Mo 23.09.2019
Unter dem Slogan „0% Käuflich, 100% Sozial“ tritt die KPÖ Steiermark (KP-St.), gemeinsam mit der Bundes-KPÖ, zu den Nationalratswahlen an. In der Steiermark ist die KP-St. in den letzten Jahren ziemlich erfolgreich gewesen. In Graz erzielte sie bei den letzten Gemeinderatswahlen knapp über 20% und auch im steirischen Landtag hat sie zwei Mandate. Bei dieser Wahl ist Robert Krotzer, Gesundheitsstadtrat in Graz, Spitzenkandidat in der steirischen Hauptstadt und Elke Kahr, selbst Verkehrsstadträtin, Listenzweite bundesweit. Die Frage, die sich stellt, ist, wie konnte die KPÖ in der Steiermark diese Erfolge erreichen und kann sie ähnliches auch bei der Nationalratswahl schaffen?
Sozialarbeit vs. Klassenkampf?
Das Hauptaugenmerk der KP-St. liegt auf sozialen Themen, vor allem im Bereich Wohnen. In ihrer ehemaligen Position als Wohnungsstadträtin wurde Elke Kahr zu einem fixen Bestandteil des Sozialbereichs, die KP-St. hilft aus bei Mietrückständen und führte einen „Mieter*innen-Notruf“ ein. Bei den diesjährigen Wahlen wird eine Mietobergrenze und die Abschaffung der (meist von Mieter*innen zu bezahlenden) Makler*innenprovision gefordert. Doch auch eine bessere Bezahlung von Pflegeberufen, ein Preisstopp bei Tickets und der Ausbau des öffentlichen Verkehrs, ein Steuermodell, bei dem Reiche mehr zahlen müssen sowie ein Stopp der Verbauung der Grünflächen sind Teil des Wahlprogramms. Lokale Erfolge – wie z.B. das Mindestsicherungsbezieher*innen in Graz von dem „sozial“ gestaffelten Selbstkostenbeitrag für mobile Pflege befreit wurden – bescherte der KP-St. zu Recht den Ruf einer sozialen Partei.
Ähnlich wie die SPÖ in den 1970er Jahren spricht man soziale Probleme nicht nur an, sondern sucht auch nach Möglichkeiten, diese zu lindern. Daran ist nichts falsch – doch sind diese Möglichkeiten beschränkt und werden geringer, wenn sich die wirtschaftliche Situation insgesamt verschlechtert. Wenn der Kuchen kleiner wird, wird es schwerer, dass das Stück, das die Arbeiter*innen und sozial Schwachen bekommen, nicht auch kleiner wird. Solange eine Partei in der Logik des Kapitalismus verhaftet bleibt (bzw. diese nur in der Propaganda, aber nicht in der praktischen Politik in Frage stellt) stößt sie unweigerlich an diese Systemgrenze. Schon die reformistische SPÖ setzte bei der Umsetzung ihrer Sozialmaßnahmen auf das Prinzip „Wählt uns, wir machen das für euch“. Und heute betreibt die KP in der Steiermark eine ähnliche „Stellvertreter*innenpolitik“ in Landtag und Gemeinderäten – als Sozialarbeiterin für die Arbeiter*innen. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Posten der Verkehrsstadträtin. Selbstredend hätte der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs positive Auswirkungen auf das Klima und bietet mehr Mobilität für Menschen die sich kein Auto leisten können (oder wollen). Doch dies müsste mit der Einführung eines Nulltarifs für Öffis verbunden werden. Die KPÖ fordert diesen Nulltarif zu Recht in vielen anderen Bundesländern und könnte diesen gerade in Graz mit der Position der Verkehrsstadträtin nicht nur propagieren, sondern auch Schritte in Richtung Umsetzung angehen. Schaffner*innen können zu Servicepersonal umgeschult werden. Die Finanzierungslücke bei den Öffis durch den Wegfall der Ticketeinnahmen müsste dann nachträglich durch den Druck von Mobilisierungen auf der Straße geschlossen werden. Sozialistische Stadtpoltik heißt eben nicht auf die Institutionen des bürgerlichen Staats zu warten, sondern zu tun, was für die Arbeiter*innen, Jugendlichen und Pensionist*innen nötig ist und es dann eben zum Konflikt mit den angeblichen „Sachzwängen“ der etablierten Parteien kommen zu lassen. In einer Stadt wie Graz, in welcher ein Megaprojekt nach dem anderen gebaut wird, ist es keine Frage, wo das Geld für solche Maßnahmen zu holen ist. Als Sozialist*innen sind wir der Meinung, dass Parlamente als Bühne für unsere Ideen genutzt werden können. Sie können jedoch nicht den kollektiven Kampf der arbeitenden Menschen gegen die Herrschenden dieses Landes ersetzen.
