“Unser” Bier im Kapitalismus

Bier als Spiegel der Zeit
Martin Ramberger

Österreich hat eine lange Tradition des Biertrinkens und -brauens. Nicht umsonst war der Gerstensaft der Exportschlager der Österreich-ungarischen Monarchie. Im 19. Jahrhundert war es auch üblich, dass ein Teil des Lohnes der Wiener Ziegelarbeiter in Form von Bier oder Schnaps ausgezahlt wurde. 140 Brauereien in Österreich und 109 Liter Konsum pro Kopf und Jahr lassen es als bodenständiges, regionales und demokratisches Produkt erscheinen. Aber gerade auch im Gerstensaft spiegeln sich die Wirtschaftsgeschichte und Entwicklungstendenzen des Kapitalismus in Österreich wieder.

Enteignung und Zwangsarbeit

1938, nach dem Anschluss, mussten etliche Jüdinnen und Juden ihre Wohnungen zwangsverkaufen oder sie wurden ihnen einfach weggenommen, “arisiert”. Dasselbe spielte sich auch in der Wirtschaft ab. Jüdische Unternehmen mussten  ebenfalls zu einem Spottpreis verkauft werden. Dies passierte auch Moritz von Kuffner, der bis 1938 der Besitzer der Ottakringer Brauerei war. Die Anfeindungen der Nationalsozialisten nahmen bereits unmittelbar vor dem Anschluss so stark zu, dass er noch vor dem Anschluss die Brauerei an Gustav Harmer deutlich unter Wert verkaufte und in die Schweiz flüchtete. So war das Ottakringer Bier das erste “arisierte” Bier Österreichs. Man bekommt kaum zufrieden stellende Antworten auf die Frage wie sich die bekanntesten Brauereien während des Nazi-Regimes verhalten haben. Auf den meisten Homepages wird dieser Abschnitt der Firmengeschichte nicht behandelt oder nur kurz erwähnt, dass die Zeit wirtschaftlich nicht die beste war. Zipfer schreibt auf seiner Homepage:” …Nach dem kurzzeitigen Betriebsstillstand während des Zweiten Weltkriegs konnte zum hundertjährigen Jubiläum die 200.000 hl Marke überschritten werden.” Kein Wort darüber, dass die Stollen der Zipfer Brauerei, welche noch immer in Besitz von Zipfer sind, von KZ-Häftlingen ausgehoben worden  waren.

Konzentration, “Bierimperialismus” und geringe Lohnerhöhungen  

Von Vielfalt ist heute keine Rede mehr: Einige Bierexperten meinen, dass diverse Retrodesigns bei Flaschen und Dosen, die Individualität vorgaukeln, in einem krassen Widerspruch zu einer starken Tendenz zum Einheitsgeschmack stehen. Der Biermarkt selbst wurde seit den 1980er Jahren fast völlig monopolisiert: Viele der bekannten Biermarken (Zipfer, Wieselburger, Gösser,...) schlossen sich zur Brau Union Österreich AG (BBAG). Seit 2003 besitzt Heineken die Aktienmehrheit; mit dem 1,9 Milliarden-Deal wurde der Konzern zum Marktführer in acht von 13 zentraleuropäischen Ländern. Im Bierland Tschechien ist z.B. faktisch nur mehr die nach wie vor verstaatlichte Budweiser-Brauerei tschechisch. Und während die Bierpreise zuletzt kräftig gestiegen sind (bis zu zehn Prozent, bei Egger), betrugen die Kollektivvertragserhöhungen bei den Brauerein 2007 gerade einmal drei Prozent …

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