Bericht von der Flüchtlingsdemo in Traiskirchen

Flüchtlinge im Lager Traiskirchen und TraiskircherInnen haben ein gemeinsames Interesse: Gemeinsame Proteste statt Demoverbot sind notwendig!

Nächste Flüchtlingsdemo in Traiskirchen am Sonntag 26.07. um 13h, direkt vor dem Lagereingang

Die Demonstration der Flüchtlinge aus dem Lager in Traiskirchen vom Montag hat schon große Schlagzeilen gemacht. Von Ausschreitungen und Tumult war die Rede.

Deutlich merkbar war die allgemeine Wut-sowohl die Wut der Flüchtlinge als auch die der TraiskirchnerInnen.

Mit dem Sloagan „No Dublin!“ protestierten die Flüchtlinge gegen ihre ständige Weiterverschickung innerhalb Europas, die in dem „Dublin III“ Abkommen geregelt ist. Mit diesem Abkommen entsteht für Flüchtlinge nach den langen und beschwerlichen Fluchtwegen, die sie bereits hinter sich haben, weitere Unsicherheit und weitere Wege. Oft wird ihr Asylantrag überhaupt erst richtig geprüft nachdem sie bereits ein- zweimal innerhalb Europas abgeschoben wurden.

„Warum hält uns Österreich hier auf, wenn sie uns nicht wollen?“ war eine oft gehörte Frage unter den ca. 500 DemoteilnehmerInnen. Das Essen im Lager Traiskirchen ist unzumutbar, auf 4000 Flüchtlinge kommen gerade mal zwei ÄrztInnen, über 1700 schlafen ohne Dach oder Zelt über dem Kopf bei jedem Wetter draußen, weil das Lager inzwischen 10fach (!!) überbelegt ist. Berichten zu Folge mussten Frauen Kinder ohne medizinische Unterstützung zur Welt bringen und Polizei und privater Sicherheitsdienst behandeln die oft Traumatisierten wie Gegenstände. Die Lage ist völlig unhaltbar, allein in den guten 2 Stunden Kundgebung vor dem Lager-Eingang mussten 3 Flüchtlinge mit der Rettung abgeholt werden. Vor allem leiden die Flüchtlinge unter der Situation und haben jetzt begonnen sich mit Demonstrationen Gehör zu verschaffen.

Laut und schnell zog die Demo durch Traiskirchen. Die Polizei provozierte früh durch nicht nachvollziehbare Sperrungen und Behinderungen der Demo. Als die BeamtInnen uns den Weg in die Innenstadt verwehrten setzten sich einige der Flüchtlinge aus Verzweiflung kurz auf die Gleise, in den Medien wurde das als „Blockade“ dramatisiert . In dieser Situation wurde ein Flüchtling verhaftet, wohl um die anderen abzuschrecken. Natürlich wirkte das aber weiter aufpeitschend. Die Polizei beschimpfte die Flüchtlinge zuvor als „geistig zurückgeblieben“.

Die Demo endete in einer Kundgebung in einem Polizeikessel vor dem Eingang des Lagers, bei der die Flüchtlinge über ihre Situation, ihre Ängste und Forderungen sprachen.

 

Auch die TraiskirchnerInnen leiden unter der Situation. So wie das Innenministerium 4000 Menschen ohne Angebote zur Tagesbeschäftigung oder dem nötigen Taschengeld, um sich die Freizeit selber zu gestalten, in einem so kleinen Ort zusammenpfercht ist ein Konflikt nur natürlich. Es scheint sogar so, als wolle das Innenministerium genau diesen Konflikt. Anders ist die Untätigkeit und damit ständige Verschlimmerung der Lage nicht zu verstehen. Und so haben auch die TraiskirchnerInnen bereits demonstriert und auch ihre Wut ist gut verständlich und berchtigt. Nach einem Aufruf des SPÖ-Bürgermeisters Babler protestierten 600 TraiskirchnerInnen zunächst in Traiskirchen selbst und später auch direkt vor dem Innenministerium in Wien. Sehr erfreulich war dabei der bewusst antirassistische Charakter der Demos: Es ging nicht gegen die Flüchtlinge, es ging gegen die Regierung, die Traiskirchen im Stich lässt. Zumindest in Wien, wo auch die SLP dabei war, wurden FPÖler und Neonazis von der Kundgebung vertrieben. Die Forderung der TraiskirchnerInnen war zum großen Teil auch die der Flüchtlingsdemos: „Transfer“, also die Aufteilung der Flüchtinge in kleinere Lager in ganz Österreich mit einer besseren Versorgung.

