Do 13.10.2022
Am 1. Oktober haben einige unser Aktivist*innen der feministisch-sozialistischen Initiative ROSA und der ISA aus drei verschiedenen Bundesländern eine Kundgebung gegen den jährlich in Salzburg stattfindenden „Marsch fürs Leben“ veranstaltet. Ziel war den konservativen Fundamentalist*innen die gegen das Recht auf Abtreibung wettern nicht unwidersprochen das Feld zu überlassen. Erst zwei Wochen zuvor hatten solche Fanatiker*innen in Berlin versammelt, um ebenfalls gegen die Selbstbestimmung von Schwangeren auf die Straße zu gehen und für „das Recht auf Leben“ zu protestieren (https://www.sozialismus.info/2022/09/marsch-fuer-das-leben-ist-ein-marsc...).
Unsere Kundgebung war trotz Regen erfolgreich und notwendig, denn hinter dem „Marsch fürs Leben“ stecken nicht einfach nur „harmlose“ religiöse Spinner*innen. Organisator dieser Demonstration, die jährlich in mehreren Städten in Österreich stattfindet ist die christlich-fundamentalistische Organisation „Jugend für das Leben“. Diese steht in enger Verbindung mit der - laut eigenen Angaben – größten international vernetzten Anti-Abtreibungsorganisation „Human Life International“ (HLI). Das selbsternannte Ziel von HLI geht aus folgendem Zitat hervor „Wir existieren nicht nur, um gegen das Böse der Abtreibung, Verhütung, Sexualaufklärung und Familienzerstörung zu kämpfen, sondern auch um den Nationen die Frohe Botschaft des Lebens zu bringen“. Bei HLI handelt es sich also um eine Gruppierung die nicht nur das Recht auf Abtreibung, sondern auch Verhütung, weiblich selbstbestimmte Sexualität und weibliche Emanzipation ablehnt.
HLI fordert unter anderem das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen, wettert gegen Verhütungsmittel, die angeblich „Frühabtreibungen“ auslösen sollen (falsch!) und zählen zu ihren „Erfolgen“ die Schließungen von Abtreibungskliniken und die systematischen Einschüchterungen von Schwangeren die Abtreibungen vornehmen lassen wollen. Laut einem Gerichtsurteil des Oberlandesgerichts Wien in einem Prozess, der von HLI gegen eine unserer Aktivistinnen im Jahr 2004 geführt – und verloren - wurde, können die Methoden der Organisation zu Recht als Terror bezeichnet werden. Es konnte in dem Gerichtsprozess nachgewiesen werden, dass HLI Psychoterror gegen Pro-Choice-Aktivist*innen und betroffenen Schwangere betreibt, Lügen verbreitet, Schwangere aktiv am Betreten von Abtreibungskliniken hindern wollten und sogar Morddrohungen verbreitet hat. https://www.slp.at/artikel/klage-gegen-slp-frauensprecherin-erfolgreich-abgewiesen-461 Jugend für das Leben steht in Verbindung mit dieser Organisation.
Die Verkettung von fundamentalistischen Kräften hört hier allerdings nicht auf, es lassen sich von „Jugend für das Leben“ auch Verbindungen zur österreichischen Parteienlandschaft wie ÖVP und FPÖ der katholischen Kirche und zur rechtsextremen Szene finden. Ein ehemaliges führendes Mitglied von „Jugend für das Leben“ ist ÖVP-Mitglied und Nationalratsabgeordnete Gudrun Kugler, die sich nicht nur mit ihrer fundamentalistischen Haltung gegen Abtreibungsrechte hervortut, sondern auch gegen die Rechte von Homosexuelle stellt. Weitere Verbindungen lassen sich unter anderem zum ehemaligen Salzburger Weihbischof Andreas Lau (dessen Aussagen zu Homosexualität, Menschen anderer Kultur oder Religion, zu Frauen und Corona selbst der katholischen Kirche oft zu schlimm waren!) und Ex-ÖVP-Nationalrat Marcus Franz ziehen, auch sie sympathisieren mit Human Life International. Franz und Laun wurden 2018 zum rechts-rechten „Verteidiger Europas“ Kongress 2018 in Linz eingeladen and dem führend die neofaschistische Identitäre „Bewegung“ Österreichs teilnahm.
