Aktion 4.5.: Die Pandemie der Femizide stoppen!

Jetzt Proteste organisieren und Gewalt an Frauen den Boden entziehen!
Sarah Moayeri

Der jüngste Frauenmord am 29.4. in Wien-Brigittenau hat eine Welle von Empörung ausgelöst. Die Tatsache, dass das Thema derart öffentlich diskutiert wird zeigt auch den Druck von unten und die gestiegene Wut unter vor allem jungen Frauen über die Zunahme von Gewalt und Sexismus. Auch Politiker*innen aller etablierten Parteien haben ihre Betroffenheit ausgedrückt und einige Krokodilstränen vergossen. Doch die herrschende Politik ist mitverantwortlich dafür, dass in Österreich im EU-Vergleich jährlich die meisten Frauen aufgrund ihres Geschlechts ermordet werden. Das ist der neunte Femizid 2021, die meisten Frauen werden von nahestehenden Bekannten, Verwandten, (Ex-)Partnern oder Ehemännern ermordet. Die eigenen vier Wände sind der gefährlichste Ort gerade wenn es um Gewalt, sexualisierte Gewalt oder eben auch Mord gegen Frauen geht.

 

  • Aktion von Rosa am Dienstag den 4.5. um 17.00 in Wien 20 Handelskai sowie von DIY Frauentagsbündnis Linz am Dienstag den 4.5. um 16.30 in Linz am Taubenmarkt

Bei dem Täter, der seine Ex-Partnerin ermordet hat, handelt es sich nach Medienberichten um den “Bierwirt”, der vor ein paar Jahren in Zusammenhang mit belästigenden, sexistischen und übergriffigen Nachrichten an Sigi Maurer (Grüne) bekannt geworden war. Richtigerweise gibt es deshalb jetzt auch auf social media eine Welle von Empörung von vor allem jungen Frauen darüber, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der sexistische Sprüche und Belästigungen geduldet werden, und nur dann wenn diese Kultur ihren Höhepunkt in Form von Gewalt und Mord erreicht, die Entrüstung plötzlich bei den Herrschenden groß ist. 

Dass Täter polizeibekannt sind, bevor sie ihre Ehefrau / Ex-Partnerin / Tochter / Lebensgefährtin ermorden, ist keine Seltenheit. Bei mehr als der Hälfte der Femizide gab es in irgendeiner Form Vorabkontakt mit der Polizei. Auch in diesem Fall kann offenbar aufgrund von (auch hier laut Medienberichten) diversen Vorstrafen davon ausgegangen werden, dass Polizei und Behörden von der Gefahr, die von dem Mann ausgegangen ist, hätten wissen können und müssen. Besonders ekelhaft kommt verharmlosendes sexistisches Verhalten in Form einer Schuldumkehr daher, wie sie z.B. Petzner mit einer Argumentation in die Richtung von Maurer hätte den armen Mann so fertig gemacht, “damit konnte er nicht umgehen”, fährt. 

 

Der Staat wird's nicht richten

Das zeigt, dass wir uns beim Kampf gegen Gewalt an Frauen nicht auf den Staat und  die Polizei verlassen können. Viel zu oft werden bei Gewalttaten die Opfer verantwortlich gemacht, in der Polizei selbst herrscht nicht selten eine Kultur von Sexismus und Frauenfeindlichkeit. Die Bundesregierung und alle etablierten Parteien von SPÖ bis NEOS und FPÖ sind zwar gut darin, nach solchen Taten große Empörung auszudrücken und mehr Gewaltschutz zu fordern, sind aber sowohl selbst verantwortlich wie die NEOS in Salzburg für fehlende Schutzeinrichtungen und Kürzungen als auch beschränken sich ihre Vorschläge auf rechtliche Verschärfungen, während es eigentlich massive Investitionen nicht nur in Gewaltschutzmaßahmen, sondern generell für die Gleichstellung von Frauen bräuchte.