Mit der kämpferischen Demo am Montag ist es uns leider nicht gelungen auch TraiskirchnerInnen zum Mitgehen zu gewinnen. Zu tief sind die Gräben, die von Politik und Medien ausgehoben wurden. So gab gab viele rassistische Sprüche und wütende Blicke gegen die Flüchtlingsdemo. Dabei wäre ein gemeinsamer Kampf aller, die derzeit in Traiskirchen leben ein starkes Druckmittel gegen die Regierung.

Andreas Babler, der engagierte Bürgermeister Traiskirchens, hat bisher eine gute Rolle in dem Konflikt gespielt. Seiner Initiative ist es wohl zu verdanken, dass die Proteste der TraiskirchnerInnen nicht, wie in anderen Orten in ganz Europa, einen ausländerfeindlichen Charakter annahmen. Nach der Demo am Montag und der heftig übertrieben dargestellten Eskalation an den Bahngleisen (die auf die Strategie der Polizei zurück ging) forderte Babler aber in einem veröffentlichten Brief an den Bezirkshauptmann ein Demoverbot für ganz Traiskirchen. Er befürchtet Proteste würden zu „Tumulten“ führen. Babler kennt die Situation unter den TraiskirchnerInnen sicher sehr gut und er weiß, dass die Lage auch zum offenen Rassismus hin kippen kann. Ein Demoverbot ist aber der falsche Schritt um das zu verhindern.

Unabhängig von Demonstrationen ist die Wut da. Das Demonstrationsrecht ist eines der wenigen Rechte, die Flüchtlinge überhaupt noch haben. Und letztlich spricht alles dafür aus den Demos der Flüchtlinge und den Demos der TraiskirchnerInnen gemeinsame Demos zu machen, denn es geht zu einem großen Teil um gemeinsames Interesse. Babler argumentiert, dass Proteste nach Wien gehören, wo der Hauptteil der Verantwortlichen sitzt. Damit hat er zwar auch recht, für die Flüchtlinge ist das aber völlig abstrakt: Für eine Busreise nach Wien, wie sie für den Protest der TraiskirchnerInnen vor dem Innenministerium organisiert wurde, ist für die Flüchtlinge aus eigener Kraft derzeit unmöglich. Mit Sicherheit wären die Flüchtlinge aber froh gemeinsam mit TraiskirchnerInnen in Wien zu demonstrieren. So eine Demo in Wien würde es auch leichter machen andere Gruppen in die Proteste einzubinden. Es wäre eine gute Gelegenheit z.B. migrantische, linke Gruppen und Asylorganisationen zu gewinnen.

Das Demonstrationsrecht für Flüchtlinge muss, unabhängig von einer gemeinsamen Demo in Wien, aber erhalten bleiben! Ein Verbot ist letztlich der Versuch das Problem mit der Polizei zu lösen, was das Problem schnell vervielfachen würde. Andreas Babler, der auch öffentlich für eine Besinnung auf Traditionen der ArbeiterInnenbewegung in der SPÖ eintritt, stellt mit der Forderung nach einem Demoverbot eben eines der hart erkämpften Rechte der ArbeiterInnenbewegung in Frage. Denn die Proteste sind da, ob Demoverbot oder nicht, und das ist auch sehr gut so!

 

Siehe auch die SLP Stellungnahme zur aktuelle Asyl-Debatte: http://www.slp.at/artikel/gemeinsam-f%C3%BCr-fl%C3%BCchtlingsrechte-united-for-refugee-rights-6751