“Freundschaft” im Rabenhof

Eine diskussionswürdige Abrechnung mit der Sozialdemokratie.
Michael Gehmacher

Freundschaft ist ein Zwei-Personen-Stück: Ein Vater-Sohn-Konflikt am Vorabend eines Begräbnisses. Vom Familienstreit geht’s schnell ans Eingemachte: die politische Situation in Österreich im Allgemeinen und die SPÖ im Besonderen. Begraben wird nämlich der Pepi-Onkel, und der war  durch und durch Sozialdemokrat. Mehr noch: Er war Schutzbündler, Februarkämpfer, und mit 100 % gewählter Personalvertreter an seiner ÖBB-Dienststelle. Einer jener Menschen, die in einer Zeit, als die SPÖ noch eine ArbeiterInnenpartei war,  die Schlagkraft dieser  Partei ausmachten. Einer jener kleinen Funktionäre, von denen es in den 70ern noch zehntausende gab, die in Gemeindebauten, Betrieben und Pensionistenwohnheimen unermüdlich für die SPÖ aktiv waren. Menschen die – trotz vieler politischer Enttäuschungen – durch ihre Arbeit als Parteikassiere, Hausvertrauenspersonen oder als Betriebsräte tausende SPÖ-Mitglieder und WählerInnen bei der Stange hielten.  Bis man den 1980er Jahren begann diese Basisstrukturen zugunsten eines Medienapparates abzubauen, der die neoliberale Politik der Vranitzky- und Klimaära als neues sozialdemokratisches Credo verkaufen sollte.

Ein Denkmal für einen Toten

Freiwillig oder unfreiwillig wird mit “Freundschaft” diesen Menschen ein Denkmal gesetzt – und damit einer Partei, die es so nicht mehr gibt.  Und das Stück scheint (zumindest in Wien) die Seele eines Teiles dieser verlorenen Basis zu treffen.  Die BesucherInnenzahl liegt weit über den Erwartungen, der angelaufene CD-Verkauf läuft gut. Und ein Blick in den Zuschauerraum zeigt, dass sich auch viele ältere SPÖ-Mitglieder von dem Stück angezogen fühlen. Umso trauriger ist es, dass viele zentrale Fragen nur oberflächlich behandelt werden. Da ist zB. das Verhältnis zur FPÖ. Im Stück erfahren wir zwar, dass der “Pepi-Onkel” immer nach Kärnten auf Urlaub fuhr. Und das der Sohn (gespielt von Rubert Henning) bitter enttäuscht vom “Pepi Onkel” war. Denn als junger Mensch wurde er (wie oft bei solchen Familienurlauben üblich) zum mittrinken mit den Erwachsenen verpflichtet. Dabei erlebt der junge Mensch wie die Kärntner SPler im Vollrausch erklären, dass “national”  und “sozialistisch” eigentlich zusammen gehören. Der antifaschistische Onkel schweigt zu den braunen Triaden seiner Kärntner Genossen. Der Dialog ist zwar lustig, geht aber am Kern des Problems vorbei. Hat der Aufstieg der FPÖ in den 90ern seine Ursachen wirklich nur in der Politik der Kärntner SPÖ oder des Innenministers Schlögl, den der Vater – genial gespielt von Erwin Steinhauer – als Purkersdorfer Bürgermeister beerben will? Die Rolle der SPÖ in den späten 80ern und frühen 90ern bei Sozialabbau und rassistischer Ausländerpolitik wird – leider – fast gar nicht angesprochen. Die Frage, wie es zur großen SPÖ-Niederlage 1999 kam, wird mit witzigen Dialogen  gut umschifft.  Auch die Rolle der SPÖ bei der Zerschlagung der Verstaatlichten bleibt unbehandelt  Denn bei der wirklichen Analyse des Zustandes der SPÖ bleibt das Stück leider sehr unkonkret.

Purkersdorf als sozialistisches Paradies

In einem kurzen Epilog erfahren die ZuschauerInnen, dass der Vater mit Unterstützung des Sohnes (der hat nämlich eine Werbeagentur) es doch noch schafft  Bürgermeister von Purkersdorf zu werden. Purkersdorf wird dann für einen kurzen Traum zum SP-Paradies: Es gibt Umverteilung, Arbeit, kulturelle Vielfalt usw. – und vor allem die SPÖ ist erfolgreich.  “Man muss es nur wirklich wollen”, meinen Vater und Sohn sinngemäß auf die Frage, wie sie das gemacht haben. Ist das die Botschaft der Autoren (Rupert Henning und Florian Scheuba) an die SPÖ?  Ist das Problem der SPÖ wirklich, dass sie nicht will? Die Frage, ob die SPÖ heute noch eine ArbeiterInnenpartei ist, bleibt unbehandelt. Eine Frage, die sich Steinhauer wohl selbst als erfolgreicher SPÖ-Kandidat für den ORF-Publikumsrat stellen muss.   

Neue politische Welle in der Kultur?     

Das Theater Stück schwimmt – und das ist positiv – auf einer allgemeinen  Politisierungswelle, die man derzeit im österreichischen Film und Theater bemerken kann (siehe Spiegelgrund, 3 von 5 Millionen, Working Men’s Death, Operation Spring, We feed the World, Artikel 7, usw.). Im Programmheft werden sogar Bücher zum Thema Sozialdemokratie empfohlen. Freundschaft hat witzige Dialoge und ist gut gespielt. Es ist absolut sehenswert, aber es ist absolut wichtig sich in die dadurch entstandene SPÖ-Diskussion einzumischen.      

“Freundschaft”

mit Erwin Steinhauer und Rupert Hennig – zur Zeit im Wiener Rabenhoftheater

www.rabenhof.at

Erscheint in Zeitungsausgabe: