Fall Arigona: Geht Fekter über die nächste Leiche?

Laut UNHCR, dem UN-Flüchtlingshochkommissariat, gab es im vergangenen Jahr 12.841 Anträge auf Asyl. Nur 3.753 Menschen wurde ein Aufenthalt in Österreich gewährt. „In den ersten drei Quartalen 2008 bekamen deutlich weniger Menschen in Österreich Asyl, nämlich 2700, als im Vergleichszeitraum 2007 (mit 3600 Anerkennungen).“, heißt es im UNHCR-Bericht. Dennoch werden die gesetzlichen Bestimmungen für Flüchtlinge seit den 1990er Jahren kontinuierlich verschärft. Erst vor zwei Monaten starb ein Mann in Schubhaft – offerbar kein Grund für Fekter nicht weiter in die Offensive zu gehen und Menschenleben durch Haft und Abschiebung zu riskieren.

Wer auf die Medien im Kampf gegen Rassismus setzt, hat schon verloren...

Die Strategie der Vertreter der „Zivilgesellschaft“ auf ein Bündnis mit den Medien zu setzen – anstatt auf Mobilisierung und konsequenten Widerstand – ist augenscheinlich wieder einmal gescheitert. Doch nicht nur Krone und Co. hetzen wie eh und je. Arigona Zogaj und ihre Mutter seien „wieder suizidgefährdet“ titelt die ZIB20 mit zynischem Unterton und Ingrid Turnher zieht „Im Zentrum“ eine Trennlinie zwischen „verdientem Asyl“ und Missbrauch. Dass es hier um Menschen geht, die aus einer Notlage heraus ihre Heimat verlassen mussten, ist inzwischen kaum mehr zu lesen. Von FPÖ-Hassprediger Strache war zu erwarten, dass er seine alte rassistische Leier von den vermeintlichen „70.000 straffälligen NichtösterreicherInnen“ und den „90% und mehr Ausländeranteil“ an Wiener Schulen wiederholt und eine 30%-Quote, also eine Ghettoisierung von SchülerInnen mit nichtdeutscher Muttersprache, fordert. Auch seine Zahl, derzufolge in Österreichs Gefängnissen ein Anteil von 70% nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, ist nichts Neues. Doch wer fragt nach den Ursachen?

Rassismus auch bei den Grünen?

Traurig, aber wahr: Die SPÖ war an dieser Gesamtentwicklung von Anfang an federführend beteiligt und trägt mit an der Hauptverantwortung für das rassistische Klima, welches heute in Österreich herrscht. Überraschender kann es hingegen anmuten, wenn Alev Korun, Minderheitensprecherin der Grünen, in derselben Sendung gegen Strache und seine FPÖ ins Feld führt, dass die Zuwanderung während der FPÖ-Regierungsbeteiligung seit dem Jahr 2000 stark zugenommen habe. Hallo, liebe Grüne? Haben wir etwas verpasst? Strache erwidert selbstzufrieden, er habe die Koalition aus genau diesem Grund aufgelöst. Offenbar nehmen die Grünen nun die Rolle der Kapitalisten ein und fordern Seite an Seite mit dem Industriellen Kapsch, Präsident der Industriellenvereinigung Wien, ein Punkteprogramm, um die Zuwanderung nach Österreich weiter einzuschränken. Diese Spaltung zwischen alt & jung, unqualifiziert & ausgebildeter Fachkraft, Mann & Frau hat mit Sozialliberalismus, wie ihn sich die Grünen auf die Fahne schreiben, nichts zu tun. Schließlich hat Migration reale Gründe wie äußerste Armut und Massenarbeitslosigkeit, politische und religiöse Verfolgung (oder auf Grund der sexuellen Orientierung etc.), Krieg usw. Fortuna unterscheidet auch nicht, sondern trifft alle gleich!

