Angebot, Nachfrage und Komasaufen

Sonja Grusch

Die Wirtschaft, so lernen wir, wird bestimmt von Angebot und Nachfrage. Die Debatte über das “Komasaufen” zeigt eine besonders perverse Form davon. Natürlich gabs auch früher das Saufen bis zur Besinnungslosigkeit: Da wurde “vorgeglüht”, um gerüstet zu sein für’s “Kampftrinken”. Manchmal soff man sich jemanden “schön” und zum Abschied gabs ein “Fluchtachterl”. Trotzdem darf die jüngste Welle von Komasaufen nicht verharmlost werden. Drogenmissbrauch – und um nichts anderes geht’s beim Komasaufen – ist eine durchaus konjunkturelle Sache.

Einerseits geht’s um die Nachfrage nach der Arbeitskraft von Jugendlichen. Die tatsächliche Jugendarbeitslosigkeit steigt stetig, daran ändern auch die diversen Sonntagsreden der PolitikerInnen nichts. Zukunftsangst und Perspektivlosigkeit sind zentrale Gefühle unter Jugendlichen. Angesichts eines oft fehlenden Widerstandes dagegen, werden die Ohnmachtsgefühle (“Ich finde keine Job, ich bin nichts wert, ich hab keine Chance, ich habe keine Zukunft”) dann von vielen in Alkohol ertränkt. Dem gegenüber steht das “Angebot” von – manche nennen sie “geschäftstüchtigen” andere “skrupellosen” – Wirten, die mit Saufangeboten den Vollrausch fördern. Da ist es für Jugendliche oft billiger, den Abend mit Alkohol zu verbringen, als mit Anti-Alk.

Die andiskutierten Verbote zeigen die Ohnmacht und Widersprüchlichkeit des Systems. Wer Alkohol will, bekommt ihn auch. Und warum sind Jugendliche zwar alt genug, um z.B. im Gastgewerbe bis 23 Uhr arbeiten zu “dürfen” aber zu jung, um über ihren Alkoholkonsum selbst zu entscheiden? Warum ist es nach wie vor legal, für die Volksdroge Nr. 1 zu werben? Warum sind alkoholische Getränke in Lokalen fast ausnahmslos billiger als antialkoholische?

Wenn Menschen die Arbeitswoche nur mit der Perspektive auf ein Besäufnis am Wochenende überstehen, dann sagt das etwas darüber aus, was der Mensch im Kapitalismus ist: nur eine Ware. Und wenn Jugendliche sich ihre Zukunftsängste wegzusaufen versuchen, zeigt das, dass der Kapitalismus für sie keine Zukunft bietet. Es braucht ein Angebot an Widerstand gegen diese Missstände, um die Nachfrage nach Zukunft befriedigen zu können!

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