Di 19.01.2010
Die verarmten Massen Haitis wurde einmal mehr von einer Katastrophe getroffen; am Morgen des 13. Januars ließ ein schweres Erdbeben die Gebäude der Hauptstadt Port-au-Prince einstürzen. Das Erdbeben der Stärke 7.0 - das schwerste jemals aufgezeichnete in diesem Teil der Karibik - traf besonders die drei Millionen Menschen, die in den Slums und ihren Wellblechhütten leben.
Es wird befürchtet dass tausende Menschen getötet und viele schwer verletzt wurden oder vermisst werden (der Artikel wurde unmittelbar nach dem Beben geschrieben, Anm.). Laut der Nachrichtenagentur Reuters "sammelten sich blutende und verwirrte Überlebende im Freien, Leichen wurden von Bauschutt aufgespießt". Viele Gebäude wurden zerstört, inklusive des Hauptquartiers der UN-Mission zur Stabilisierung (rund 9000 UN-Truppen waren in Haiti stationiert um "für Ordnung zu sorgen") und des Präsidentenpalastes.
Stromleitungen und Telefon wurden abgeschnitten. Das bitterarme Land hat nur wenige Ressourcen um gegen Katastrophe anzukommen, es fehlen Maschinen um den Bauschutt zu entfernen sowie Personal zur Notversorgung. AnrainerInnen versuchen Opfer mit bloßen Händen aus dem Schutt zu bergen.
Haiti ist das ärmste Land der westlichen Hämisphere und hat eine Geschichte von desaströsen Naturkatastrophen. Eine Serie von Hurrikanen und Tropenstürmen hat 2008 mehr als 800 Tote sowie eine Milliarde Dollar Schaden verursacht.
Präsident Obama in einem Statement nach dem Desaster: "Wir beobachten die Situation genau und stehen auf Abruf um dem Menschen auf Haiti zu helfen." Aber die Geschichte des US-Imperialismus in Haiti und der gesamten Region spricht anderes über die Rolle der USA.
Nach Jahrzehnten von korrupten und brutalen Regimes unter imperialistischer Einflußnahme gibt es Schätzungen von 80% Armut, 82% in den ländlichen Gebieten und 54% in absoluter Armut lebenden Menschen. Die Alphabetisierungsrate liegt bei nur 52%. Mehr als 70 % der Bevölkerung sind arbeitslos.
Angesichts ihrer entsetzlichen Geschichte ist es naheliegend, dass weder die herrschende Elite noch der US-Imperialismus oder andere regionale Mächte die notwendige Hilfe und Rettungsmaßnahmen, die nach dem schweren Erdbeben von den haitianischen Massen dringend gebraucht werden, zur Verfügung stellen werden, ganz zu schweigen von den enormen Ressourcen die benötigt werden um das Land wieder aufzubauen und zu entwickeln.
Um den Auswirkungen des Erdbebens beizukommen fordert das CWI als Soforthilfe:
- Sofort massive Mittel für Katastrophenhilfe und Wiederaufbau
- Demokratische Kontrolle über die Hilfslieferungen für die betroffenen Menschen sowie über die Wiederaufbauprogramme durch gewählte Komitees von ArbeiterInnen, LandarbeiterInnen und Armen in allen Gebieten
- Bau von Häusern, Spitälern, Schulen, Straßen und Infrastruktur in entsprechender Qualität, sowie von anderen lebensnotwendigen öffentlichen Einrichtungen
- Sofortige Streichung der Auslandsschulden
Seit Jahrzehnten leidet Haiti unter Armut, Arbeitslosigkeit und Miltärdiktaturen. Das berüchtigte von den USA unterstützte Regime von "Papa Doc" Duvalier, das von seinem Sohn Baby Doc fortgesetzt wurde, und insgesamt von den späten 50ern bis Mitte der 80er Jahre andauerte, wurde von einer Massenbewegung von ArbeiterInnen und Studierenden gestürzt. Eine Serie von höchst instabilen Regimes, die nur von kurzer Dauer waren, folgte.
Leider gab es in diesen Bewegungen keine revolutionär-sozialistische Führung die die Machtfrage stellen hätte können um den Kapitalismus abzuschaffen und die Forderungen der ArbeiterInnenklasse durchzusetzen.
Das politische Vakuum wurde von Jean Bertrand Aristide gefüllt, einem populären Priesters der in den Slums von Port-au-Prince gearbeitet hatte und 1990 die Präsidentschaftswahlen mit dem Versprechen die Armut auszumerzen und soziale Gerechtigkeit zu bringen gewann.
Aristides ursprüngliche Reformen waren bei den Armen beliebt, wenn sie auch angesichts dessen, was notwendig wäre um Armut und Arbeitslosigkeit tatsächlich auszumerzen, bescheiden anmuten. Dennoch wurde Aristide von der reaktionären Elite offen abgelehnt, da sie keine noch so kleinen Zugeständnisse an die Bedürfnisse der Massen zulassen konnten. Aristide wurde daher 1991 von General Cadras gestürzt, kehrte aber 1994 an die Macht zurück, mit der Unterstützung von 20.000 US-Soldaten, nachdem die Clinton-Regierung mit dem vorhergehenden instabilen und aufsässigen haitianischen Regime die Geduld verloren hatte. In den Wahlen die darauf folgten wurde Aristide am Antreten gehindert, allerdings erreichte sein enger Verbündeter Rene Preval bei diesen Wahlen fast 90% der Stimmen. 2000 wurde Aristide wieder mit 90-prozentiger Unterstützung zum Präsidenten gewählt.
Aristide verlor seine Unterstützung unter den Massen allerdings zunehmend, da er seine Versprechen nicht hielt. Er schaffte die Armut nicht ab und es häuften sich Anschuldigungen der Korruption und des Wahlbetrugs. Aber die herrschende Elite konnten auch Aristides schrumpfende Unterstützung nicht billigen. Die reaktionäre Opposition inszenierte 2004 einen Aufstand mit Unterstützung der Bush-Regierung. Aristide wurde von US-Truppen aus Haiti „hinausgeleitet“. Die Situation verschlimmerte sich zusehends, Kriminalitüt und Entführungen häuften sich, Fabriken wurden aus Mangel von Investionen durch ausländisches Kapital geschlossen. Aufgrund der schlechten Lebensbedingungen starben im Mai 2004 2000 Menschen in flutartigen Regenfällen.
Fortgesetzte Krise und Gewalt
Die Jahre nach Aristide waren Jahre von fortgesetzter Krise und Gewalt sowie einer Folge von wechselnden Premierminstern. 2006, bei der ersten Wahl nach Aristide, wurde Rene Preval als Sieger der Präsidentschaftswahl verkündet. Nach der Aufstockung ausländischer Truppen kam es zu Konflikten zwischen UN-Truppen und bewaffneten Gangs in Cite Soleil, eines der größten Slums. Im April 2008 zwangen Hungerunruhen die Regierung eine Preissenkung auf Reis anzukündigen.
Trotz der Selbstbeschreibung von Präsident Preval als „Held der Armen“ hat er nichts an der tiefen Armut in Haiti geändert. Sein jüngster Premierminister, Jean-Max Bellerive, der seit Oktober 2009 im Amt ist, ist ein Ökonom der ausländische Investoren umwirbt.Die riesige Kluft zwischen der armen kreolisch-sprachigen schwarzen Mehrheit, die mehr als 95% der Bevölkerung ausmacht, und der französisch-sprachigen Minderheit der Mulatten, von denen 1% beinahe die Hälfte des Reichtums des Landes besitzen, bleibt unangestastet.
2009 wurden Haiti nur 324 Millionen Dollar an Hilfsgeldern „von internationalen Spendern angekündigt“ um die von Hurrikans und Nahrungsmittelknappheit verursachte Not zu lindern. Aber die globale Wirtschaftskrise hat jede Hilfe oder Schuldentilgung weiter verringert. Außerdem geht die Armut Haitis auf Jahrhunderte imperialistischer Ausbeutung und Unterdrückung zurück, inklusive des Aufzwingens neoliberaler Politik in den letzten zwei Jahrzehnten. Die internationalen Institutionen des Kapitals haben 1994 Haiti eine Senkung der Zölle auf Reisimporte von 36% auf 3% aufgezwungen. Das hat Haiti in Abhängigkeit von Nahrungsmittelimporten, besonders aus den USA, gebracht, da die ortsansässigen BäuerInnen nicht mit den Preisen des importierten Reis mithalten konnten und die in Haiti produzierte Reismenge massiv zurückging. Die enorm gestiegenen Reis- und Nahrungsmittelpreise trafen die haitianischen Menschen 2009 sehr hart. Im Juli letzten Jahres tilgten der IWF und die Weltbank 1,2 Milliarden Dollar an Haitis Schulden – 80% der Gesamtschulden, da die beiden schlussfolgerten, dass diese Schulden niemals zurückgezahlt werden könnten – allerdings nicht ohne vorhergehende „Wirtschaftsreformen“.
Nur die Massen von Haiti, mit der ArbeiterInnenklasse in führender Rolle, können einen Ausweg aus dem Teufelskreis aus Armut, Arbeitslosigkeit, Gewalt, Coups und Diktaturen finden. Haiti hat einen stolze revolutionäre Geschichte. Vor mehr als 200 Jahren schafften die schwarzen Massen die Sklaverei ab und erkämpften für Haiti die Unabhängigkeit. Ihre Taten sind eine Inspiration für die Massen der Karibik und die ArbeiterInnen in Europa.
Rachsüchtige herrschende Klasse
Die Kolonialmächte und später die imperialistischen Mächte waren entschlossen, die Schwarze Republik scheitern zu sehen. Sie unternahmen daher eine Serie von Interventionen. Die 1930er und 1940er sahen soziale und Klassenunruhen in Haiti, inklusive ArbeiterInnen- und Studierendenproteste. In diesen Jahren errichtete die kleine ArbeiterInnenklasse Gewerkschaften. Mehrere kommunistische Parteien wurden ebenso gegründet trotz schwerer Repression. Aufgrund des Fehlens von großen machtvollen ArbeiterInnenorganisationen gelang es der Reaktion in Form der Duvalier-Diktaturen an die Macht zu kommen.
Mehr als je zuvor ist es nötig, eine Alternative für die Arbeiterinnen und Armen aufzubauen, in Opposition zur kleinen reichen Elite. Das Erdbebendesaster und der naheliegende Charakter des Wiederaufbauprogramms unter Aufsicht der verrotteten herrschenden Elite und der Regionalmächte werden den haitianischen Massen die Notwendigkeit demokratischer Kontrolle der Ressourcen durch die Gesellschaft offensichtlich machen. Auf Basis des Kapitalismus wird die große Mehrheit in Armut, Arbeitslosigkeit, Analphabetismus und Hunger verbleiben und in den Slums oder ohne Elektrizität am Land leben. Diese Substandardexistenz bedeutet dass die Massen verwundbar bleiben besonders wenn Naturkatastrophen wie das Erdbeben von Haiti zuschlagen.
Die Armen und ArbeiterInnen brauchen ihre eigenen unabhängigen Klassenorganisationen - Gewerkschaften und eine Massenpartei - und eine sozialistische Alternative die für wirkliche Veränderung kämpfen kann, indem sie an die ArbeiterInnenklasse und Armen in der Karibik und den beiden Amerikas appelliert.
Das CWI sagt:
- Nein zu den ungerechten Handelsauflagen und auferlegten Strukturmaßnahmen durch Weltbank und IWF
- Staatliche Unterstützung für ums Überleben kämpfende Kleinbauern
- Jobs und existenzsichernde Mindestlöhne für alle
- Für ein ausreichend finanziertes Bildungs- und Gesundheitswesen
- Die Ressourcen und Hauptzweige der Wirtschaft müssen in Gemeineigentum überführt werden, unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch die ArbeiterInnenklasse
- UN-Truppen raus aus Haiti - Schluss mit imperialistischer Einmischung!
- Für den Aufbau einer neuen Massenpartei der ArbeiterInnenklasse und Armen, mit sozialistischem Programm
- Für ein sozialistisches Haiti mit einer demokratisch geplanten Wirtschaft unter Kontrolle und Verwaltung durch die ArbeiterInnenklasse, als Teil einer freiwilligen und gleichberechtigten sozialistischen Karibik-Föderation.