Sozialsystem: Getragen von Vereinen

Jan Wottawa

Behindertenbetreuung, Suchthilfe und psychosoziale Hilfe sind wichtige Bereiche in der Versorgung von Menschen. Doch nicht nur in diesen übernehmen private und kirchliche Organisationen einen großen Teil der Arbeit. Eine Arbeit, die eigentlich vom Staat übernommen werden sollte.

Immer mehr Skandale aus den Zuständen in Waisenhäusern und psychiatrischen Kliniken sind mit der Zeit ans Licht gekommen. Patient*innen wurden nicht nur vernachlässigt, sondern auch schwer misshandelt. Aufgrund dieser kaum vorhandenen bis schlechten Versorgung in der Vergangenheit haben in Österreich Betroffene und Fachleute diese (zusätzlichen) Hilfsorganisationen gegründet. Einige der Vereine haben auch als Protestbewegungen begonnen - vor allem im Bereich der Psychiatrie. Doch all diese sind immer mehr zu einem festen Bestandteil des Gesundheits- und Sozialbereichs geworden und somit auch ein Pfeiler des Systems. Der Staat muss nicht groß in diese Bereiche investieren. Außerdem muss er die hilfsbedürftigen “nicht produktiven” Menschen nicht mehr als nötig beachten. Gleichzeitig ist der Anteil des privaten Sozialbereichs massiv gestiegen: Mittlerweile arbeiten über 250.000 Beschäftigte und unzählige Zivildiener dort.

Selbst bei Dingen, die wirtschaftlich nicht messbar sind, wie der psychischen Gesundheit wird die kapitalistische Logik angewandt. Es werden Strukturen “optimiert” und die “Effizienz gesteigert”. In der Realität bedeutet das, dass Stellen und Gelder gestrichen werden und somit der Service verschlechtert wird. Für viele Menschen bedeutet das, mit ihren Problemen sich selbst überlassen zu sein. Die Unterstützung für Drogenhilfe beträgt z.B. nur 8 Millionen Euro, also nicht einmal 0,002% des BIP - und Substitutionsmittel (Ersatzmedikamente für den Entzug) sind nicht billig.

Gleichzeitig drückt sich der Staat vor der Verantwortung, da er nur als Auftrag- und Geldgeber agiert und erzeugt damit eine Konkurrenz unter den Vereinen. Unter dem Kostendruck leiden nicht nur die Beschäftigten, sondern auch die Versorgung, Infrastruktur und Ausrüstung und somit die zu versorgenden Menschen. Es braucht eine andere Lösung als das, was wir jetzt haben. 

Kämpfen wir für eine andere Gesellschaft!

Die “Daseinsvorsorge” (Pflege, Betreuung, Beratung usw.) sollte nicht Aufgabe von privaten Vereinen und Kirchen sein. Eine staatliche Versorgung sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Das bedeutet aber nicht, die Vielfalt abzuschaffen. Wir brauchen echte demokratische Strukturen und diverse Ansätze im Rahmen einer gesellschaftlichen Gesamtplanung statt einem Konkurrenzkampf und Kompetenzen-Fleckerlteppich.

Dieser wichtige Bestandteil unserer Gesellschaft, der Sozial- und Gesundheitsbereich, sollte in den Händen derer sein, die darin arbeiten und jenen, die diese Hilfe beanspruchen. Sie sollten die Entscheidungskraft haben. Das bedeutet, die Kolleg*innen in den Betrieben und Vereinen, aber selbstverständlich auch die Klient*innen und Patient*innen. Jede betroffene Person muss miteinbezogen werden. Profitinteressen haben hier nichts zu suchen.

Letztendlich dient der Staat in diesem System dazu, den Kapitalismus zu verwalten. Menschen mit besonderen Bedürfnissen werden als störender Kostenfaktor behandelt - und deswegen wird hier auch schnell gekürzt. Profite stehen im Widerspruch mit menschlichem Wohlergehen und Entfaltung der einzelnen Menschen. Diese wird es erst geben, wenn der Wert eines Menschen unabhängig von seiner Arbeitskraft ist.

Eine echte demokratische Struktur und bedarfsgerechte Versorgung gibt es nur mit einem anderen System. So kann der Kampf für eine sozialistische Alternative nicht vom Kampf für bessere Bedingungen im Sozial- und Gesundheitsbereich getrennt werden.

 

 

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