Why do we CARE?

Streiken im Gesundheits- und Sozialbereich
Sonja, Studentin, Seniorenbegleiterin und ROSA-Aktivistin

Artikel aus der aktuellen ROSA-Zeitung (März 2022)

Es ist kein Geheimnis, dass die Arbeitsbedingungen im CARE-Sektor bereits vor der Pandemie hart waren. Personalmangel und Überarbeitung wurden durch die Coronakrise nur verschärft. Der Wert, der gerade in dieser Zeit immer wieder als systemrelevant betonten Arbeit, wird nicht durch entsprechende Entlohnung anerkannt. Es ist kein Wunder, dass die Beschäftigten in vielen Einrichtungen kaum mehr Energie haben, was u.a. in gehäuften Kündigungen und der Schwierigkeit Stellen nachzubesetzen deutlich wird. Gleichzeitig sind Wut und Unzufriedenheit groß und es kam in einigen Bereichen in den letzten Monaten vermehrt zu Protesten, zum Teil zu Streiks. Warum diese Arbeitskämpfe auch feministische Kämpfe sind und wie wir sie gewinnen können, darum soll es in diesem Artikel gehen.

Wie Frauenrechte und Care-Sektor zusammenhängen

Drei von vier Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialbereich sind weiblich. Das ist wohl kein Zufall. Von klein auf bekommen wir in dieser patriarchal strukturierten Gesellschaft vermittelt, dass Frauen diejenigen sind, die sich um andere kümmern. Natürlich wirkt sich diese Rollenzuschreibung auf die Realität aus. So leisten Frauen nicht nur in schlecht bezahlten Jobs Care-Arbeit, sondern es sind auch sie, die den Großteil der unbezahlten Arbeit (zu Hause) erledigen. Weltweit arbeiten Frauen und Mädchen laut Oxfam täglich mindestens 12 Milliarden Stunden unbezahlt. Würden sie für diese Arbeit den entsprechenden Mindestlohn bekommen, wären das 11 Billionen US-Dollar im Jahr. Das ist 24 mal mehr als der Umsatz von Apple, Google und Facebook im Jahr 2018 zusammen. Würde der CARE-Sektor insgesamt besser finanziert, würde sich dies nicht nur auf Frauen, die in diesem Bereich arbeiten, auswirken, sondern auch die unbezahlte Care-Arbeit entlasten. Denn durch eine Ausfinanzierung könnten zum Beispiel mehr und qualitativere Betreuungsmöglichkeiten für pflegebedürftige Menschen geschaffen werden, sodass die Betreuung nicht mehr, wie so häufig, von weiblichen Angehörigen übernommen werden muss. Dasselbe gilt für adäquate Kinderbetreuungsplätze. Das wäre eine große Entlastung für den Alltag vieler Frauen. Gleichzeitig ist es Frauen dadurch besser möglich selbst arbeiten zu gehen und so ökonomisch unabhängig zu sein. Dies spielt eine große Rolle, wenn frau sich aus gewaltvollen Beziehungen lösen will. Das sind nur einige Beispiele, die zeigen, dass Frauen von dieser Thematik besonders betroffen sind, auch wenn wir natürlich alle davon profitieren, wenn unsere Kinder gut betreut sind und wir wüssten, dass wir im Alter oder bei Krankheit professionell ohne Wartezeiten versorgt werden. Leider profitiert aber das kapitalistische System, wie die oben angeführten Zahlen deutlich machen, sehr stark von der durch sexistische Rollenbilder gestützten Ausbeutung. Profite stehen immer an erster Stelle. Deshalb dürfen wir, wie die Situation im Care-Sektor zeigt, nicht auf Verbesserungen durch die Regierung hoffen, die kein Interesse daran hat, dieses System grundlegend zu verändern. Wir müssen sie selbst erkämpfen und dafür gibt es bereits Ansätze. 

Aktuelle Proteste 

Immer wieder kommt es zu Pflegeprotesten. So stellten sich zum Beispiel Krankenhausbeschäftigte bei einer landesweiten Aktion während der Arbeitszeit fünf Minuten vor die Tür, um zu signalisieren, dass es in der Pflege bereits „5 nach 12“ bzw. mittlerweile „15 nach 12“ ist. Auch in der Elementarpädagogik tut sich einiges. Im Oktober gingen knapp 8.000 Elementarpädagog*innen in Wien an zwei Aktionstagen, einem der öffentlichen und einem der privaten Träger, auf die Straße. Sie forderten u.a. kleinere Gruppen und mehr Geld. Es kam zu den ersten Arbeitsniederlegungen von Beschäftigten seit dem Ausbruch der Pandemie. Am 29.03. ist der nächste große Aktionstag geplant. Auch in Deutschland finden bundesweite Proteste und Streiks der Erzieher*innen statt, für deren Höhepunkt der 8. März, der Internationale Frauentag, als Streiktag geplant ist. Sie fordern v.a., dass ihre Tätigkeiten höher bewertet und damit besser bezahlt werden. Davon wären 900.000 Beschäftigte betroffen. Um die Bewegung zu stärken, werden von Gewerkschaften und feministischen Gruppen in einigen Städten bereits Solidaritätsbündnisse in Nachbarschaften aufgebaut. ROSA unterstützte diese Kämpfe und wird auch weiterhin bei den Protesten dabei sein.

Was es für erfolgreiche Kämpfe braucht

Um die Proteste erfolgreich zu machen, ist es notwendig sie auszuweiten, miteinander zu verbinden und demokratisch von unten zu organisieren, damit sie eine relevante Größe bekommen und von der Basis getragen werden. Beschäftigte sollten sich inner- und überbetrieblich vernetzen, die verschiedenen Gewerkschaften, die die Beschäftigten organisieren, sich zusammentun, die Kämpfe in den verschiedenen Bereichen, sei es Kindergarten, Pflegeheim oder Krankenhaus, zusammengeführt und mit dem Kampf für Frauenrechte verbunden werden. Es braucht echte Streiks und die organisierte Arbeiter*innenklasse, um den nötigen Druck aufzubauen. Und ja, Streiks sind auch im Gesundheits- und Sozialbereich mit einer entsprechenden demokratischen Planung und Vorbereitung möglich, denn es ist nicht der Streik, der Menschen gefährdet, sondern der Normalzustand. Der 8. März sollte zum Streiktag im Care-Bereich werden, um an diesem feministischen Kampftag tatsächlich eine Verbesserung für Frauen zu erreichen.

 

Die ganze ROSA-Zeitung findest du hier: