Linzer Prügelpolizei greift AntifaschistInnen an

Am 1. Mai waren hunderte AntifaschistInnen in Linz zusammen gekommen, um einen Aufmarsch der neonazistischen NVP zu verhindern. Was sie dann erlebten hat einmal mehr bewiesen, dass auf die Behörden - insbesondere auf jene in Oberösterreich - kein Verlass im Kampf gegen rechts ist. Anstatt gegen die in Gruppen immer wieder auftretenden Nazis vorzugehen attackierte die Polizei brutal die AntifaschistInnen und behinderte stundenlang eine friedliche und angemeldete Demonstration.

In Folge einige Fakten und Berichte verschiedener AugenzeugInnen:

    Chronologie

    Unmittelbar nachdem die Demonstration begonnen hatte, sich zu formieren, drängte eine Kette Polizisten eine Gruppe von 50-100 AntifaschistInnen ab. Ihrer Argumentation nach "Vermumte". Die oö Behörden sind bekannt dafür, dass sie das Vermummungsverbot gerne als Anlass nehmen, um gegen AntifaschistInnen vorzugehen.

    Der oberösterreichische Sicherheitsdirektor Alois Lißl behauptet im Standard, die DemonstrantInnen seien immer wieder aufgefordert worden, ihre Vermummung aufzuheben. Wann und wo das gewesen sein soll, weiß keiner der TeilnehmerInnen - diese Durchsagen gab es schlicht nicht. Ein weiteres Beispiel dafür, wofür das Vermummungsverbot erlassen wurde - zur Einschränkung des Demonstrationsrechtes.

    „Diese Personen mussten wir einkesseln, da die Gefahr bestanden, dass strafbare Handlungen begangen werden könnte. Das versuchen wir natürlich unter allen Umständen zu verhindern“, meint dazu der Einsatzleiter der Polizei Fuchs. Mit diesem Argument kann JEDEM die Teilnahme an einer Demonstration verweigert werden - eine zerbrochene Brille wird rasch zu gefährlichen Waffe, ein Kinderwagen zum Rammbock, eine Fahnenstange zum Speer...

    Unter den eingekesselten auch 3 junge Linzerinnen, keine älter als 18 die mit ihrem kleinen Bruder zur Demo gekommen waren. Alle in heller luftiger Sommekleidung, alle völlig schockiert darüber wie sie von der Polizei behandelt wurden. Sie mussten alle Daten abgeben, auch ihre Händinummer etc und sie mussten sich ein Schild, auf dem ihre Name stand, vor die Brust halten und wurden so von der Polizei fotografiert. Unter den Verhafteten auch Prominente wie der Vizerektor der Linzer Kunstuniversität, Rainer Zendron.

    In der restlichen Demonstration gab es kurz Debatten darüber, ob die Demonstration trotzdem durchgeführt werden sollte oder nicht. Der Anmelder - von der KPÖ - war für trotzdem gehen. Die VertreterInnen der SLP sowie einiger MigrantInnen-Organisationen, darunter die Atigf, waren strikt dagegen. Es wurde klar gemacht "auch wenn wir nicht in allen Fragen einer Meinung sind, wir sind hier, um gemeinsam gegen Nazis zu demonstrieren. Wir entscheiden, wer auf unserer Demonstration mitgeht - und nicht die Polizei." Letztlich schloss sich offenbar auch die KPÖ der Tatsache, dass 90% der Demo einfach nicht bereit waren, zu gehen, an.

    Aufgrund ständiger Provokationen durch die Polizei - DemonstrantInnen wurden gedutzt, beleidigt, geschubst, Frauen gezielt vor die Brust gestossen und den Berichten über das skandalöse Verhalten der Polizei gegenüber den Personen im Kessel - stieg die Wut und Anspannung. Die Polizei wurde immer agressiver, zog Schlagstöcke, würgte eine Salzburger TeilnehmerIn, drosch auf DemonstrantInnen ein und zog Tränengas- und Pfeffersprays, die einigen aus nächster Nähe (weniger als ein halber Meter) direkt in die Augen gesprüht wurden. Trotz der Bitte um Hilfeleistung verweigerte die Polizei diese, in Folge mussten mehrere verletzte DemonstrantInnen ins Spital - darunter auch Michael Gehmacher, Bundesleitungsmitlied der SLP, der einem anderen Demonstranten aufhelfen wollte, nachdem dieser zu Boden geworfen worden war und dann selbst eine Ladung Pfefferspray in die Augen bekam.

    Dr. Edith Friedl, eine Augenzeugin, berichtet: "Nach gut zwei Stunden Einkesselung wurde die Situation immer angespannter. Die Jugendlichen schrien, wurden zusehends ungeduldiger, wollten raus und plötzlich brach die Hölle los: Polizisten schnappten sich einzelne aus der Gruppe, warfen sie zu Boden, droschen mit Schlagstöcken auf sie ein....Kurz NACH Ende des ganzen Wahnsinns erschien der Linzer Polizeipräsident persönlich am Tatort, ließ sich von seinen Polizisten 'objektiv' berichten und gab anschließend dem ORF ein kurzes Interview, das bei den Anwesenden nur mehr wütendes Kopfschütteln auslöste. Conclusio: diese jungen Leute machten nichts. Die Exekutive provozierte mit ihrem Verhalten massiv und ließ die Situation bewusst eskalieren. 'Zum ersten Mal seit der Nazi-Zeit wurde ein Mai-Aufmarsch polizeilich aufgelöst. Und das ausgerechnet in Linz, der Kulturhauptstadt 09. Ein Dammbruch...?"

    Warum das ganze? Und hätte es verhindert werden können?

    Die Vermutung liegt nahe, dass die Polizei die Demonstration solange verhindern wollte, solange Strache & Co. ihre Veranstaltung in Linz abhielten. Eine Veranstaltung, an der wieder einmal auch eine Reihe von Neonazis teilnahm. Schon in der Vergangenheit hat sich wiederholt gezeigt, dass die Behörden gerade in Oberöstereich auf dem rechten Auge blind sind. Vor zwei Jahren wurden in Ried zwei AntifaschistInnen verhaftet, als sie gemeinsam mit anderen versuchten, einen Naziaufmarsch zu stoppen. Die Nazis durften ungehindert marschieren - wie auch bei einer Reihe anderer Gelegenheiten. 

    Im Vorfeld des 1. Mai hat die SLP davor gewarnt, den Kampf gegen Rechts den Behörden zu überlassen. Die sozialdemokratischen Organisationen haben sich darauf verlassen, dass der NVP-Aufmarsch von der Polizei verboten wird und haben für einen Fackelzug am 30.4. aufgerufen und sich von der antifaschistischen Demonstration am 1. Mai ferngehalten. Es ist schön, wenn am 30.4. 2000 Menschen gegen rechts demonstrieren - aber wenn am 1. Mai die Polizei brutal gegen AntifaschistInnen vorgeht und damit Nazis die Teilnahme an der Kundgebung des rechtsextremen Strache zu ermöglicht, dann ist es nicht genug. Hätten die sozialdemokratischen Organisationen - SJ, JG, FSG, Funke etc. - sich an der antifaschistischen Demonstration beteiligt, anstatt ihr gänzlich fern zu bleiben, dann wäre ein starkes, antifaschistisches Zeichen möglich gewesen und die Polizei hätte die Demonstration nicht angreifen können.

    Die Rolle der SLP

    Antifaschismus und Solidarität sind für uns nicht nur Phrasen und Schlagworte. Daher hat die SLP am 1. Mai viele ihrer AktivistInnen aus ganz Österreich nach Linz gebracht. Und darum haben wir uns - obwohl uns inhaltlich viel von den "Autonomen" trennt - in vorderster Linie dafür eingesetzt, dass ALLE AntifaschistInnen mitdemonstrieren können.

    Herbert Wanko, kein "jugendlicher Heisssporn", sondern Familienvater und Beschäftigter in der Lehrlingsausbildung berichtet über das Auftreten der SLP:

    "Wir haben maßgeblich dazu beigetragen, dass die Demo nicht – wie von der KPÖ ursprünglich gewünscht – ohne die eingekesselten Autonomen los ging, sondern dass sich alle TeilnehmerInnen mit den Eingekesselten solidarisiert haben und lautstark ihren Protest kundgetan haben.

    Unsere Genossinnen und Genossen waren stets in der ersten Reihe zu finden und stellten sich mutig den aggressiven Gewaltattacken der Polizei entgegen. Trotz einiger blauer Flecke, Schrammen und tränender Augen ließ sich niemand abschrecken und alle machten weiter mit dem Protest.

    Leider hatten die Polizeiexzesse auch eine schwerere Verletzung von Michi zur Folge, dem es mittlerweile aber wieder besser geht.

    Ich habe schon viele Demos miterlebt und dabei auch immer wieder Polizeiübergriffe mit ansehen müssen und auch zu spüren bekommen. Doch ist es schon länger her, dass ein so aggressiver, uniformierter Mob auf friedliche DemonstrantInnen gehetzt wurde.

    Für viele unserer Genossinnen und Genossen war dies bestimmt das erste Mal, dass sie so etwas erlebt haben, so wie für viele andere DemonstrantInnen auch.

    Deswegen möchte ich vor allem das unerschrockene und überlegte Verhalten der jungen GenossInnen hervorheben, die entschlossen und besonnen blieben, und nicht auf die Provokationen der Polizei einstiegen.

    Als die Polizei dann genug hatte und außerdem die angemeldete Demozeit vorüber war, machte sich auch der letzte KPler aus dem Staub und die meisten MigrantInnen-Organisationen sahen die Demo auch für beendet an.

    Für die SLP und auch andere – vor allem Jugendliche – ging die Demo erst jetzt los und der Zug über die Landstraße zum Hauptplatz war trotz des Fehlens vieler der ursprünglichen DemonstrantInnen eine lautstarke, eindrucksvolle und meiner Meinung nach super Demonstration, die massgeblich von SLPlerInnen angeführt wurde.

    Für mich besonders auffällig war, dass es während dieser Demo keinerlei Ausschreitungen oder Beschädigungen gab, obwohl wir an Banken, ROLEX-Uhrengeschäft, etc. vorbeizogen. Offensichtlich führt meist das provokante Verhalten der begleitenden Polizei dazu, dass Scheiben oder Ähnliches zu Bruch geht.

    Wir haben in Linz wieder einmal eindrucksvoll bewiesen, wie wichtig konsequente antifaschistische Arbeit ist und das wir uns nicht – so wie z. B. die sozialdemokratischen Organisationen – mit beschissenen Kompromissen (Hauptsache die NVP-Demo ist verboten) zufrieden geben."

    Was jetzt?

    • Der Polizeiexzess wird sicher ein juristisches Nachspiel haben. Das ist eine Ebene - darauf beschränken können wir uns nicht.
    • Klar ist, dass die politisch verantwortlichen - in der Polizei, aber auch die politisch verantwortlichen der Stadt Linz und des Landes Oberösterreich, nicht länger tragbar sind.
    • Jene Gruppen, die zwar nicht bei der antifaschistischen Demonstration waren, aber nun das Vorgehen der Polizei - zu Recht - kritisieren, dürfen es nicht bei empörten Aussendungen belassen. Sie können ein deutliches Zeichen setzen, indem sie in den nächsten Wochen zu einer Großdemonstration in Linz gegen NVP und Polizeigewalt aufrufen.
    • All jene, die selbst etwas gegen Nazis und Polizeigewalt tun wollen, laden wir ein, mit der SLP aktiv zu werden.

    Verschiedene Berichte über die Polizeigewalt: