CWI Summer School 2009: Die USA unter Obama

Vorstöße zur Neu-Belebung und des Gegenlenkens! - Bericht aus dem Workshop „Die USA unter Obama“ bei der diesjährigen CWI Summer School
Richard Manton, CWI-Irland

„Wollen die führenden Köpfe an der Wall Street eine antikapitalistische politische Welle in den Vereinigten Staaten loßtreten, die sie für immer hinwegfegen wird?“, Martin Sieff, United Press International (UPI), 16/3/09

Die Debatte um die Situation in den USA auf der CWI Summer School fand statt vor dem Hintergrund von Wirtschaftskrise und zunehmender sich gegen die Wall Street richtender Stimmung. Der Schwerpunkt lag auf den politischen Entwicklungen unter Obama und den Aufgaben, die sich für das CWI ergeben. Jesse Lessinger von der Socialist Alternative (Schwesterorganisation von SLP und SAV sowie Sektion des CWI in den USA) leitete die Debatte ein und beantwortete Fragen in der anschließenden Diskussion.

Wirtschaftskrise und Rettungspakete

Von der ökonomischen Krise sind vor allem die USA besonders hart getroffen worden. Seit Jahresanfang verloren dort jeden Monat 600.000 ArbeiterInnen ihren Job. Für Millionen ist die Zwangsvollstreckung ihrer Häuser Realität geworden und weitere Millionen haben Angst, sie könnten als nächste betroffen sein. Einzelne Bundesstaaten haben enorme Defizite angehäuft, die sich insgesamt und mit steigender Tendenz auf 120 Milliarden US-Dollar belaufen; ihre Haushalte sind unter staatliche Aufsicht gestellt. Die KalifornierInnen sehen dem größten Haushaltsdefizit entgegen, das es je gab: 24 Milliarden US-Dollar! Und Schwarzenegger plant eine Serie massiver Kürzungen bei den öffentlichen Ausgaben, darunter 10 Milliarden US-Dollar im Bildungsbereich.

Eine sehr wichtige Frage für die US-amerikanisch Gesellschaft, die in der Debatte in diesem Workshop aufgeworfen wurde, ist, ob Obamas Rettungspaket die „Fundamente festigen“ oder wenigstens dazu führen kann, dass es zu einer Art von Neu-Belebung kommt. Das Rettungspaket beläuft sich auf 787 Milliarden US-Dollar an Infrastruktur-Projekten, staatlichen Hilfen für die defizitären Haushalte und Arbeitslosenunterstützung. Viele sehen darin eine Lösung der Krise und die Hoffnung besteht, dass diese Maßnahmen Abhilfe schaffen werden.

In der Debatte erklärte Ryan, ein Busfahrer aus den USA, allerdings, dass auch wenn die Maßnahmen dazu führen werden, dass die Bruchlandung abgemildert wird, die Krise dadurch nicht grundlegend gelöst werden wird. Jegliche Vorstöße zur Neu-Belebung, die durchgeführt werden, sind ziemlich wirkungslos und werden nicht zu einer durchschlagenden Neu-Belebung führen - in diesem Sinne handelt es sich dabei bloß um leere Vorstöße. Große Teile des Rettungspaketes gehen direkt an die Konzerne der USA, gerade wie es auch unter Franklin D. Roosevelt zur Zeit des New Deal der Fall war.

Statt damit die Reichen zu stützen, sollte dieses Geld lieber benutzt werden, um Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Technologien und im Transportwesen zu schaffen. Ein sozialistisches Rettungspaket würde eine ganze Bandbreite an öffentlicher Arbeit beinhalten, die Millionen von Arbeitsplätzen schaffen und somit für eine gesellschaftlich notwendige Infrastruktur sorgen würde.

