Anmerkungen zum Film “Die Welle”

Faschismus als Psycho-Experiment?
Margarita Döller

Das Buch und somit auch die (jetzige Neu-)Verfilmung basieren auf einem Experiment, das 1967 in den USA durchgeführt wurde. Der Geschichtslehrer Ron Jones und seine SchülerInnen führten an einer High School in Palo Alto Verhaltensnormen des Nationalsozialismus ein. Er wollte den SchülerInnen im “Selbstversuch” den Vergleich mit Jugendorganisationen der NSDAP demonstrieren. Das Experiment “Die dritte Welle” sollte nur einen Tag dauern. Es artete aus und nach fünf Tagen beendete Ron Jones den Versuch.

“Alter Stoff, neue Location”

Die Neuverfilmung spielt im heutigen Deutschland und die ursprüngliche Geschichte wurde dahingehend etwas verändert. Im Rahmen einer Projektwoche zum Thema Staatsformen startet der Lehrer Rainer Wenger ein Experiment. Ein Experiment, das den SchülerInnen zeigen soll, dass es jederzeit möglich ist, die Massen zu manipulieren und die Gefahr einer Dikatur auch im heutigen Deutschland gegeben ist. Er fängt an, militärähnliche Umgangsformen in den Alltag einzuführen. Doch schon bald steigt Rainer Wengers persönliche Begeisterung, weil er seine verhassten KollegInnen mit den lärmenden Übungen stören kann, und dieser Funke springt auch auf die SchülerInnen über. Die Bewegung bekommt den Namen “Die Welle”.
Sie verbreitet sich sehr schnell. Immer mehr SchülerInnen werden in ihren Bann gezogen, Andersdenkende werden ausgegrenzt. Als es bald zu gewalttätigen Auseinandersetzungen unter den Jugendlichen kommt, will Rainer Wenger das Experiment beenden...

Sozialistische Kritik

Das Experiment “Die Welle” baut auf einer völlig falschen Analyse des Faschismus auf. Ron Jones und alle Befürworter wollen uns zeigen, dass der Mensch an sich schlecht ist. Man würde nur die richtigen psychologischen Tricks benötigen,  um die “böse” Seite hervorzukehren und die Gesellschaft dahingehend zu manipulieren. Also wäre Faschismus jederzeit und überall auf der Welt möglich. Doch so einfach ist das zum Glück nicht. Natürlich spielt die psychologische Ebene eine Rolle, wenn man die Massen unter einem Banner vereinen will. Aber die faschistischen Diktaturen in Deutschland, Österreich, Spanien etc waren nur möglich, weil die wirtschaftlichen und sozialen Umstände, sowie nicht zuletzt das politische Kräfteverhältnis diese ermöglichten. Massenarbeitslosigkeit, Armut und vor allem die vorher gescheiterten sozialen Bewegungen, welche die Linke führte, bildeten den Nährboden für die nationalsozialistischen Ideen.
NS-Regime und Auschwitz hätten unserer Meinung nach verhindert werden können! Und zwar durch eine entschlossene Strategie der ArbeiterInnenbewegung gegen den Faschismus. Solche konkreten Fragen, welche genauso die Auseinandersetzung mit den Nazis heute betreffen, scheinen den Machern der “Welle” freilich egal.

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