Dies zeigt sich gut an der letzten schwarz-blauen Bundesregierung, welche als gesetzgebender Rammbock der Wirtschaftskammer Schritt für Schritt Errungenschaften der Arbeiter*innenbewegung wie z.B. den 8-Stundentag abgeschafft hat. Der ÖGB hat es versäumt, den Wunsch nach Gegenwehr in handfesten Widerstand umzuwandeln. Auch hier hätte von kommunaler Ebene gegengesteuert werden können. Die KPÖ-Abgeordneten hätten die Bewegung, die die ÖGB-Führung ausgebremst hat, fortführen können und so Druck aufbauen können, dass Graz oder die ganze Steiermark beschlossen hätte, das zumindest im öffentlichen Dienst der 12-Stunden-Tag nicht umgesetzt wird.
Almosen statt Führung
Die Stellvertreter*innenpolitik zeigt sich auch im Umgang mit den Gehältern der gewählten Mandatar*innen. So geben die Landtagsabgeordneten und Gemeinderät*innen der KP-St. einen großen Teil ihres Gehalts ab und behalten maximal 1950€/Monat. Durch diese Abgabe wurde in den letzten 20 Jahren rund zwei Millionen Euro gesammelt, welche in einen Sozialfond kommen.
Selbstredend konnte mit diesem Geld einer Vielzahl von Menschen aus ihren finanziellen Notlagen geholfen werden, aber wie auch bei der Kritik an der ungleichen Reichtumsverteilung in Österreich ändert sich dadurch nichts an der Situation, in der die Menschen leben. Zwei Millionen € in 20 Jahren klingen erstmal nach viel. Der Vergleich zu den Unsummen, die in dem Zeitraum nicht nur im Sozialberreich eingespart wurden (allein im steirischen Doppelbudget 2013/24 ca 200. Millionen!), zeigt aber, dass Widerstand hier nachhaltiger gewesen wäre als ein Sozialfond.
Denn auch Widerstand kostet Geld. Die Abgeordneten unserer Schwesterpartei in Irland leben seit vielen Jahren das Prinzip, nur ein Durchschnittsgehalt von ihren Bezügen zu behalten. Der Rest wird verwendet, um die Kampagne für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch, den Protest von Menschen gegen unsoziale Wassersteuern oder den Kampf von türkischen Arbeiter*innen für ordentliche Bezahlung zu unterstützen. So kommt Geld für Lautsprecherwagen, Busse für überregionale Mobilisierungen, Flyer, Plakate... zusammen. Auch die Büros und Hauptamtlichen der Socialist Party unterstützen und stärken sehr konkret die Bewegungen, mit großem Erfolg.
Es ist richtig, dass Mandatar*innen von linken Parteien nicht mehr Geld verdienen als ein/e durchschnittliche/r Arbeiter*in. So kann garantiert werden, dass diese Politik im Sinne der Menschen betreiben, die sie gewählt haben und sie nicht durch Privilegien völlig abgehoben werden. Doch schlussendlich werden so nur die Symptome behandelt. Die KPÖ Steiermark gewinnt Wähler*innen zu einem großen Teil nicht auf Grund ihres politischen Programms, sondern wegen ihrer selbstgewählten Rolle als Sozialarbeiterin. Das bedeutet aber auch, dass diese Wähler*innen nicht politisch überzeugt werden von den Ideen der KPÖ und nicht als Mitstreiter*innen gewonnen werden können.
In der diesjährigen Wahlkampfbroschüre der steirischen KPÖ steht: „Für (…) Veränderungen braucht es aber eine breite Bewegung von unten.“ In der praktischen Arbeit ist davon aber leider zu wenig zu merken.
Zwar beteiligte sich die KPÖ Steiermark an Bewegungen, wie zum Beispiel gegen den Bau des Murkraftwerks in Graz (für mehr Informationen siehe: https://www.slp.at/artikel/retten-wir-die-mur-aber-wie-8092) oder solidarisiert sich mit den Streiks im Sozialbereich oder bei den ÖBB, doch als stärkste linke Kraft in der Steiermark hätte sie die Führung übernehmen können. Was wäre möglich gewesen, wenn die KP-St. begonnen hätte, Druck auf den ÖGB auszuüben und die Betriebsrät*innen der KPÖ aktiv geworden wären, damit sich dieser gegen den Bau des Mur-Kraftwerkes stellt und den Widerstand mitorganisiert? Was wäre, wenn sich die Personalvertreter*innen und Betriebsrät*innen der KPÖ für den Aufbau von Widerstands- und Solidaritätskomitees im Rahmen der Streiks im Sozialbereich vergangenen Februar stark gemacht hätten und so den halbherzigen Versuchen der Gewerkschaftsführung einen Riegel vorgeschoben und die isolierten Streikversammlungen der Kolleg*innen vernetzt und auf die Straße gebracht hätten? Was wäre möglich, wenn die KP-St. nicht nur in Worten bereit wäre, mit den Beschränkungen des Systems zu brechen?
