Für eine Aufwertung der 24-h-Pflege

Interview mit Simona Durisova, Gründerin von Initiative 24
Das Interview führte Nico Prettner

Wie hat sich die Arbeitssituation in deinem Bereich seit Corona verändert?

Wegen Corona konnten viele Pfleger*innen, die hier tätig sind nicht in ihre Heimatländer ausreisen. Viele von ihnen haben dann 3 Monate durchgehend in Österreich gearbeitet. Corona hatte eine deutliche Auswirkung auf die Länge des Turnus. Als finanziellen Anreiz hat die Regierung Boni für Pfleger*innen, in der Höhe von 500€ zur Verfügung gestellt. Die meisten haben deswegen ihren Turnus verlängert. Bei slowakischen Pfleger*innen sind es meistens 2 Wochen bei rumänischen Pfleger*innen ein Monat. Diese wurden um weitere 4 Wochen verlängert, damit sie den Bonus beantragen können. Eine Bedingung für die Auszahlung ist aber, dass das Geld auf das Konto der zu betreuenden Person eingezahlt wird und viele Pfleger*innen haben wirklich lang warten müssen, bis das Geld bei ihren Klient*innen angekommen ist, vor allem in Niederösterreich. Das haben wir als Problem gesehen. Denn warum muss ein fremdes Konto angegeben werden und nicht das Konto der Pflegekraft.  Auch finden wir die Indexierung des einmaligen Corona-Bonus, für Pflegekräfte mit im Ausland lebenden Kindern, ungerecht. Für österreichische Kinder gibt es 360€, für slowakische Kinder230€ und für rumänische Kinder 177€, obwohl alle gleich viel ins Sozialsystem einzahlen. Ein weiteres Problem hatten wir mit den Härtefall-Fonds. Unsere Initiative hat dazu auch eine Petition gestartet. Damit 24-h-Pflegekräfte eine finanzielle Entschädigung beantragen können, müssen sie ein österreichisches Bankkonto besitzen und das hat die Mehrheit nicht. Das stellte für uns eine deutliche Diskriminierung dar, denn es erschwerte es diese finanzielle Unterstützung zu beantragen. Auch braucht man für die Beantragung eine Steuernummer. Auch das haben die meisten nicht. Viele Pfleger*innen überschreiten die Einkommensgrenze von 11.000€ im Jahr nicht und müssen daher keine Einkommensstuererklärung abgeben und haben somit auch keine Steuernummer. Wir haben zusammen mit der Antidiskriminierungsstelle Beschwerde bei der Europäische  Kommission und der Volksanwaltschaft eingereicht wegen den Ungerechtigkeiten bezüglich des Härtefallfonds und der Indexierung. Wir haben auch unsere Petition und später offene Briefe an das Finanzministerium geschickt, um Druck aufzubauen und um auf die Situation hinzuweisen. Die Regierung hat dann auch reagiert und die Möglichkeit gegeben eine Steuernummer zu beantragen. Das war auf Grund der Sprachbarriere aber auch nicht einfach und nicht alle Pfleger*innen haben das machen können. Viele Pflegekräfte haben ein österreichisches Konto eröffnet, um leichter an das Geld zu kommen. Bei anderen staatlichen Geldern war das aber nie notwendig. So wird zum Beispiel die Familienbeihilfe auf das Konto im Heimatland überwiesen.  Besonders hart hat es jedoch diejenigen getroffen, die auf Grund von Corona in ihren Heimatländern geblieben sind und nicht in Österreich arbeiten konnten. Sie waren dann zu Hause ohne Geld verdienen zu können und konnten auch keine Unterstützung aus dem Härtefall-Fond beantragen.

Du hast bereits erwähnt, dass sich eine Initiative von 24-h-Pflegekräften gegründet hat. Wie ist es dazu gekommen?

Der Zusammenschluss von slowakischen Pfleger*innen heißt „Initiative 24“. Ich hab diese Initiative gegründet. Ich hab schon 2 Jahre mit diesem Gedanken gespielt und auch eine Masterarbeit darüber geschrieben. Meine Mutter hat auch als Pflegerin gearbeitet und mein Vater arbeitet noch immer als Pfleger. Ich bin in dieser Community also sehr gut vernetzt. Die rumänischen Kolleg*innen haben bereits ein Gruppe namens „DREPT pentru ingijire“, was mit „Gerechtigkeit in der Pflege“ übersetzt werden kann. Diese gibt es schon etwas länger. Früher als informelles Netzwerk, aber seit Kurzem sind sie als Verein gemeldet. Ich habe mittlerweile auch die „Initiative 24“ als Verein angemeldet und wate noch auf die Bestätigung der Behörden. Gemeinsam wollen wir einen Verband gründen, der „IG 24“ heißen soll, also Interessengemeinschaft der 24-h-Pfleger*innen. Ziel ist es, dass sich noch andere Vereine diesem Verband anschließen. Eine Migant*innenberatungsstelle hat bereits zugesagt. Ein größerer Verband hat eine bessere Reichweite.Der Auslöser für die Gründung meiner Initiative war aber Corona, weil ich genervt war von der Ungerechtigkeit, die da passiert ist.

Was sind die Ziele die ihr erreichen wollt?

Wir befinden uns noch im Aufbau. Aber unsere Ziele sind die Stärkung der Position der Pfleger*innen, im Rahmen des Dreiecks Agentur-Pflegekraft-Klient*innen. Wir wollen unsere Interessen nach außen vertreten und im Zusammenarbeit mit Jurist*innen und Steuerberater*innen Beratungen anbieten. Wir wollen bei der internen Vernetzung, Öffentlichkeitsarbeit und Selbstorganisierung unterstützen. Wir wollen aber auch  die Schaffung von Weiterbildungsmöglichkeiten vorantreiben. Nicht nur was direkt unser Gewerbe betrifft, sondern auch zu Themen wie Gewalt und sexuelle Belästigung und wie man sich dagegen wehren kann. Aber auch zu Diskriminierung am Arbeitsplatz und Konfliktmanagement.

Habt ihr Kontakt zur österreichischen oder slowakischen Gewerkschaft aufgenommen? Unterstützt euch eine Gewerkschaft?

Die „Initiative 24“ hat noch keinen Kontakt zur österreichischen Gewerkschaft die rumänische Gruppe „DREPT pentru ingijire“,“ aber schon. Sie haben Erfahrungen mit der Teilgewerkschaft Vidaflex gemacht. Diese vertritt die Interessen von Ein-Personen-Unternehmen, wo auch 24-h-Pflegekräfte dazu zählen. Aber es gab von Vidaflex kein Interesse an einer Zusammenarbeit. Die slowakische Gewerkschaft hingegen hat sich über Facebook bei mir gemeldet. Es gibt noch keine konkrete Zusammenarbeit, aber die möchte ich noch aufbauen. Ich bin keine Juristin und wenn es Konflikte mit slowakischen Vermittlungsagenturen gibt, hoffe ich, dass wir dann mit der slowakischen Gewerkschaft kooperieren können.

Wie kann eure Initiative unterstützt werden?

Wenn wir irgendwann damit starten Demonstrationen zu organisieren, ist es wichtig sich zusammen zu schließen. So kämpfen zum Beispiel Pflegefachkräfte für eine Arbeitszeitverkürzung. Es passiert ziemlich viel in allen Teilen des Gesundheitsbereich. Wenn wir uns zusammen schließen haben wir mehr Kraft. Ich denke, wenn die 24-h-Pflege staatlich organisiert sein würde und durch Kollektivverträge geregelt ist, würde die Qualität der Pflege steigen und auch für österreichische und ausländische Pflegefachkräfte neue Arbeitsplätze entstehen.

(Anmerkung der Redaktion: Pflegefachkräfte haben eine höhere Ausbildung als 24-h-Pflegekräfte. Durch die Aufwertung der 24-h-Pflege würden auch für Pflegefachkräfte neue Arbeitsplätze entstehen.)

Sind in näherer Zukunft Aktionen von euch geplant?

Wir arbeiten noch daran uns als Verein zu gründen, Aktionen sind im Moment noch nicht geplant. Was sich noch ergeben hat, ist, dass wir vom Gesundheitsministerium zu einer Diskussion zur Pflege Reform eingeladen wurden, was im Herbst stattfinden wird. Dort wollen wir über die Bedürfnisse und problematische Lage von Pflegekräften sprechen.


Link zur Petition: https://www.openpetition.eu/at/petition/online/haertefallfonds-gerechte-antragsbedingungen-fuer-24-stunden-pflegerinnen?fbclid=IwAR1ZXirqgDIH_dD7pJu5MbEZ6J8E2tB-AXdDY0o4EVxZ_M5yyewQSEgTNnU

Link zur Facebook Seite von „Initiative 24“: http://www.facebook.com/iniciativa24/