Mi 01.12.2004
Bis zu 23% Pensionskürzungen, ein glatter Bruch des Kollektivvertrags bei der Bank-Austria-Creditanstalt (BA-CA), die drohende Schließung von weiteren hunderten Postämtern, sowie diktatorische Versuche Arbeiterkammern und HochschülerInnenschaft mundtot zu machen... Die Liste der Gewalttaten von Regierung und Kapital ließe sich beliebig fortsetzten. In vielen Betrieben schwankt die Stimmung zwischen nackter Wut und Resignation: Ist Widerstand gegen diese Attacken überhaupt möglich?
Schüssel und Unternehmer fahren über uns drüber!
Wolfgang Schüssel hat versprochen, “das Reformtempo” künftig ein wenig zu drosseln (Standard, 22.11.2004). Wahrscheinlich spürt selbst er, dass sich die allgemeine Stimmungslage dem Nullpunkt nähert. Alleine die als großer Wurf gefeierte Pensionsreform bedeutet selbst laut dem FPÖ(!)-Sozial”experten” Max Walch Abschläge bis zu 19 % (OTS 0252, 28.10.2004). Völlig unklar ist, wie es für die heute unter 50-Jährigen weitergeht. Pensionsfachmann Franz Marhold kündigt bereits die nächsten Schritte an: “Österreich werde langfristig nicht umhin kommen, das Pensionsalter weiter anzuheben.” (Die Presse, 19.11.). Die Arbeiterkammer hat einige Beispiele von ArbeitnehmerInnen ausgerechnet, die durch die Reformen seit 2000 fast ein Viertel ihrer Pension verlieren! Die Regierung nennt das Gräuelpropaganda – und beweist einmal mehr ihre völlige Abgehobenheit: Laut einer OGM-Umfrage glauben nur 9 Prozent, dass die Harmonisierung persönliche Vorteile bringen wird. Die Dreistigkeiten von Schüssel, Bartenstein und FPÖ werden zur Zeit nur noch vom Management der BA-CA übertroffen. Schlagartig wurde den dort beschäftigten KollegInnen der bestehende Kollektivvertrag durch eine rechtliche Maßnahme defacto aufgekündigt. Frech meinte das Management danach gegenüber den Beschäftigten, Betriebsrat und Gewerkschaft, dass man jetzt jederzeit zu Verhandelungen bereit sei. Falls dieses Beispiel bei der größten – und an Gewerkschaftsmitgliedern stärksten - Bank des Landes funktionieren sollte, droht eine weitere Abwärtsspirale in der ganzen Branche und darüber hinaus. Weiter Alarmstimmung herrscht neben der Post auch bei der Bahn: ÖBB-Vorstandssprecher Huber kündigte den Abbau von 12.000 Stellen bis 2010 an.
Möchtegern-Diktatoren?
Die Versuche in bestehende Verträge und Strukturen per Diktat einzugreifen häufen sich. Die FPÖ prescht derzeit mit ihren alten Vorschlägen zum Aushungern der Arbeiterkammern vor. Noch schlimmer geht es der ÖH: Ergebnis der geplanten HochschülerInnenschafts-Reform soll die Abschaffung von Direktwahlen auf Bundesebene und damit sichere Mehrheiten für die regierungsnahen Fraktionen AG (ÖVP) und den rechtsextremen RFS (FPÖ) sein. In dieses Bild passt auch das der “Schwarzfunk” ORF dem ÖGB die bezahlte Sendung seiner Informationskampagne zur Pensionsreform einfach verweigerte. Aber auch auf EU-Ebene gibt es beispielsweise Tendenzen Gewerkschaften auszuhebeln: Im Entwurf zu einer neuen europäischen Arbeitszeitrichtlinie, sollen Arbeitszeitverlängerungen bis zu einem Jahr nun ohne Zustimmung der Gewerkschaft diktiert werden können!
Nur der Widerstand zählt!
In der Vergangenheit haben viele Gewerkschaften darauf gesetzt durch freiwillige Zustimmung zu Verschlechterungen, z.B. durch Flexibilisierung/Verlängerung von Arbeitszeiten, Reallohneinbußen..., “noch Schlimmers” zu verhindern. Ergebnis: Es wurde nur noch schlimmer! Trotzdem hält die Gewerkschaftsspitze weiter an diesem Ansatz fest – mit fatalen Konsequenzen. Der Betriebsrat der Bank-Austria ist in die Verhandlungen mit dem Management mit einem ganzen Katalog von Verschlechterungen eingestiegen. Es ginge lediglich um “Dimension und Augenmaß” (BRV Heidi Fuhrmann, Kompetenz 11/04). Ähnlich ist es mit dem “Österreich-Pensions”-Modell des ÖGB, das selbst auf massive Kürzungen hinausläuft (z.B. durch die Verlängerung des Durchrechnungszeitraums). Auch die Idee laufende, extrem polarisierte Konflikte primär auf die gerichtliche Ebene zu verlagern (Veloce, BA/CA), verzichtet auf die Mobilisierung und damit den notwendigen Selbstschutz der Betroffenen.
Für eine neue Streikkultur!
Im Jahr 2003 haben 10,4 Millionen Streikstunden einen absoluten Rekordwert in der Geschichte der 2. Republik bedeutet. Die Streiks waren der Beweis eines – trotz Mitgliederverlusten – ungebrochenen gewerkschaftlichen Widerstandspotential. Dort wo Streikende nicht einfach von oben durch die ÖGB-Spitze ein- und ausgeschaltet werden konnten, sondern man an der Basis über alle wichtigen Maßnahmen diskutierte und abstimmte – wie bei der AUA – waren Streiks am erfolgreichsten. Wir müssen aber auch aus anderen Fehlern die Lehre ziehen: Streiks müssen so breit wie möglich organisiert werden. Die Streikenden/Betroffenen selbst müssen auf der Straße – z.B. durch Demonstrationen, Verteilaktionen, öffentliche Diskussionen – ihre Anliegen sichtbar machen. Es gibt genug Menschen, die auf Signale zum Widerstand warten – Fritz Verzetnitsch und Co., worauf wartet ihr eigentlich?