Der Weg zu einer neuen Partei für ArbeiterInnen und Jugendliche

Die ArbeiterInnenklasse hat durch die Verbürgerlichung der SPÖ keine Partei mehr.
Sonja Grusch

In Österreich gibt es keine Partei, die die Interessen von ArbeiterInnen und ihren Familien vertritt. Die SPÖ war lange eine ArbeiterInnen-Partei. Heute ist sie eine bürgerliche Partei die neoliberale Politik betreibt. Früher haben große Teile der ArbeiterInnenklasse sie als „ihre Partei“ gesehen. Bewegungen haben sich in der SPÖ wiedergespiegelt, ihren Kurs und ihre Politik mitbestimmt. Daran ist nur die Erinnerung geblieben. Die Mitgliederzahlen sind zusammengebrochen. Aktives Parteileben gibt es kaum. Programmatisch betreibt die SPÖ neoliberale Sachzwangpolitik.

Die SLP hat schon in den 1990er Jahren analysiert, dass die SPÖ „verbürgerlicht“ ist. Zwar gibt es noch eine Schicht älterer ArbeiterInnen die von „ihrer Partei“ reden. Enthusiasmus ist nie dabei, sondern Frust, Enttäuschung und Resignation. Jüngere kennen die SPÖ nur als eine Partei von Privatisierung, Sozialabbau und rassistischen Gesetzen. Die SPÖ wird höchstens in Ermangelung einer Alternative als das „kleinere Übel“ gewählt.

Die herrschende Klasse hat mehrere Parteien, die ihre Interessen vertreten – die ArbeiterInnenklasse hat keine einzige. Das hat dramatische Auswirkungen: 1) gab es in den letzten 20 Jahren eine straff neoliberale Politik. Die Angriffe haben ohne großen Widerstand in hohem Tempo den Sozialstaat zerschlagen. 2) Weil es keine linke Alternative gibt, die den Unmut aufgreift und Widerstand organisiert, gibt es mit der FPÖ in Österreich eine der stärksten rechtsextremen Parteien Europas.

Während Österreich bei der Entwicklung des Rechtsextremismus ganz vorne ist, hinken wir was die Entstehung einer neuen ArbeiterInnenpartei angeht hinterher. Neue linke Parteien haben sich in vielen Ländern gegründet, haben kandidiert und teilweise gut abgeschnitten. In Deutschland ist die Existenz der Partei Die Linke der Hauptgrund dafür, dass die extreme Rechte weit schwächer ist als in Österreich. Diese neuen Formationen – in Italien, Deutschland, Frankreich, Spanien... – sind nicht über Nacht entstanden und ihre Entwicklung verlief nicht reibungslos. Sie haben viele Fehler gemacht, wurden in Folge wieder geschwächt. Doch aus diesen Entwicklungen können wir für den Prozess in Österreich viel lernen.

Die erste dieser Formationen war die 1991 gegründete PRC in Italien – sie entstand im Wesentlichen aus der Spaltung der Kommunistischen Partei Italiens. Andere dieser neuen Formationen entstanden aus dem Zusammenschluss existierender Parteien, wie der Linksblock in Portugal. Die deutsche Linke war das Ergebnis einer Fusion zwischen WASG (ehemalige SPD-GewerkschafterInnen) und PDS (Nachfolgerin der ehemaligen DDR-Staatspartei). Der Formierungsprozess verlief in den einzelnen Fällen auf sehr unterschiedliche Arten. Niemals war es nur eine Kopfentscheidung einiger „schlauer Menschen“ die auf dem Reißbrett entstanden wäre. Im Gegenteil stand die Entstehung in Zusammenhang mit Bewegungen in der Gesellschaft. In Deutschland z.B. waren die Proteste gegen Hartz IV ein wichtiger Turbo für die Formation der Linken.

