Streikwelle in Britannien

Christian Steiner

Britannien erlebt derzeit die größte Streikbewegung seit Jahrzehnten. Angefangen hat es mit den Beschäftigten in ehemals staatlichen Betrieben und Mobilisierungen im Niedriglohnsektor. Nun breitet sie sich weiter aus. Auch in Britannien waren die letzten Jahrzehnte von Kürzungspolitik geprägt und die Ungleichheit wuchs so stark wie nie zuvor. Zur Covid-Krise gesellen sich die Auswirkungen des Brexit, des Ukrainekriegs und all das zu den bestehenden Problemen des Kapitalismus. Die Antwort der Regierung: Angriffe auf die Rechte der Beschäftigten, z.B. mit Anti-Gewerkschafts-Gesetzen. Die Preissteigerung bei Energie trifft britische Haushalte doppelt so hart wie beispielsweise Haushalte in Deutschland. Und das, obwohl Britannien als “Saudi Arabien” für erneuerbare Energien gilt.

RMT tritt Streikwelle los

Im Juni traten Eisenbahner*innen in einen historischen Streik, provoziert von der Regierung, die hoffte, die Bewegung schnell zum Erliegen zu bringen. Die National Union of Rail, Maritime & Transport Workers (RMT) legt ganz Britannien lahm. 50.000 Beschäftigte legten die Arbeit nieder und forderten mehr Gehalt, aber auch den Stopp des geplanten Personalabbaus sowie der Budgetkürzungen für betriebskritische Infrastruktur. Die Bevölkerung unterstützt diese Kämpfe, wohingegen die Unterstützung für die Regierung weiterhin sinkt.

Im August streikten 170.000 Beschäftigte aus der privatisierten Telekommunikationsbranche, darunter auch Royal Mail, acht Tage lang. In Schottland streikten Stadtangestellte in Edinburgh und in Felixstowe, Britanniens größtem Containerhafen, legten Hafenbeschäftigte für acht Tage die Arbeit nieder. Hafenarbeiter*innen in Liverpool folgten diesem Beispiel und streikten im September. Dem schließen sich Streiks von Pflichtverteidiger*innen an, die für mehr Personal und Gehalt kämpfen, sowie die Organisierung von Beschäftigten in Amazon Lagerhäusern und Urabstimmungen von Millionen öffentlich Bediensteter in ganz Britannien.

Die konservative Premierministerin Liz Truss hat angekündigt, gegen Gewerkschaften vorzugehen, wie genau, ist jedoch unklar. Ebenso unklar ist ihr Programm gegen Teuerung, es wurden lediglich Steuererleichterungen beschlossen - für Reiche. Das Vakuum in der Regierung erhöht die Chance der Gewerkschaften, das Potential der Bewegung auch politisch zu nutzen. Dafür müssen sie aber die Streiks wieder aufnehmen, die sie nach dem Tod der “Queen” ausgesetzt haben! Auch dürfen sich die Gewerkschaften nicht von der Labour Party ausbremsen lassen, sondern müssen politisch unabhängig handeln.

Unsere britische Schwesterorganisation Socialist Alternative fordert, dass Streiks branchenübergreifend koordiniert werden, um die Unternehmen und die Regierung zu Änderungen zu zwingen. Die Initiative “Enough is Enough” (EIE) hat das Potenzial, das zu erreichen. Sie fordert echte Lohn/Gehaltssteigerungen, Energiepreise runter, ein Ende der Ernährungsarmut, Wohnraum für alle und Besteuerung der Reichen. Socialist Alternative unterstützt diese Forderungen und ist aktiver Teil von EIE. Doch um auch wirklich Verbesserungen zu erreichen, braucht die Arbeiter*innenbewegung ein Programm und eine Kampfstrategie. EIE fordert z.B. die Verstaatlichung von Schlüsselunternehmen. Diese braucht aber auch Kontrolle und Verwaltung durch die Beschäftigten, um die Profitlogik draußen zu halten. Insgesamt braucht es eine politische Alternative zu diesem System, die Streikwelle in Britannien kann hier neue Perspektiven eröffnen.

 

Facts:

Die Managements der 100 größten Unternehmen in GB gewährten sich eine Gehaltserhöhung von 39%! Gleichzeitig werden die Lohn/Gehaltsforderungen von Beschäftigten mit der Lüge von der “Lohn-Preis Spirale” abgelehnt.

 

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