Kosova: Ist die von der EU überwachte Unabhängigkeit ein gefährliches Trugbild?

Unabhängigkeitserklärung verursacht eine Spaltung der EU und Grenzauseinandersetzungen
Dave Carr, CWI England & Wales

Während die albanischen KosovarInnen auf den Straßen Pristinas mit Feuerwerken feierten, bewarfen wütende serbische NationalistInnen die US-Botschaft mit Steinen. Beides sind Reaktionen darauf, dass das kosovarische Parlament am 17. Februar die Unabhängigkeit des Landes von Serbien erklärte.

Kosova (oder Kosovo, wie es von den SerbInnen bezeichnet wird) ist der siebente unabhängige Staat, der auf dem Gebiet der ehemaligen Jugoslawischen Föderation nach deren Zusammenbruch 1991 entstand. Obwohl 90% der KosovarInnen ethnische AlbanerInnen sind, gibt es, vor allem in den nördlichen Enklaven, eine bedeutende serbische Minderheit von ca. 5%, die unnachgiebig gegen die Abspaltung von Serbien sind.

Obwohl Serbien klar gemacht hat, dass es keinen Krieg gegen die Unabhängigkeit führen würde, ist es sehr gut möglich, dass sich die Angriffe auf die NATO-Truppen in den serbischen Enklaven häufen werden, was die Gefahr der Entwicklung eines größeren Konflikts in der Region bedeuten kann.

Am 19. Februar haben maskierte SerbInnen Grenzposten, die Serbien von Kosova trennen, niedergebrannt. NATO-Truppen haben daraufhin die Straßen zu den Grenzstationen geschlossen.

Am selben Tag haben bis zu 1.000 Menschen, wobei einige davon Angehörige der Truppen des serbischen Innenministeriums sein dürften, die Grenze ins nördliche Kosova, wo die meisten kosovarischen SerbInnen leben, überquert, und schürten die Angst, dass das nördliche Kosova entlang des Flusses Ibar geteilt werden würde.

Seit dem NATO-Krieg gegen Serbien 1999 (dieser folgte dem dreijährigen Bürgerkrieg zwischen dem nationalistischen serbischen Regime von Slobodan Milosevic und der separatistischen Kosovarischen Befreiungsarmee – UCK – die von der Mehrheit der ethnischen AlbanerInnen im Kosova unterstützt wurde), wurde Kosova von der UNO verwaltet und von der NATO beherrscht.

Die “Gespräche über den endgültigen Status” von Kosova begannen 2006, führten aber nicht zu einem Abkommen zwischen Serbien und Kosova, wobei die USA, Großbritannien und Frankreich erklärten, ein unabhängiges Kosova anzuerkennen. Im November 2007 führten die Wahlen zur Nationalversammlung dazu, dass Hashim Thaci, ehemaliger Kommandant der UCK, Premierminister wurde. Drei Monate später folgte die von den westlichen Mächten koordinierte Unabhängigkeitserklärung.

Das führte jedoch zu einer Reihe politischer Nachbeben, und das nicht nur in Serbien – wo die Regierung zu Massenprotesten aufgerufen hat und mit diplomatischen und wirtschaftlichen Sanktionen gegen Kosova droht – sonder weltweit.

Russland und China stellen sich ebenfalls vehement gegen die kosovarische Unabhängigkeit. Russland misslang es, im UN-Sicherheitsrat eine Erklärung durchzubringen, welche die Unabhängigkeitserklärung von Kosova als „null und nichtig“ angesehen hätte. Russland hat eine enge historische Bindung an Serbien und will ein weiteres Schwinden seines Einflusses am Balkan nicht akzeptieren, im besonderen nicht, dass sich Staaten den USA zuwenden. Außerdem wird Kosova als Antrieb für die Unhängigkeitsbestrebungen Tschetscheniens gesehen, wo Russland bereits zwei blutige Kriege geführt hat.

Russlands Präsident Vladimir Putin hat damit gedroht, dies mit der Anerkennung der von Russland unterstützten Abspaltungen von Südossetien und Abkhazien von der pro-westlichen ehemaligen Sowjetrepublik Georgien zu vergelten. Es ist möglich, dass die SerbInnen in der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik Bosnien-Herzegowina ein Referendum über die Abspaltung ihrer Gebiete fordern werden.

Die EU, die 2.000 Polizei- und Verwaltungskräfte geschickt hat um Kosovas Übergang zur Unabhängigkeit zu kontrollieren, ist bei der Frage der Anerkennung gespalten. Zypern, Griechenland, Rumänien, die Slowakei und Spanien sind dagegen, und behaupten, es würde zu einer Stärkung der Unabhängigkeitsbewegungen in anderen Regionen kommen.

Auf Grund von Massenarbeitslosigkeit und Armut in Kosova fürchten die imperialistischen Mächte, dass es ohne Garantie für zumindest eine gewisse Form von Unabhängigkeit zu einer Revolte, oder sogar einem Bürgerkrieg, gegen die Kontrolle durch ausländische Mächte kommen könnte. Sie bevorzugen es, ihren Vasallen in der kosovarischen Elite ein klein wenig mehr Macht zu geben und die wirkliche Macht weiterhin in Händen zu halten. Das „neue Kosova“ ist kein wirklich souveräner Staat, sondern ein „Halb-Protektorat“ der westlichen Mächte. Die EU wird Kosova ebenso kontrollieren, wie der Westen Bosnien über die letzten zehn Jahre kontrolliert hat. Das bedeutet auch, dass die „internationalen zivilen Behörden“ besonders viel Einfluss bekommen, um „mit dieser Macht die Gesetze links liegen zu lassen.“ (Guardian, London, 20.02.08). Kosova ist von immenser geostrategischer Bedeutung für den Imperialismus, im besonderen für seine gegen Russland gerichteten Interessen. Das US-Militär hat bereits eine riesige Militärbasis in der Region.

Die sozialistische Alternative

Auf der Basis des Kapitalismus können die Unterentwicklung Kosovas, die Ausbeutung und die Dominanz durch westliche Konzerne und die korrupte albanische Elite, Massenarmut und –Arbeitslosigkeit, nicht überwunden werden. Ein unabhängiges, kapitalistisches Kosova könnte weder eine starke nationale Industrie, noch echte Unabhängigkeit oder echte Demokratie entwickeln.

Um ein demokratisch und wirtschaftlich lebensfähiges Kosova zu schaffen, ist eine sozialistische Veränderung der Gesellschaft notwendig. Die bedeutendsten Teile der Wirtschaft müssen vergesellschaftet und unter der Kontrolle und Führung der ArbeiterInnen stehen. Dazu muss ein demokratischer Wirtschaftsplan zur Befriedigung der Bedürfnisse der Menschen entwickelt werden.

Ein unabhängiges, sozialistisches Kosova würde volle sprachliche und kulturelle Rechte für alle Minderheiten garantieren. Das bedeutet auch Autonomie für die serbische Minderheit, falls das gewünscht würde.

Nur auf dieser Basis kann die Angst der Minderheiten in einem albanisch dominierten Kosova unterdrückt zu werden überwunden werden und echte Einheit erreicht werden.

Gleichzeitig wäre dies ein klares Signal an die ArbeiterInnenklasse in anderen Ländern des Balkans, dass ein unabhängiges, sozialistisches Kosova den Nationalismus auf den Balkan überwinden und eine Kooperation aller Völker erreichen will.

Die ArbeiterInnen und Bauern des ehemaligen Jugoslawiens und Albaniens sollten dann dazu aufgerufen werden den Weg des Sozialismus zu gehen und eine freiwillige, demokratische, sozialistische Föderation der Völker des Balkans zu errichten.

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