Was bringen Sanktionen?

Die Sanktionen der Herrschenden treffen v.a. die russischen Arbeiter*innen, nicht die Elite. Wir brauchen Maßnahmen die die Kriegstreiber international treffen.
Sonja Grusch

Angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine sind viele nicht nur erschüttert, sondern fragen sich: was tun um die Aggression zu stoppen. Das Gefühl der Solidarität mit den Menschen in der Ukraine ist groß, ebenso die Ratlosigkeit was man selbst eigentlich tun kann. Die spontane und von unten organisierte Hilfe für Geflüchtete z.B. in Polen zeigt, das Menschen - entgegen aller Behauptungen - zuerst einmal solidarische Wesen sind. Viele sammeln Hilfsgüter, fahren selbst mit dem Auto los um zu unterstützen. Doch noch mehr fragen sich: wie kann dieser Krieg beendet werden?

Die Sanktionen der Herrschenden

Die EU und viele Einzelstaaten haben in den letzten Tagen verstärkt zum Mittel der “Sanktionen” gegriffen. Das ist nichts Neues und hat schon in der Vergangenheit wenig gebracht. Es ist verständlich, das auch wegen des Fehlens von Traditionen aus der Arbeiter*innenbewegung viele hoffen, Sanktionen könnten das Putin-Regime zum Einlenken bringen. Doch das ist nicht die Wirkung - und im Endeffekt auch nicht der Sinn von Sanktionen. In letzter Instanz sind Sanktionen ökonomische Kriegsführung. Es geht im konkreten Fall den westlichen Staaten nicht vor allem darum, den Krieg zu beenden, sondern einem imperialistischen Konkurrenten zu schaden. Auch wenn bei den Sanktionen betont wird, es würde sich gegen “die Wirtschaft” oder Oligarch*innen richten: die Realität sieht anders aus. Denn letztlich treffen die Sanktionen auch nicht vor allem die Oligarch*innen an der Spitze des russischen Regimes (die immer eine Möglichkeit finden ihr Geld davon zu schaffen oder auszureisen - und viele werden ihr Geld wohl nicht unter ihrem Namen und in diversen Steueroasen geparkt haben) sondern vor allem normale Russ*innen - durch die wirtschaftlichen und sozialen Folgen, Reisebeschränkungen usw. Bezeichnend das z.B. das Diamanten nicht von den Sanktionen betroffen sind, ebenso wenig wie andere Luxusgüter die den Reichen das Leben versüßen. Alle Maßnahmen, die die normale Bevölkerung treffen, helfen eher dem Regime das dann stärker auf einen “nationalen Schulterschluss” hoffen kann. Und genau deswegen sind Sanktionen nicht nur kein Beitrag zum Frieden sondern schaffen das Gegenteil. Zahlreiche internationale Beispiele (Iran, Nordkorea) zeigen, dass es durch Sanktionen autoritären Regimen sogar eher gelingt, die Schuld ans Ausland zu schieben und somit genau jenes Regime stützen, das sie angeblich schwächen wollen. Auch in jenen Ländern die die Sanktionen verhängen werden sie als Argument verwendet das “wir alle” (gemeint ist die Arbeiter*innenklasse, sind die Armen) den Gürtel enger schnallen müssen. Wenn Deutschland 100 Milliarden zusätzlich in Aufrüstung stecken will, dann wird das durch Sozialkürzungen “gegenfinanziert” werden. Die Österreichische Verteidigungsministerin Tanner hat bereits klargestellt, man hätte in der Vergangenheit zu viel in “soziale Sicherheit” investiert, nun müsse man mehr ins Militär stecken. Abgesehen von der unglaublichen Arroganz gegenüber jenen die in Armut leben oder unterbezahlt und überarbeitet im Spital schuften zeigt das einmal mehr, dass auch das “kleine Österreich” imperialistische Interessen hat - es geht ja nicht wirklich um “Verteidigung”, sondern um Wahrung von wirtschaftlichen Interessen z.B. am Balkan. 

Hinzu kommt auch dass in letzter Konsequenz Sanktionen der Anti-Kriegsbewegung in Russland politisch also sogar schaden können (auch weil der Kontakt ins Ausland schwieriger wird). Statt also auf die Sanktionen bürgerlicher Politiker*innen und kapitalistischer Regimes zu hoffen, kann der Krieg nur durch ganz andere Maßnahmen beendet werden. Es ist nötig die Macht sowohl der russischen als auch der ukrainischen Oligarchie und der westlichen Superreichen zu brechen um den aktuellen Krieg und das System, dass notwendigerweise immer wieder zu Krieg führt, zu beenden. Wir werfen daher im Folgenden einige Forderungen auf, die Proteste gegen den Krieg konkret weiterentwickeln können.

Krieg für Energiewende nutzen?

Jener Sektor, der die russische Wirtschaft am härtesten Treffen würde ist der ÖL- und Gasbereich. Doch hier gibt es nicht nur keine Sanktionen, sondern die steigenden Energiepreise lassen die russischen Einnahmen sprudeln. Angesichts der tiefen wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen den meisten europäischen Staaten und Russland (Stichworte: Öl- und Gaslieferungen, aber z.B. auch Weizen) ist eine echte Abkoppelung hier gar nicht möglich. Manche schlagen vor, die “Gelegenheit” zu nutzen, um endlich den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen anzugehen, was angesichts der jüngsten Warnungen des IPCC auch dringend nötig wäre. Ein Vorschlag, der aus mehreren Gründen nicht über die Theorie hinauskommen wird. Erstens kann so ein Umstieg nicht von heute auf morgen erfolgen - und im Gegenteil wird aktuell sogar davon ausgegangen dass der Krieg die “Energiewende” noch weiter hinausschiebt, durch stärkere Nutzung von Kohle, Flüssiggas und Atomkraft. Zweitens wäre das eine Maßnahme die weniger das Regime in Russland als die Bevölkerung treffen würde: das Loch in der Staatskasse würde zur weiteren Verschiebung von Mitteln hin zum Militär führen. Drittens ist ein solcher Ausstieg nicht im Interesse der Energiekonzerne, die ihre Profite in großen Teilen mit Fossilen machen. Auch hier der widerliche Umgang der österreichischen Politik: steigende Energiepreise wollen die Energiekonzerne und auch Bundeskanzler Nehammer jenen umhängen, die schon jetzt unter der hohen Inflation leiden. Hier wird die Solidarität von Abeiter*innen zynisch missbraucht um eigene Interessen durchzusetzen! 

Was also tun? Durch die neoliberalen Privatisierungsprozesse der letzten Jahrzehnte sind heute die meisten Energiekonzerne privat bzw. teilprivat und alle wirtschaften profitorientiert. Schon deshalb haben sie kein Interesse an einem Umstieg auf nachhaltige Energieerzeugung oder gar Energieersparnis. 

Energiewirtschaft unter demokratische Kontrolle und Verwaltung

Die Lösung ist eigentlich denkbar einfach: die Übernahme des gesamten Energiesektors durch die öffentliche Hand. Die Planung der Energieproduktion, der Energieversorgung, etwaiger Energiesparmöglichkeiten und der Umstellung auf Nachhaltigkeit kann dann entlang von gesellschaftlichen Notwendigkeiten (zu denen die Bekämpfung des Klimawandels ebenso gehört wie jene der Energiearmut) anstatt nach Profitinteressen geschehen. Bei einer solchen Planung haben nicht “Expert*innen” das Sagen, sondern die Beschäftigten der Branche, Vertreter*innen der Konsument*innen und der Arbeiter*innenorganisationen. Und die haben Verbindung zu Beschäftigten der Erdöl- und Gasproduktion und Distribution in Russland und der Ukraine. Wenn Manager*innen wie Kern sich zurückziehen hat das wenig Auswirkungen - wenn aber Arbeiter*innen die Hähne dort zudrehen, wo die Lieferung an die Oligarchen gehen, wenn die russischen und ukrainischen Arbeiter*innen wissen, sie können auf die Solidarität ihrer europäischen Kolleg*innen vertrauen wenn sie streiken und Maßnahmen gegen ihre eigene herrschende Klasse setzen - das hat Auswirkungen. Aktuell scheint eine solche Lösung utopisch, doch erinnern wir uns an die streikenden Ölarbeiter*innen im Irak und erst vor kurzem in Kasachstan, denken wir an die riesige Klimabewegung die richtigerweise den Ausstieg aus den Fossilen fordert - hier gibt es ein Potential für eine Massenbewegung. 

Weg mit Bank- und Firmengeheimnis

Ganz ähnlich bei den Vermögen von Putin und den russischen, aber auch ukrainischen, Oligarch*innen aber auch europäischen Kriegsprofiteuren: Das “Bankgeheimnis” dient ja v.a. dazu, die obszönen Vermögen der Superreichen zu verschleiern - und zwar aller. Deswegen haben Musk, Bezos & Co. auch kein Interesse an Maßnahmen, die die Superreichen an sich angreifen da sie alle für ein System stehen, dass nicht nur ihre Vermögen, sondern auch Armut und Kriege schafft. Diese Geheimhaltung zeigt sich u.a. darin aus, dass es keine sicheren Zahlen sondern nur Schätzungen über das Vermögen der Superreichen gibt. Diese waren z.B. von den diversen Corona-Beschränkungen nicht betroffen, sind einfach in ihren Privatjets weiter um die Welt gereist, haben weiter ihre Partys veranstaltet und v.a.: sind noch reicher geworden. Um feststellen zu können, wo die russische Elite wie viel Vermögen hat braucht es also eine Offenlegung der Firmenunterlagen. Schluss mit Bank- und Betriebsgeheimnis das nur den Reichen dient. Vertreter*innen der Belegschaften und der Arbeiter*innenbewegung müssen sich Zugang zu den Firmenunterlagen beschaffen. Zu den Unterlagen der Rüstungskonzerne, die am Krieg profitieren, jenen der Banken wo die Vermögen der Oligarch*innen und der russischen (aber auch ukrainischen) Elite liegen, jener der Energiekonzerne und ihrer Verbindungen zur herrschenden Klasse in Russland. Wenn dieses Netzwerk der Reichen und Superreichen öffentlich gemacht wird, wäre das an sich schon ein Schlag für die herrschende Klasse in Russland. Schnell wird klar, dass jene Politiker*innen, die nicht nur den Krieg anheizen sondern auch “leider” kein Geld für den völlig überlasteten Gesundheitssektor haben, die verantwortlich sind für die sinkenden Pensionen und die steigende Armut in u.a. Russland dieselben sind, die selbst wie die sprichwörtliche Made im Speck leben. Es würde aber auch zeigen, dass auch in der Ukraine, in der es extreme Unterschiede zwischen arm und reich gibt, eine kleine Elite von der Arbeit der Mehrheit profitiert. Aktuell werden überall Spenden für die Menschen in der Ukraine gesammelt, es gibt zu wenig an allem. Hier muss die Frage gestellt werden, warum nicht die Vermögen auch der ukrainischen Superreichen verwendet wird, um Essen, Wasser und Kleidung für die Ukrainer*innen zu finanzieren. Insgesamt gilt: wenn die Arbeiter*innen selbst Zugriff haben auf die Unterlagen dann können sie diese Vermögen nicht nur einfrieren sondern enteignen und für den Aufbau bzw. Wiederaufbau in Russland und der Ukraine nutzen.

Solidarität mit der Antikriegsbewegung in Russland

Es gibt keine militärische Lösung und keine diplomatische - Solidarität mit der Antikriegs-Bewegung in Russland ist das Gebot der Stunde! Der Hintergrund des Krieges sind die Konflikte zwischen verschiedenen imperialistischen Mächten die auf dem Rücken der ukrainischen Bevölkerung und der russischen Soldat*innen ausgetragen werden. Mehr Nato, ein EU-Beitritt der Ukraine, mehr Waffen und Aufrüstung: all das wird diesen Krieg und v.a. seine Ursachen nicht beenden. In der Ukraine ist die schärfste Waffe eine demokratisch organisierte Selbstverteidigung von unten, durch die Arbeiter*innen, z.B. entlang ihrer Betriebe bzw. Wohnviertel. Das wäre eine Verteidigung die auch an die einfachen russischen Soldat*innen appelliert sich gemeinsam gegen die herrschenden Oligarch*innen und Putins Regime zu stellen. Ihre Bündnispartner*innen sind nicht Selenski und seine Clique, die durch brutalen Neoliberalismus an der massiven sozialen Ungleichheit in der Ukraine mitverantwortlich sind und vor wenigen Monaten einen Frontalangriff auf die ukrainischen Gewerkschaften gestartet hatten. Der Bündnispartner der ukrainischen Arbeiter*innen ist die internationale Arbeiter*innen- und Antikriegsbewegung, speziell auch in Russland, und nicht die ukrainische Oligarchie oder rechtsextreme Söldnerbanden. Die Verteidigung der Ukrainischen Arbeiter*innenklasse und eine dauerhafte friedliche Zukunft gehen in letzter Konsequenz auch nur gegen die ukrainische Elite. In Russland selbst steht Putin zunehmend auf Treibsand. Die Unterstützung für den Krieg ist v.a. unter jungen und städtischen Schichten, v.a. in der Arbeiter*innenklasse gering. Hier liegt auch der Ansatzpunkt für ein Ende von Putins Regime, seinem politischen und wirtschaftlichen System und damit auch für ein Ende des Krieges. Unterstütze mit uns die Antikriegs-Aktivist*innen in Russland!

Spendet für die Antikriegsbewegung in Russland: https://www.slp.at/artikel/spenden-f%C3%BCr-antikriegsarbeit-in-russland-10771