Warum für Parlamente kandidieren, die nichts bringen?

Pablo Hörtner

Der bürgerliche Staat und all seine Institutionen wie Schule, Polizei, Gefängnis oder Parlament dienen in erster Linie der Aufrechterhaltung des Status quo – sprich: der Einzementierung kapitalistischer Ausbeutungsverhältnisse. Die etablierte Politik wird direkt oder indirekt von Lobbys und anderen VertreterInnen des Kapitals finanziert. Und die wenigen Linken werden vom System zerrieben oder integriert … Warum also bei diesem verlogenen, verräterischen Spiel mitmachen?

Der Sozialismus wird nicht durch Wahlen erreicht. Und auch soziale und politische Reformen lassen sich auf Dauer nur durch ökonomischen Druck von unten erkämpfen. Das wussten Marx, Engels, Liebknecht und Luxemburg ebenso gut wie Lenin und Trotzki. Alles andere wäre weichgespülter Reformismus und „parlamentarischer Idiotismus“, so Marx und Engels (18. Brumaire, 1852).

Doch dürfen MarxistInnen die „Volksvertretung“ als politische Tribüne nicht einfach den Herrschenden für ihre Zwecke überlassen. Das Stimmrecht ist nach Engels ein Gradmesser für das Kräfteverhältnis zwischen Arbeit und Kapital. „Aber es hat noch viel mehr getan. In der Wahlagitation lieferte es uns ein Mittel, wie es kein zweites gibt, um mit den Volksmassen da, wo sie uns noch ferne stehen, in Berührung zu kommen; alle Parteien zu zwingen, ihre Ansichten und Handlungen unseren Angriffen gegenüber vor allem Volk zu verteidigen“ (Einleitung zu Klassenkämpfe in Frankreich, 1895).

Schließlich ist der Großteil der Bevölkerung in nicht revolutionären Zeiten nicht in sozialen Bewegungen aktiv und hat Illusionen in den Parlamentarismus. Klassenkämpfe – Auseinandersetzungen zwischen Arm und Reich, oben und unten – finden nicht nur auf der Straße oder im Betrieb statt. Parteien, Regierungen, Gesetze und Medien sind ebenso Ausdruck eines gesellschaftlichen Kräfteverhältnisses wie die Höhe der Löhne, das Sozialsystem, die Einkommensverteilung und die gesamte bürgerliche Gesellschaft, in der wir leben. Wir müssen die Grenzen des „demokratischen“ Systems aufzeigen; die Bevölkerung – die im Augenblick keine unabhängige Vertretung im Parlament besitzt – darüber aufklären, dass eine revolutionäre Umgestaltung nötig ist, und dass „die Arbeiterklasse nicht die fertige Staatsmaschine einfach in Besitz nehmen und sie für ihre eigenen Zwecke in Bewegung setzen kann“ (Vorwort zum Kommunistischen Manifest, 1872). Das Gebot der Stunde ist der Wiederaufbau einer starken sozialistischen Bewegung – und diese wird um die Teilnahme an Wahlen nicht herumkommen, will sie sich nicht von der Mehrheit der Bevölkerung isolieren.

Im Vordergrund unserer Agitation und Propaganda jedenfalls steht der Aufbau einer Bewegung, „welche die Bildung nicht der Regierungs-, sondern der Oppositionspartei der Zukunft bezweckt“ (Marx, Enthüllung über den Kommunistenprozess, 1852). Ziel von MarxistInnen ist – anders als beim „sozialdemokratischen Philister“ – nicht die Beteiligung an einer bürgerlichen Regierung, sondern die Errichtung einer Rätedemokratie wie in der Pariser Kommune, wie in den Räten in Österreich, Ungarn, Deutschland und v.a. Russland ab 1917. Dort gab es Wähl- und Abwählbarkeit von Delegierten, die keinerlei Privilegien hatten und rechenschaftspflichtig waren.

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