Südostasien nach dem Börsenkrach

Asien in Aufruhr
Sonja Grusch

Zwischen Politik und Wirtschaft gibt es engste Verknüpfungen - die wirtschaftliche Krise in Südostasien hat politische Konsequenzen, es gibt Streiks und Unruhen, Politiker treten zurück, Regierungen werden gestürzt. Der amerikanische Geheimdienst CIA befürchtet “soziale Unruhen in Asien”. Und US-Finanzminister Rubin tritt für die finanzielle “Unterstützung” der Region ein - nicht aus humanitären oder moralischen Gründen, sondern weil dies “bedeutend für die amerikanischen Sicherheitsinteressen sei”.
Seit Mitte 1997 haben sich die einstigen Musterländer des Kapitalismus, die südostasiatischen Tigerstaaten, von Modellen zum Alptraum entwickelt. Die Börsen brachen zusammen, die Währungen wurden abgewertet, die Staaten und Unternehmen wurden zahlungsunfähig. Die gesamte Weltwirtschaft ist davon betroffen.
Selbst US-Notenbank-Chef Greenspan, der im Herbst noch von einer “heilsamen Korrektur” sprach, fürchtet nun ein Übergreifen der Krise auf andere Regionen. Angesichts der fortgeschrittenen internationalen Verflechtung der Wirtschaft und der insgesamt schwachen Position des Kapitalismus - der “Aufschwung” der letzten Jahre war ein “jobloser” und hat die Staatsverschuldungen weiter erhöht. Es stellt sich nicht mehr die Frage, ob die Weltwirtschaft in eine Rezession eintritt, sondern nur mehr wann und wie tief diese sein wird.
Daß eine derartigen Krise auch in Europa, den USA und Japan drastische politische Auswirkungen haben kann, läßt sich anhand der Ereignissen in Südostasien erahnen.

Soziale Spannungen

Während die Medien über die Verzweiflung von Bankern und Managern berichten spielen sich die wahren Dramen anderswo ab. Millionen Menschen in Südostasien haben in den vergangenen Monaten ihren Arbeitsplatz verloren, Millionen weitere zittern um ihren. Und das in Ländern, in denen es de facto keine Sozial- oder Arbeitslosenunterstützung gibt. In Südkorea z.B. werden bis März mehr als eine Million Arbeiter-Innen ihren Job verlieren, die Arbeitslosigkeit wird von 2,8 % auf 6 % ansteigen. In den nächsten drei Jahren werden weitere drei Millionen Jobs vernichtet werden.
Unsicher sind in Südkorea auch die Pensionen, welche ArbeiterInnen seit Jahren in Pensionsfonds einbezahlt haben - 25 Milliarden Dollar, mit denen spekuliert wurde und die nun massiv gefährdet sind. In ganz Südostasien sind Millionen Menschen von Armut bedroht. In Indonesien (189 Millionen EinwohnerInnen) gibt es offiziell 24 Millionen Menschen unter der Armutsgrenze, in den nächsten Monaten werden es bis zu 48 Millionen werden!
“Großzügig” gibt es vom Internationalen Währungsfonds (IWF) “Unterstützung”. Insgesamt werden Beträge von 160 Milliarden Dollar genannt, die der IWF an Krediten nach Südostasien vergibt. Mit ganz klaren Zielen: diese Märkte für v.a. US-Kapital zu öffnen und Konkurrenz auszuschalten. Die Kredite sind an handfeste Forderungen geknüpft: Schließung von Betrieben, Abbau bei den Beschäftigten, Rücknahme bei den Subventionen. In Malaysia z.B. wurde bereits verkündet, die Staatsausgaben um 18 % zu kürzen.

Massenproteste der Tiger

In den letzten Jahrzehnten hat sich durch die Industrialisierung der Tigerstaaten (aus Agrargesellschaften) eine starke ArbeiterInnenklasse entwickelt. Diese wird nun von den Auswirkungen der Krise hart getroffen, und ist nicht bereit, dies einfach hinzunehmen. In Südkorea haben die Mitglieder des unabhängigen Gewerkschaftsverbandes KCTU die Entlassungspläne der Regierung gegen den Willen der Gewerkschaftsführung abgelehnt und die Führung ausgetauscht. In ganz Südostasien gibt es Demonstrationen und Kundgebungen v.a. gegen die Entlassungen. In Indonesien richten sich die Unruhen gegen die steigenden Lebensmittelpreise.
Die gesamte Region ist ein Pulverfaß. Nicht nur die jeweiligen Regierungen, der Kapitalismus an sich ist um so gefährdeter, je offensichtlicher seine Unfähigkeit wird, für die Bevölkerung ein ordentliches Leben zu gewährleisten. Die Protestbewegungen haben teilweise keine klare Richtung. Während es in Südkorea organisierte und klassenbewußte Gewerkschaftsproteste gibt, erreichen die Übergriffe gegen Chinesen in Indonesien teilweise sogar Progrom-Charakter. Auch ein Erstarken fundamentalistischer Gruppen ist nicht auszuschließen, denn dort fehlen Organisationen mit einem klaren sozialistischen Programm, die die wahren Ursachen der jetzigen Krise - den Kapitalismus an sich - aufzeigt und den Kampf gegen das System mit der Perspektive für eine neue, eine sozialistische Gesellschaft verbindet. Denn nur in einem sozialistischen Asien können Armut, Elend und Unterdrückung beseitigt werden.

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