Aktuell diskutiert die Bundesregierung eine Intensivierung des Instruments der “Fallkonferenzen” zur Gefährlichkeitsprognose, bei denen Hochrisikiofälle gemeinsam von Polizei, Justiz und Interventionsstellen untersucht werden. Das wird allerdings bestenfalls ein Tropfen auf dem heißen Stein sein. Von dem geplanten Sicherheitsgipfel von Frauen- und Innenministerium ist nicht viel mehr zu erwarten als maximal rechtliche Verschärfungen und ein härteres Vorgehen der Polizei gegen mutmaßliche Gewalttäter. Nicht lange her ist es auch, dass die “Frauenministerin” das Gewaltthema für einen rassistischen Vorstoß nutzen wollte und - wieder einmal - so tat, als ob das Problem importiert wäre. Tatsächlich ist es  eine Illusion, dass in einer systematisch frauenfeindlichen Gesellschaft stärkere staatliche Repressionen und höhere Strafen Gewalt an Frauen zurückdrängen könnten, auch wenn rechtliche Verbesserungen auch positiv sein können.

 

Femizide haben System, sie sind die erschütternde Spitze einer sexistischen Gesellschaft, in der sexuelle Belästigung, Übergriffe, sexistische Sprüche und Gewalt zum Alltag von Frauen gehören. Jede fünfte Frau hat in Österreich seit ihrem 15. Lebensjahr schon einmal körperliche und/oder sexualisierte Gewalt erlebt, jede dritte eine Form von sexueller Belästigung. Frauen werden auf allen Ebenen in der kapitalistischen Gesellschaft abgewertet, objektifiziert und ausgebeutet. In einem System, in dem Frauen weniger verdienen als Männer, unbezahlte Care-Arbeit leisten müssen, überwiegend in unterbezahlten Branchen arbeiten und damit systematisch ungleichgestellt sind, wird auch Gewalt als Ausdruck der Kontrolle über Frauen und ihre Körper normalisiert.

In Österreich dominiert ein zutiefst sexistisches und abwertendes Frauenbild. Während des Lockdowns hat Gewalt an Frauen unter anderem deshalb massiv zugenommen, weil traditionelle Rollenbilder befeuert und Frauen verstärkt in die eigenen vier Wände gedrängt wurden. Die große Mehrheit der Corona-Arbeitslosen in Österreich ist weiblich, viele Frauen haben sogar “freiwillig” ihren Job aufgegeben, um die Mehrbelastungen, die das Auslassen des Staates erzeugt hat durch z.B. Kinderbetreuung und Hausarbeit, irgendwie zu schaffen. Soziale Not, Arbeitslosigkeit, steigende Mieten und damit Abhängigkeiten verstärken Gewalttaten und erschweren es Frauen, auszubrechen. Das ist die soziale Grundlage, auf der sexistische Gewalt wachsen kann - in Kombination mit vorherrschenden Rollenbildern und einer frauenfeindlichen Kultur eine enorm gefährliche Situation für Frauen. 

 

Regierung finanziert sexistische Medien

2020 flossen 20 Millionen an öffentlichen Geldern in die Mediengruppe “Österreich”, genau die, die einen Tag nach dem jüngsten Mord ein Interview mit einem Freund des Täters veröffentlichten, der die ermordete Frau selbst verantwortlich macht, weil sie “nicht gut mit ihrem Mann umgegangen sei”. Das heißt, die Regierung finanziert jemanden wie Fellner, dem selbst Übergriffe vorgeworfen werden, und seine frauenfeindlichen Medien mit, während im Vergleich im letzten Jahr für Gewaltschutzprogramme gerade mal 3,25 Millionen Euro ausgegeben wurden.

Wir müssen jetzt die Wut über diese Pandemie der Femizide und Gewalt in Widerstand und in eine Bewegung gegen Sexismus und Gewalt an Frauen und die dahinterliegenden Ursachen verwandeln. Die SLP und unsere sozialistisch-feministische Initiative ROSA organisiert gemeinsam mit der LINKS-Bezirksgruppe in der Brigittenau einen Protest nicht weit von dem Tatort und mobilisiert dafür in der unmittelbaren Nachbarschaft (https://www.facebook.com/events/198028968640595 ) Es ist wichtig, die Empörung über diese allgegenwärtige Gewalt an Frauen nicht nur symbolisch auszudrücken, sondern direkt vor Ort präsent zu machen, aufzuklären und konkrete Maßnahmen zu fordern.