Auch in Österreich werden Klassenkämpfe, soziale Bewegungen, Proteste gegen den Rassismus der FPÖ von zentraler Bedeutung in diesem Neuformierungsprozess sein. Wichtig dabei sind die Entwicklungen in den Gewerkschaften: Echte Gewerkschaftspolitik kann heute eigentlich nur mehr gegen die SPÖ (und die anderen bürgerlichen Parteien) funktionieren. Die Frage darüber, welche Gewerkschaft wir wollen, nach einer kämpferischeren Politik, nach demokratischen Strukturen wird ein wichtiger Bestandteil im Formationsprozess in Österreich sein.

Auch die Entwicklung von Klassenkämpfen, von Klassenbewusstsein und Protesten gegen die andauernde Kürzungspolitik, ist wichtig in diesem Neuformierungsprozess. Viele Menschen wollen sich wehren, sie suchen nicht nur eine Wahlalternative sondern auch einen Rahmen zum aktiv werden. Es wird nicht reichen, wenn eine prominente Person einen Aufruf startet. Politik wird nicht von Promis gemacht, sondern von vielen Menschen, die sich für ein gemeinsames Ziel zusammen schließen. Prominente können eine gewisse Öffentlichkeit und einen Kristallisationspunkt schaffen – aber niemals ein Ersatz für die Bewegungen sein. Bewegungen wie jene gegen Acta, gegen die Vorratsdatenspeicherung, gegen den Demokratieabbau können ein wichtiger Teil in so einem Formierungsprozess sein. Auch den Proteste gegen Abschiebungen und rassistische Politik kommt gerade in Österreich, mit einer starken FPÖ und aggressivem staatlichen Rassismus, eine zentrale Rolle zu.

Eine neue Partei muss demokratisch und kämpferisch sein und braucht ein sozialistisches Programm!

Aus den internationalen Erfahrungen können wir viel lernen.

  1. Eine neue Formation muss aktiv und kämpferisch sein. Sie beschränkt sich nicht aufs Kommentieren, sondern greift in Kämpfe ein bzw. initiiert diese auch. Viele der neuen Formationen machen den Fehler, dass sie sich auf Wahlen und Kandidaturen beschränken. Die Wahlebene ist wichtig. Doch Politik wird eben nicht nur in Parlamenten oder Landtagen/Gemeinderäten gemacht. Die zentralen politischen Fragen werden durch Bewegungen in den Betrieben und auf der Straße entschieden. Eine neue Formation, die neben den real stattfindenden Kämpfen steht und nicht Teil davon ist, wird eine Randerscheinung bleiben.
  2. Eine neue Formation braucht demokratische Strukturen, in sich denen Individuen ebenso wie existierende Organisationen einbringen können. Wir schlagen Strukturen vor, bei denen gewählte VertreterInnen jederzeit auch wieder abgewählt werden können und umfassend Rechenschaft abgeben müssen. Wir lehnen jede Form von Privilegien ab: Beschäftigte oder MandatarInnen einer Partei sollten nicht mehr verdienen, als ein Durchschnittsgehalt.
  3. Das Programm ist von zentraler Bedeutung. Es reicht nicht, die Banken zu „retten“, also ihnen unser Geld zu geben damit sie weitermachen können wie bisher. Es ist auch kein Naturgesetze, dass „wir“ die Schulden zahlen „müssen“. Richtiger ist es vielmehr, diese Schulden bei nationalen und internationalen Banken nicht zu bezahlen. Eine neue Formation darf sich daher nicht auf eine Kritik kapitalistischer Auswüchse beschränken, sondern muss den Kapitalismus an sich in Frage stellen. Bleibt sie in der kapitalistischen Logik verhaftet, findet sie sich rasch bei der Legitimierung von Sozialabbau wieder.

Auch wenn der Formierungsprozess einer neuen ArbeiterInnen-Partei nicht nur vom Willen der AkteurInnen abhängt können wir doch viel tun: Die Idee für eine neue ArbeiterInnen-Partei verbreiten. Soziale Bewegungen und Arbeitskämpfe unterstützen und initiieren. Den Kampf in den Gewerkschaften für einen kämpferischen Kurs und demokratische Strukturen führen. Ein sozialistisches Programm für die aktuellen Probleme entwickeln. Und aus den internationalen Entwicklungen lernen. Also die Grundlagen vorbereiten für den Formierungsprozess einer neuen ArbeiterInnen-Partei.

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