Bedingungsloses Grundeinkommen als Mittel gegen Armut?

Mit zunehmender Arbeitslosigkeit und Armut nimmt auch die Debatte über Lösungsmöglichkeiten zu. Ein Modell ist dabei das Bedingungslose Grundeinkommen. Wir veröffentlichen hier ein Pro&Contra zum Modell, seinen Möglichkeiten und Grenzen sowie zu alternativen Vorschlägen.

  • Grundeinkommen: Wo ist der Haken? (Franz Neuhold von der SLP)

Auf den ersten Blick klingen manche Grundsicherungsmodelle nach einer Verbesserung für Menschen an oder unter der Armutsgrenze. Reality check: Es sollte zu denken geben, wenn lupenreine pro-kapitalistische Vereine wie das Liberale Forum sowie in Deutschland Teile der CDU ebenso ein „bedingungsloses Grundeinkommen“ fordern. Es wiehert ein trojanisches Pferd.

Eine Gefahr ist, dass damit die Möglichkeit der Aussteuerung kommt. Menschen, die bislang Arbeitslosengeld / Notstandshilfe erhielten, verlören jegliches Einkommen, wenn sie sich Zwangsarbeit verweigern sollten. Teile des Establishments sehen die Chance, ein BGE zu akzeptieren, um dann das B zu entsorgen. Erfahrungen mit der „Bedarfsorientierten Mindestsicherung“ zeigen: Es gibt oftmals mehr Schikanen, teilweise aber sogar weniger Geld als bei der Sozialhilfe.

Die Verwirklichung eines Lebensentwurfes wird durch Kapitalismus & Krise generell schwieriger bis unmöglich. Ein wirklich existenzsicherndes BGE würde einen Betrag erfordern, der weit über dem Diskutierten liegt. Vor allem muss klar sein, dass für jegliche soziale Verbesserung heutzutage massive soziale Bewegungen und Kämpfe nötig sind. Wenn es gelingt, diese mitzugestalten, dann wären tiefgreifendere Reformen und selbst darüber hinausgehende Umwälzungen erreichbar.

Dass es „nicht mehr genügend Arbeit für alle gibt“, ist offensichtlich falsch. Es gibt viele sinnvolle Aufgaben und die Zahl derer, die durch Überarbeitung krank werden, nimmt zu. Löhne und Gehälter wachsen nicht entsprechend den Produktivitätssteigerungen. Hohe Arbeitslosigkeit und Nicht-Beschäftigung drücken auf die Löhne. Genaugenommen stellt der Arbeitslohn im Kapitalismus immer nur einen Teil der von den Beschäftigten erbrachten Leistung dar. Dies ist ein wesentlicher Grund für die Krise(n). Das alles bleibt trotz der stattfindenden Veränderungen der Arbeits- und Lebenswelten aufrecht.

Das BGE hingegen kann als Freispruch für das bürgerliche Wirtschaftssystem verstanden werden. Die Botschaft: man akzeptiert den Rahmen, wenn die schlimmste Armut von staatlicher Seite abgefedert wird.

Die Solidarität zwischen (derzeit) Beschäftigten sowie Erwerbsarbeitslosen kann durch den gemeinsamen Kampf für eine radikale Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn und Personalausgleich gelingen. Die Einführung eines deutlich über der Armutsgefährdungsschwelle liegenden Mindesteinkommens von 1300.- netto sollte auch für alle gelten, die in die Arbeitslosigkeit schlittern. Dafür gilt es zu mobilisieren!

  • Grundeinkommen – garantiert bedingungslos (Robert Reischer von BIEN Österreich, Betreuer von Arbeits- und Wohnungslosen)

Erwerbsarbeit verliert den absoluten Vorrang der Lebensentwürfe. Manche werden Teilzeit arbeiten, Erwerbszeiten unterbrechen, Reisen machen, sich weiterbilden oder eine Zeit lang gar nichts tun. Die Qualität der Arbeitsplätze in Bezug auf Gesundheit, Sozialverträglichkeit und Rücksichtnahme auf soziale Bedürfnisse der Menschen wird verbessert.

Die Bereitschaft zu belastenden Arbeiten, zu langen Arbeits- oder Fahrzeiten wird sinken, Betriebe werden aus den Ballungsräumen in die Regionen gehen, manche unangenehmen Arbeiten werden teurer werden, manche werden nicht mehr angeboten oder nachgefragt werden.

Die steigende Kaufkraft führt zu verstärktem Konsum, verbesserter Infrastruktur und steigendem Steueraufkommen. Insbesondere Randzonen und benachteiligte Gebiete werden stärker profitieren. Kleine Handwerksbetriebe, Greißler, Wirte etc. werden wieder möglich, dadurch werden ländliche Strukturen aufgewertet, Abwanderung und Armut werden verringert. Ehrenamtliche, soziale, solidarische Tätigkeiten für die Zivilgesellschaft werden interessanter.

Statt um Bedingungen der Erwerbsarbeit geht es um die Frage, wie Existenzsicherung von Erwerbsarbeit abgekoppelt und allen Menschen ein Leben in Würde gesichert werden kann. BGE ist eine Antwort, sofern die folgenden Kriterien eingehalten werden.

Bedingungslos muss das BGE sein, weil es ein BürgerInnenrecht ist.

Allgemein muss das BGE sein, damit es nicht diskriminierend wirkt.

Individuell heißt, dass alle in einem Land lebenden Menschen einen persönlichen Rechtsanspruch auf ein BGE haben.

Für MigrantInnen tritt dieses Recht nach 3 Jahren legalen Aufenthaltes oder mit der erfüllten Anwartschaft auf Arbeitslosengeld ein.

Ausreichend für die finanzielle Absicherung von Existenz und Teilhabe am gesell­schaftlichen Leben (materiell, sozial, kulturell).

Emanzipatorisch Die Versorgungspartnerschaft ist nicht mehr notwendig, die finanzielle Abhängigkeit der Frauen und Kinder wird deutlich reduziert.

Garantiert und in der Verfassung verankert muss das BGE sein.

Finanzierung Es gibt mehrere Berechnungsmodelle, die allesamt zu dem Schluss kommen, dass die Finanzierung bei vorhandenem politischem Umsetzungswillen rechnerisch möglich ist, wenn bei entsprechender Besteuerung und Umverteilung der spekulativen Vermögen kein zusätzliches Geld erforderlich ist.

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