Auf der Kundgebung in Salzburg am 1. Oktober haben wir allerdings nicht nur die Gefahr der Abtreibungsgegner*innen aufgezeigt, sondern auch unsere Solidarität mit den feministischen Protesten gegen Frauenunterdrückung, die Unterdrückung von Arbeiter*innen und Femizide im Iran ausgedrückt und Verbindungen zu der drastischen Situation im Gesundheits- und Sozialbereich gezogen. Die Erkämpfung von Frauenrechten hängt (unter anderem) auch mit klaren Forderungen für Kinderbetreuungsangebote und höhere Löhnen in frauendominierten Arbeitsbereichen zusammen.
Die radikalen Abrteibungsgegner*innen von "Jugend für das Leben" und Co. sind keineswegs harmlose Spinner, sondern brandgefährliche christliche Fundamentalist*innen mit guten Verbindungen zur (österreichischen) Politik, katholische Kirche und rechtsextreme Szene
Abtreibungsgegner*innen veranstalten nicht (nur) Gebetskreise und Märsche, sie sind auch gut in der etablierten bürgerlichen Parteienlandschaft vernetzt. Erst kürzlich wurde in den USA das vor über 50 Jahren verankerte Recht auf Schwangerschaftsabbrüche gekippt und somit die rechtliche Garantie, dass jeder Bundesstaat der USA das Recht auf Abtreibung ermöglichen muss, zerschlagen. Das hat katastrophale Folgen für Frauen und gebärfähige Personen. Schwangere müssen im Extremfall nun sogar um ihr Leben bangen, wenn es zu Komplikationen kommt und sich Ärzt*innen trotzdem weigern einen Abbruch durchzuführen – was vor 10 Jahren in Irland Savita Halappanavar das Leben kostete und eine riesige Bewegung auslöste.
Aus diesen Beispielen lassen sich einige wichtige Punkte ziehen:
-
Abtreibungsrechte sind nicht in Stein gemeißelt und müssen immer wieder gegen Angriffe von religiösen Fundamentalist*innen und Rechtsextremen verteidigt werden. Das Beispiel der USA zeigt, wie schnell und für viele unerwartet das Recht auf Abtreibung fallen kann.
-
Das Supreme-Court-Urteil in den USA aber auch das Beispiel von „Jugend für das Leben“ und Gudrun Kugler zeigt die strukturelle Vernetzung konservativer Kräfte in bürgerlichen Strukturen: Abtreibungsgegner*innen werden immer lauter und selbstbewusster und sind willkommene Gäste für konservative und rechte Parteien.
-
Die Stimmen von Abtreibungsgegner*innen werden immer lauter und sie erlangen immer mehr Einfluss. Beispiele wie die klar rechtskonservative Nationalratsabgeordnete Kugler, ein führendes Ex-Mitglied der Organisator*innen „Jugend für das Leben“ sind nur eine von vielen.
-
Die Welle christlicher Fundamentalist*innen die auf dem Vormarsch ist steht in Verbindung mit der Krise des Kapitalismus. Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist auf die Objektifizierung und Ausbeutung von weiblichen, gebärfähigen Körpern angewiesen. In Krisenzeiten wird diese strukturelle Ausbeutung von Frauen und gebärfähigen Personen noch größer und das Interesse an einer größeren Geburtenrate steigt. Diese Interessen werden auch mit der Beschneidung von Selbstbestimmungsrechten durchgesetzt.
Aus diesem Grund sagen wir, dass sich breite Schichten von Arbeiter*innen wie Jugendliche aus der Arbeiter*innenklasse, Gesundheits- und Sozialpersonal aber auch aus anderen Branchen mit internationalen Kämpfen solidarisieren und eine Massenkampagne, Massendemonstrationen und im Zweifelsfall auch Streiks für das Recht auf Abtreibung starten sollen, um einen sicheren Zugang zu Abtreibungen erhalten und ausweitet zu können aber auch eine kostenlose und sichere Kinderbetreuung zu erkämpfen.
Einige unserer konkreten Forderungen umfassen den kostenlosen Zugang zu Verhütungsmitteln und zu Schwangerschaftsabbrüchen, die Abschaffung des „psychologischen Vorgesprächs“ in Falle einer Behandlung (das zwar gesetzlich nicht vorgesehen ist aber von vielen, u.a. teilweise der Gemeinde Wien, verlangt wird), den Ausbau der Kinderbetreuung und einen umfangreicheren Aufklärungsunterricht in Schulen! Außerdem: Kirche raus aus Schule und Staat!