Do 01.07.1999
Oft genug wurde die Debatte um Sozialismus und notwendige gesellschaftliche Veränderungen auf einer rein ökonomischen Ebene geführt, andere Aspekte als ausgeblendet, so auch die Emanzipation der Menschheit. In diesem Sinne haben einige SOVlerInnen zum Thema »Kultur und Sozialismus« ein Seminar abgehalten. Im folgenden soll eine der grundlegenden Diskussionen aus meiner Perspektive kurz umrissen werden.
Historisch gibt es 2 grundlegend verschiedene Auffassungen von der Rolle sozialistischer Kulturpolitik: Den Bolschewiki sollte sie zur Emanzipation der Proletarier nach der Revolution dienen, und dem italienischen Kommunisten Antonio Gramsci sollte der Kampf um die kulturelle Hegemonie durch das Proletariat noch im Kapitalismus fast schon als Ersatz für den Kampf um die ökonomische Macht dienen.
Kulturelle Hegemonie
Gramsci hat erkannt, daß der Staat in Friedenszeiten weniger direkt durch seinen Repressionsapparat herrscht, als indirekt über die »Zivilgesellschaft« (ein heute gerne in allen möglichen und unmöglichen zusammenhängen zitiertes Wort), die anders als der Staatsapparat nicht mit Zwang, sondern vor allem mit »Überzeugung« arbeitet. Der Kampf muß daher in solchen Zeiten kein unmittelbarer sein, sondern ein Kampf um die Hegemonie über die eigene Klasse. Gramsci schreibt dabei zwar immer über die Notwendigkeit eines Umsturzes der ökonomischen Verhältnisse, verschiebt ihn aber an das Ende des Hegemoniekampfes.
Eine solche unzulässige Verkürzung ist sicher nicht zielführend. Der Kampf um die kulturelle Hegemonie kann wohl kaum ohne den Kampf um die Macht geführt, geschweige denn gewonnen werden. Genauso wenig ist es aber umgekehrt, der Kampf um eine bessere Gesellschaft kann nicht auf den Kampf um Veränderung der ökonomischen Machtverhältnisse reduziert werden. Die gesellschaftlichen Widersprüche lassen sich eben nicht alle auf den ökonomischen reduzieren, der Kampf um Befreiung kann nicht nur über diesen geführt werden.
Hauptwiderspruch
So haben sich jene, die sich gegen eine bestehende Bewegung auch zu anderen Fragen auf den rein ökonomischen Kampf berufen haben, damit einen realen Fortschritt unterbunden. Wie z.B. die CGT bei den StudentInnenaufständen 1968, indem sie sowohl die ArbeiterInnen vom Kampf um kulturelle Emanzipation als auch die StudentInnen vom Kampf der ArbeiterInnen um ökonomische Befreiung getrennt haben. Es gibt eben nicht nur einen Widerspruch und nur einen Kampf. Und es ist sicher nicht unsere Aufgabe, denen, die um kulturelle Befreiung kämpfen, um Frauenbefreiung kämpfen, zu erklären, daß sie stattdessen einen ökonomischen Kampf führen müssen. Ganz im Gegenteil, wir müssen genau diese Trennung bekämpfen, ohne dabei alles auf das ökonomische zu reduzieren. Wir müssen für einen Kampf auf allen Ebenen stehen. Natürlich wäre es sehr ungeschickt, immer und überall dafür zu sein jeden Kampf zu führen, aber taktische Überlegungen dürfen nicht zur Ausrede für ein Prinzip (zuerst Sozialismus, dann schauen wir weiter) werden.
Auch Kultur ist Sozialismus
Unser Kampf muß auch ein kultureller sein. Wir müssen unsere Vorstellungen von Kultur entwickeln und nach außen tragen, ja überhaupt um Kultur als gesellschaftliches Phänomen kämpfen. Kultur, wie wir sie wollen, Wissenschaft, Technik, Sport, Kunst,... jenseits von Objektivität und Elfenbeinturm, kann niemals losgelöst von Bewegungen, Kämpfen, Widersprüchen existieren, läßt sich eben nicht auf die/den Einzelne/n reduzieren. Gerade wir müssen den Kampf um Kultur einfordern, auch innerhalb linker und gewerkschaftlicher Zusammenhänge, und nicht einfach hoffen irgendwann alles übernehmen und einfach umdrehen zu können.
Einen integralen Kampf zu führen kann und darf für uns nicht heißen, die ArbeiterInnenklasse als revolutionäres Subjekt aus den Augen zu verlieren und uns wiederum nur um andere gesellschaftliche Widersprüche zu kümmern. Aber es ist insbesondere unsere Aufgabe, die Kämpfe zu integrieren, nicht zu trennen, uns bewußt zu werden, daß wir in unseren eigen Reihen, in hoffentlich kommenden Bewegungen und auch in der Klasse als solches um mehr als nur um die Vergesellschaftung der Produktionsmittel kämpfen werden müssen. Wir kämpfen darum alle - nicht nur ökonomische - Ketten, an die Menschen gelegt sind, zu zerreißen.