In der Brigittenau gibt es ähnlich wie überall sonst einen Mangel an Schutzeinrichtungen und Hilfestellen für Frauen. Die Brigittenau ist außerdem einer der ärmsten Bezirke Österreichs, Unabhängigkeit ist hier für Frauen besonders schwer (finanzierbar). Das muss sich unmittelbar ändern. Es braucht sofort Investitionen in ausreichend finanzierte und ausgebaute Frauenhäuser in ganz Österreich, finanziert von z.B. den Profiten von Fellner & Co, die Millionen machen mit einer Vermarktung von Sexismus. Neben Präventionsprogrammen in Bildungseinrichtungen ab dem Kindergarten, dem Ausbau von Männerberatungsstellen und Schutzeinrichtungen braucht es aber vor allem einen Kampf gegen Sexismus in allen Poren der Gesellschaft sowie soziale Maßnahmen zur Beendigung der Ungleichstellung für Frauen. Das bedeutet u.a. höhere Löhne, insbesondere in “Frauen”branchen, kostenlose Kinderbetreuung für jedes Kind, Löhne von denen Frau unabhängig leben kann sowie einen Ausbau von Pflege- und Betreuungseinrichtungen.

 

Den 8.3.2022 zum gewerkschaftlichen Kampftag machen!

ROSA plant auch entsprechende Anträge in die Gewerkschaften zu tragen, um spätestens den 8.3.2022 zu einem gewerkschaftlichen Kampftag für Frauenrechte zu machen. Denn es ist doch die  Aufgabe der Gewerkschaften, den Kampf gegen Sexismus in den Betrieben zu führen, Aufklärungskampagnen zu organisieren etc - es geht ja auch ganz zentral um Gewerkschaftsmitglieder und Kolleg*innen! Es braucht einen entschlossenen Kampf für gleichen Lohn für gleiche Arbeit, gegen Arbeitslosigkeit und für soziale Verbesserungen, verbunden mit einer Offensive gegen Gewalt an Frauen. Wir müssen darum kämpfen, dass sexistische Sprüche, Belästigungen und Übergriffe weder am Arbeitsplatz, in der Schule, auf der Straße, noch in den Nachbarschaften geduldet werden. Dafür müssen wir auch diejenigen bekämpfen, die verantwortlich sind für die Normalisierung dieser Gewalt: Von ÖVP und FPÖ, die immer wieder Migrant*innen für die zunehmende Gewalt an Frauen verantwortlich gemacht haben, bis hin zu den Medien mit ihrer verharmlosenden Berichterstattung.

 

Proteste, nachdem es schon “zu spät” ist, sind wichtig um das Bewusstsein in der Arbeiter*innenklasse an dem Thema zu erhöhen, reichen aber nicht aus. Wut in Widerstand zu verwandeln muss bedeuten, in die Offensive zu kommen, um reale Verbesserungen zu erkämpfen aber auch um das System zu überwinden, das Sexismus und Gewalt an Frauen immer wieder reproduziert. Die dramatischen Femizide in Österreich und international können wir nur stoppen, wenn wir einem System entgegentreten, das von der Unterdrückung von insbesondere Frauen und LGBTQI+ Personen massiv profitiert und damit ein Interesse daran hat, abwertende Frauenbilder aufrecht zu erhalten und zu reproduzieren.

 

Innerhalb des kapitalistischen Systems wird es kein Ende dieser Gewalt geben. Aber seit Jahren gibt es beeindruckende Massenbewegungen in nahezu allen Teilen der Welt gegen die sexistische Normalität und der tagtäglichen Gefahr, der Frauen ausgesetzt sind, egal wo sie sich aufhalten. Diese Bewegungen haben das Potential, die Verbindung von Sexismus mit dem dahinterliegenden System, dem Kapitalismus, zu entwickeln und ein Ansatzpunkt für  ein offensives Entgegentreten von Jugendlichen, aber v.a. auch Kolleg*innen in den Betrieben sowie den Gewerkschaften als Organisationen der Arbeiter*innenklasse gegen jede Form von Sexismus, Rassismus, Diskriminierung und Unterdrückung zu werden - in Form von massenhaften Protesten bis hin zu Streiks und Arbeitskämpfen. Denn es liegt im ureigenen Interesse der Arbeiter*innenklasse, Spaltungen in Form von Sexismus und Gewalt an Frauen zu bekämpfen, um für ein Ende des kapitalistischen Wahnsinns geeint und gestärkt zu sein. Wir müssen jetzt beginnen, für den nächsten 25. November, dem internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, größere Proteste und Demonstrationen zu organisieren, dann für den 8.3.2022 und darüber hinaus eine langfristige Bewegung und Organisierung aufzubauen, die sexistische Ideen zurückdrängen kann. Schließ dich dafür jetzt ROSA an und werde aktiv.