Als Positivbeispiele für dieses wirtschaftsliberale Modell, das nur den Erfordernissen der Kapitalisten dient, werden Kanada und Australien angeführt. Dass in Australien enorme Auffanglager existieren, in denen Flüchtlinge unter menschenunwürdigen Bedingungen gehalten werden, spielt offenbar keine Rolle. Dass schwangere Frauen auf Schiffen entbinden müssen, weil sie nicht ins Land gelassen werden, scheint die Herren und selbst Frau Korun kalt zu lassen. Hier zeigt sich einmal mehr, dass eine unabhängige politische Alternative heute nötiger ist denn je. Die Suche nach Wohlstand und einem würdigen Leben ist ein menschliches Grundbedürfnis. Allein Pfarrer Friedl kritisiert die Trennung in „anständige“ und „nichtanständige“ BürgerInnen vehement. Selbst Kapsch muss zugeben, dass Sicherheit, Kriminalität und Zuwanderung nicht so einfach zusammenzudenken sind, wie die FPÖ tut. „Die Migranten haben uns unseren Wohlstand erst ermöglicht.“, sagt er. Gleichzeitig werden reale Probleme wie die hohe Jugendarbeitslosigkeit, die Situation in der Pflege, Lohndumping usw. meist nur von Strache und der FPÖ angesprochen. Die SLP ist der Ansicht, dass nur ein gemeinsamer Kampf und internationale Solidarität die soziale Situation aller verbessern können. Wenn in der Slowakei ähnliche Löhne wie in Österreich bezahlt werden, lohnt sich eine Auslagerung bzw. eine Zuwanderung weniger. Auch im Wahlkampf haben wir versucht, diese sozialen Fragen von links zu besetzen. So waren AktivistInnen der SLP vor Ort, als die FPÖ bei ihrer Abschlusskundgebung in Gmunden gegen Arigona und ihre Familie hetzte. Aber auch Aufklärung ist wichtig. AsylwerberInnen bekommen in Österreich gar keine Arbeitsbewilligung und die gesetzlichen Bestimmungen werden hier meist penibler überprüft als bei ÖsterreicherInnen. Gleichzeitig sind beispielsweise viele der ausländischen TaxifahrerInnen hochqualifizierte AkademikerInnen, die einfach keinen Job bekommen haben. Soviel zur Realität!

Bewegung weiter aufbauen!

Verschiedene Initiativen sind bereits entstanden. Die Facebook-Gruppe „Arigona muss bleiben – Fekter muss weg!“ fordert: 1) Sofortige Aufhebung der negativen Asylbescheide gegen Arigona Zogaj und andere. 2) Reform der chaotischen und asozialen Asylgesetze Österreichs 3) Fekter muss zurücktreten 4) Unabhängiges Asyl- & Integrations-Staatssekretariat.

Wir stimmen dem zu, wollen aber betonen, der Kampf virtuell kaum gewonnen werden wird. So haben SLP-Mitglieder im besetzten Audi-Max den Antrag gestellt, dass dieser Ort auch als Asylraum für Arigona (und andere von der Abschiebung bedrohte Menschen) angeboten und verteidigt werden muss. Doch es geht auch um mehr; nämlich um langfristige Perspektiven und Alternativen. Aus den Reihen der SPÖ gab es in den letzten Jahren kaum einen Aufschrei gegen die Zustimmung zu den Verschärfungen. Die Grüne waren auf der letzten Kundgebung vor dem Innenministerium zwar präsent, verfolgen aber offenbar keinen sozialen und humanen Kurs. Nur eine neue linke Alternative mit einem kämpferischen internationalistischen Programm und starken gemeinsamen Mobilisierungen von In- und AusländerInnen kann diese Entwicklung bremsen.

Links:

im ZENTRUM: http://tvthek.orf.at/programs/1279-Im-Zentrum/episodes/980321-im-ZENTRUM

UNHCR-Bericht: http://www.unhcr.at/statistiken/einzelansicht/article/11/asyl-in-oesterr...

asylkoordination Österreich: http://www.asyl.at/