Fakten:

In den letzten Jahren nehmen international die Proteste im Gesundheitsbereich stark zu. 2020 gab es in rund 80% aller Länder in diesem Sektor Proteste. 2021, dem internationalen Jahr der Gesundheits- und Pflegekräfte, gab es Milliarden für Konzerne, aber nicht für die Pflege. In Österreich protestierten im Herbst 2021 und im Frühjahr 2022 tausend Elementarpädagog*innen, mehrmals gingen Kolleg*innen aus der Pflege auf die Straße.

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