Stattdessen fokussiert sich die KP-St. zu sehr auf die Wahlebene. Aus Angst vor Stimmenverlust wird zwar parteiintern und vielleicht noch bei der Jugendorganisation die Frage aufgeworfen, was dass alles mit dem Kapitalismus zu tun hat und wie dieser überwunden werden kann, aber in der tagtäglichen Arbeit wird auf systemüberschreitende Forderungen verzichtet und auch die FPÖ mit Samthandschuhen angefasst. Dies geht sogar so weit, dass der FPÖ in den Räumlichkeiten der KP-St. in Graz bei einer Veranstaltung eine Bühne geboten wurde. In dem Wissen, dass viele ihrer Wähler*innen auf lokaler Eben KP-St., auf Bundesebene jedoch blau wählen. Die FPÖ ist aber kein Bündnispartner für eine linke Partei – und auch nicht für eine soziale Partei. Die Freiheitlichen sind eine Partei, die Politik im Interesse des Kapitals umsetzt. Wenn die KPÖ stattdessen Kämpfe für echte Verbesserungen organisieren würde, könnten sowohl (ehemalige) FPÖ-Wähler*innen, als auch Migrant*innen Teil einer solchen sozialen Bewegung sein. So würde klar werden, dass die FPÖ und ihre Politik für das reichste 1% der Bevölkerung, die Gegnerin ist und nicht Migrant*innen.
Was tun?
Trotz all dieser Kritik ist es besser, am 29.9. bundesweit (außer in Oberösterreich) die KPÖ zu wählen, als gar nicht zur Wahl zu gehen. In Oberösterreich tritt die SLP v.a. auch als Angebot zum Mitmachen selbst mit einer kämpferischen Liste an (Informationen findet man hier: https://www.slp.at/artikel/wahlprogramm-2019-daf%C3%BCr-k%C3%A4mpft-die-...) Es ist unwahrscheinlich, dass die KPÖ in Graz ein Direktmandat (ca. 10.000 Stimmen) schafft und KPÖ wählen alleine reicht nicht aus. Die genannten Beispiele zeigen gut, dass der alleinige Einzug ins Parlament noch nichts an der Lebenssituation der Menschen ändert. Es geht darum, wie man die Sitze dann nutzt.
Um wirkliche Verbesserungen zu erkämpfen, ist eine demokratisch organisierte Arbeiter*innenpartei, in der gemeinsam das (Aktions-)Programm diskutiert und beschlossen wird, nötig. Eine Partei, die gegen das kapitalistische Chaos vorgeht und für eine sozialistische Gesellschaft kämpft. Die KPÖ kann – in der Steiermark ebenso wie österreichweit – ein wichtiger Bestandteil einer solchen Partei und eine Bündnispartnerin im Aufbau einer solchen sein.
Die SLP setzt sich seit Jahren für den Aufbau einer neuen Arbeiter*innenpartei ein und beteiligt sich aktiv an sozialen Bewegungen. In der Wahlkampfbroschüre der KPÖ Steiermark steht: „Wir wollen eine andere, eine sozialistische Gesellschaft, in der Menschen wichtiger sind als Geld, Macht und Profite.“. Nehmen wir sie beim Wort und kämpfen gemeinsam für solch eine Gesellschaft. Die kommende Regierung wird sicherlich die Angriffe auf das Sozialsystem und Arbeiter*innenrechte fortsetzen. Deshalb ist es jetzt notwendig, bereits Widerstand zu organisieren und uns vorzubereiten: https://www.slp.at/artikel/wahlen-auf-die-angriffe-danach-vorbereiten-9705
Wir laden alle Aktivist*innen - von Fridays for Future über die Donnerstagsdemos bis hin zu kämpferischen Gewerkschafter*innen – ein, dies gemeinsam und als Mitglied der SLP zu tun. Egal ob du schon seit Jahren in unterschiedlichen Formationen aktiv bist oder dir in diesem Moment überlegst, aktiv zu werden: wir haben keine Zeit zu verlieren.