Politische Krise

Aus der ökonomischen ist unmittelbar auch eine politische Krise erwachsen. Aufgrund ihrer Außenpolitik und der Art und Weise, mit der sie in Wirtschaftsfragen vorgegangen sind, sind die Republikaner stark diskreditiert. Unterdessen kommen die Demokraten unter zunehmenden Druck, da die Wirtschaft weiter einbricht. Die Popularität von Präsident Obama in der Bevölkerung ist von über 60 Prozent auf unter 50 Prozent gesunken. Laut Meinungsforschungsinstitut Gallup rührt der Großteil des Missfallens gegenüber Obama aus seinem Umgang mit Aspekten der Wirtschaftskrise. Dabei ist es noch zu früh, einschätzen zu können, ob dieser Rückgang auf der Beliebtheitsskala der Beginn eines wirklichen Rückgangs der Popularität Obamas ist oder ob es sich dabei nur um ein Leuchtfeuer handelt. Was wir allerdings mit Sicherheit feststellen können, ist die Wut der arbeitenden Menschen über die Rettungsaktion der „Bankster“, die uns in diese Krise gebracht haben.

Ray und Tom aus Großbritannien fragten beide nach dem Bewusstsein der Massen hinsichtlich Obama und wie dieses Veränderung herbeiführen kann. Lynn Walsh vom Internationalen Sekretariat des CWI griff dies auf und sagte, dass die Massen ihre Träume auf Obama projeziert haben und dass wir nicht einfach auf diesen Träumen und Illusionen herumtrampeln können. So zu handeln hätte den Effekt, die Menschen von uns zu entfremden. Statt dessen sollten wir fach- und sachkundige Kritik üben, wozu beispielsweise auch die Rolle gehört, die Obama bei den Bankenrettungen gespielt hat und seine Kehrtwende bei der Gesundheitsversorgung.

Nach dem Sieg bei der Präsidentschaftswahl und jetzt mit der übergroßen Mehrheit im Senat können die Demokraten jedes Gesetz beschließen, das ihnen passt. Robert Bechert (ebenfalls Mitglied im Internationalen Sekretariat des CWI) stellte dar, dass konkrete Forderungen in Richtung der Demokratischen Partei und Konzernchefs verknüpft werden müssen mit dem Aufbau von Bewegungen, die aktiv kämpfen, um ihre Ziele zu erreichen, statt Fürsprecher der Demokraten zu werden. Solche Kampagnen können, verbunden mit Erfahrungen, die die Grundlage dafür legen, einen Bruch mit den vollkommen kapitalistischen Demokraten herbeiführen und der Anfang sein für eine ernsthafte Bewegung für eine unabhängige Partei der arbeitenden Manschen.

Widerstand und Gewerkschaften

In der Debatte wurde der im ganzen Land zunehmende Widerstand hervorgehoben. FabrikarbeiterInnen in Chicago, Studierende und LehrerInnen in Los Angeles, Beschäftigte an der Harvard-Universität und BusfahrerInnen in Boston sind nur einige der Teile der Arbeiterklasse, die damit begonnen haben, gegen Kürzungen und Arbeitsplatzvernichtung zu kämpfen. Hierbei handelt es sich lediglich um isolierte Beispiele, da es bisher zu keinen generellen Massenkämpfen gekommen ist - doch diese können sich entwickeln.

Bewusstsein und Kampf entwickeln sich nicht gleichförmig, können aber rasch entstehen und zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Explosion gelangen. Kämpferische Gewerkschaftsführungen und ein kämpferisches Handeln in solchen Kämpfen sind bereits und werden zunehmend notwendig, wenn sich die Kämpfe entwickeln.

Roger aus Großbritannien erinnerte die TeilnehmerInnen dieses Workshops daran, dass die USA auf eine starke Tradition an gewerkschaftlichem Aktivismus vorweisen kann. Das belegt die Geschichte des CIO (Industriearbeitergewerkschaftsbund; Ergänzung des Übersetzers) und der Teamsters (Transportarbeiter; Ergänzung des Übersetzers). Er sagte, dass man auf die Welle an Streiks mit Sitzblockaden in den 1930ern nicht mit Nostalgie zurück blicken dürfe, sondern diese als praktisches Beispiel dafür ansehen muss, wonach die Gewerkschaftsbewegung auch heute streben sollte.

Methoden des Kampfes, die in den 1930ern eingesetzt wurden - wie etwa der Sitzblockade-Streik, massenhafte Streikposten und die Missachtung der gewerkschaftsfeindlichen Gesetze - haben heute nicht nur Relevanz. Sie sind vielmehr notwendig, um den Verfall der Gewerkschaftsbewegung in den USA umzukehren.

Autoindustrie

Punkte, die Brett, ein Fordarbeiter, in einer vorangegangenen Plenumsdiskussion auf der CWI Summer School zum Thema US-Autoindustrie gemacht hatte, wurden von Jesse im Workshop zum Thema USA erweitert. In gewisser Hinsicht stellt die Krisensituation in der Autoindustrie einen Mikrokosmos davon dar, was den Umfang der Krise des gesamten kapitalistischen Systems angeht. In der Krise sind die Verkaufszahlen im Automobilsektor um 30 Prozent bis 40 Prozent zurück gegangen. Es gab Massenentlassungen und GM, einstmals größter Konzern der Welt, ist pleite.

Die Autoindustrie war einmal das Symbol der Macht des US-amerikanischen Kapitalismus. Jetzt ist das Gegenteil der Fall: Sie ist das Symbol der kapitalistischen Krise und des industriellen Niedergangs. Die Autoindustrie belegt eindeutig die Krise durch Überproduktion („Überkapazitäten“), die das kapitalistische System als ganzes erfasst hat: Die Arbeiterklasse schafft es nicht, die Autos zurückzukaufen, die sie vorher selbst produziert hat, beziehungsweise die Produktionsstätten sind in der Lage, zu viel zu produzieren.

Notwendigkeit für eine Massenpartei der ArbeiterInnen

Jesse fasste im Anschluss an die Debatte während des Workshops einige wichtige politische Aspekte zusammen. Am wichtigsten war die Notwendigkeit einer Massenpartei der Arbeiterklasse in den USA. Eine solche Partei würde eine Alternative zu den Parteien darstellen, die die US-amerikanische Politik gegenwärtig dominieren und die im Sinne der Konzerne und des Interesses der Reichen agieren.

Zur Zeit fragen sich viele in den USA: „Was können wir schon machen?“ Die unmittelbare Reaktion auf die Krise ist bisher nicht ein breiter Widerstand gewesen. Doch dies wird sich ändern. Vor allem dann, wenn das Verständnis darüber zunimmt, dass die Massenarbeitslosigkeit und Armut nicht mehr zurückgehen wird.

Neue linke Formationen werden mit großer Wahrscheinlichkeit eine Reihe von Fehlstarts und Fehlern durchschreiten, aber es geht nur über solcher Fehler, damit die Arbeiterklasse wichtige Erfahrungen durchmacht und ihre Lehren ziehen kann. Nach einer gewissen Zeit der Krise und weitreichenden Angriffen, werden die Illusionen in Obama unweigerlich dahin sein und sich ein radikales Bewusstsein entwickeln. In einem solchen Szenario wird eine von den Gewerkschaften unterstützte, gegen die Konzerninteressen gerichtete, antikapitalistische Partei eine enorme Anhängerschaft Erlangen - selbst wenn es zunächst um eine kleine Massenbasis geht.

Jesse fasste den Workshop zusammen, indem er unterstrich, wie wichtig es ist, in den Wohnvierteln und in den Betrieben eine Basis für sozialistische Ideen zu schaffen. Das CWI wird versuchen, aus den immensen Möglichkeiten, die sich in der vor uns liegenden Periode ergeben, einen Vorteil zu ziehen und in eben dieser Richtung Unterstützung aufbauen.

Der irische Marxist James Connolly schrieb: „Der Tag, an dem das kapitalistische System noch zusammengeflickt hätte werden können, ist vorüber; jetzt muss es weg.“ Das war 1910, kurz nachdem Connolly aus den USA zurückgekehrt war, hätte aber genauso gut 2009 geschrieben werden können!

Bei der momentanen Wirtschaftskrise handelt es sich um eine grundlegende Krise des Kapitalismus, und sie kann nicht einfach durch eine bessere Regulierung oder Rettungspakete gelöst werden - es gibt da nichts zusammenzuflicken. Die Fundamente können nicht durch Regulierungen gefestigt werden oder durch den Abbau der Gier - das System an sich muss geändert werden.

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