“Schutzzone” Resselpark: Repression statt Integration

Gilbert Medwed

Seit 14. Februar ist jener Teil des Resselparks, welcher sich vom Ausgang der U-Bahnstation Karlsplatz bis zum Portal der evangelischen Privatschule erstreckt, per Verordnung der Wiener Polizei zur Schutzzone erklärt worden. Gesetzliche Grundlage für diese Verordnung ist das mit 1.1.2005 novelliert in Kraft getretene Sicherheitspolizeigesetz (SPG). Es besagt, dass Personen, die sich verdächtig machen, eine strafbare Handlung (z.B. den Verkauf von Drogen) in unmittelbarer Nähe einer Schule, eines Kindergartens oder eines Tagesheims begehen zu wollen, aus diesem Bereich weg gewiesen werden können (SPG §36), vorausgesetzt, die Leitung der Einrichtung hat um die Errichtung einer solchen Schutzzone angesucht.

Szene verlagert sich

Dieses Vorgehen gegen die Drogenszene am Karlsplatz ist keineswegs neu, gab es doch in den achtziger Jahren kurzfristig die so genannte "Lex Karlsplatz", welche die Wegweisung Verdächtiger ermöglichte. Dies führte allerdings nur zur Verlagerung der Szene an andere Orte und erschwerte sozialarbeiterische Maßnahmen am Karlsplatz. Da sich an der Grundproblematik des Drogenmissbrauchs unter kapitalistischen Bedingungen seit damals nichts geändert hat, sind auch heute nur negative Auswirkungen der Schutzzonenregelung festzustellen: suchtkranke Menschen werden durch repressive Maßnahmen vertrieben und daran gehindert, speziell auf sie zugeschnittene Betreuungsangebote in Anspruch zu nehmen.

Zugang zu Unterstützung wird erschwert

Ein solches Angebot stellt auch die mobile Anlaufstelle ("Spritzenbus") des Vereins Wiener Sozialprojekte (VWS) dar, der den suchtkranken KlientInnen den Spritzentausch und andere dringend benötigte Leistungen bietet und seit 15. Jänner auch im Resselpark Halt macht. Der Erfolg solcher Einrichtungen liegt an ihrer Niederschwelligkeit. Das bedeutet, dass soziale Leistungen direkt und persönlich von den Menschen, die sie benötigen, in Anspruch genommen werden können. Das ist nur möglich, wenn auch der Zugang zu diesen Einrichtungen gegeben ist, der aber durch die Schutzzone deutlich erschwert wird. Um den Spritzenbus oder den Sozialen Stützpunkt (Streetwork) am Karlsplatz zu erreichen, ohne durch die Schutzzone zu gehen (und sich damit der Repression durch die Staatsgewalt auszusetzen), müssen suchtkranke Menschen beträchtliche Umwege in Kauf nehmen. Auf diese Weise werden Kranke nicht nur daran gehindert, ihnen zustehende soziale Leistungen in Anspruch zu nehmen, sondern auch noch kriminalisiert und gedemütigt.

Sparzwang und Repression

Die Schutzzone muss im Zusammenhang mit allen anderen Verschlechterungen sozialer Standards und der Politik der Aushungerung sozialer Vereine unter dem Vorwand des Sparzwanges gesehen werden. Sie dient der Erhöhung des Drucks auf all jene, die dem System kapitalistischer Ausbeutung nicht gewachsen sind und überantwortet sie dem Urteil der bürgerlichen Justiz (vgl. das Gesetz gegen "unmotiviertes Stehen bleiben", das als neues Schubgesetz gegen Obdachlose eingesetzt wird). Im Übrigen wäre die Problemlage, die im Resselpark zwischen Schule und Drogenszene besteht, einer Lösung durch professionelle sozialarbeiterische Gemeinwesenarbeit zuzuführen, was freilich den politischen Willen dazu voraussetzt.

FPÖ, ÖVP und SPÖ für Ausgrenzung und Diskriminierung!

Die politische Botschaft der Parteien, welche die Schutzzone unterstützen oder zur Kenntnis nehmen, an die WählerInnenschaft im angrenzenden ersten und vierten Bezirk ist eindeutig: Ausgrenzung von allen Menschen, die nicht in die "Norm" passen. Zweideutig ist die Haltung der Grünen. Statt einer klaren Stellungnahme finden sich auf der Homepage der innerstädtischen Grünen nur ominöse Formulierungen: "Die Überwachung des öffentlichen Raumes ist ein Faktor, der die Sicherheit zum Teil tatsächlich erhöhen kann, der aber auch sehr wesentlich das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen verstärkt." SPÖ-Stadträtin Wehsely stellt demgegenüber die von der Schutzzone am Karlsplatz Betroffenen sogar mit den rechtsextremen AbtreibungsgegnerInnen von "Human Life International" gleich: "Frage: Wäre eine Schutzzone (vor der Klinik am Fleischmarkt, Anmerkung) analog zum Karlsplatz nicht besser? Wehsely: Ja, aber das ist Bundeskompetenz!" (wien.spoe.at). FP-Strache, der unter Sozial- und Drogenpolitik bezeichnenderweise Sicherheitspolitik missversteht, fordert indes die Ausweitung der Schutzzone auf ganz Wien, womit wir dem von ihm ersehnten Polizeistaat wohl noch einen Schritt näher wären. Wir erinnern an einen der Grundsätze des Wiener Drogenkonzeptes von 1999: "Bei Drogenkonsumenten hat die Beratung bzw. medizinisch-therapeutische Behandlung Vorrang vor der strafrechtlichen Verfolgung." und fordern dessen Umsetzung sowie die Aufhebung jeder Repression gegen sozial Schwache!

Sozialistische Lösungen

Darüber hinaus sehen wir als SozialistInnen das Problemfeld Drogensucht mit all seinen negativen sozialen Auswirkungen für die Betroffenen als Erscheinungsform und Folge der kapitalistischen Ausbeutung der ArbeiterInnenklasse. Wir fordern die Vergesellschaftung des Drogenmarktes zur Beseitigung der Beschaffungskriminalität und der neokolonialen Ausbeutung drogenproduzierender Länder durch Drogenkartelle, Straffreiheit für KonsumentInnen und die ausreichende staatliche Finanzierung von Prävention, Therapie und Sozialarbeit!

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