Christlicher Fundamentalismus goes Parlament

Die immer häufigeren Aufmärsche der christlichen FundamentalistInnen suchen und haben Unterstützung in den Regierungsparteien
Sonja Grusch

Am Samstag den 16. Juni war es wieder soweit: In Wien fand die Regenbogenparade statt, ein lauter, bunter Umzug. Auch wenn die Wiener Regenbogenparade ohnehin nicht sehr politisch ist, sich der Teilnahme von führenden PolitikerInnen erfreut, die in ihrer Praxis nichts an der Diskriminierung geändert haben, und auch sonst versucht, möglichst unpolitisch aufzutreten – allein die Tatsache, dass die LGBTQI+ Community laut und selbstbewusst auf die Straße geht, ist für christliche FundamentalistInnen Grund ein Ärgernis. Wie schon seit mehreren Jahren hatten sie daher auch diesmal zum „Marsch für die Familie“ aufgerufen. Sie, das ist ein Zusammenschluss von erzreaktionären Gruppen, konservativen PolitikerInnen und rechts-rechtsaußen-Organisationen und -Personen. Immer wieder sind unter den TeilnehmerInnen auch (gewaltbereite) Rechtsextreme und Neofaschisten aufgefallen.

Fundis treten Menschenrechte mit Füßen

Das überschaubare Häufchen tritt gegen Aufklärungsunterricht, gegen Verhütung, gegen Kinderbetreuung, gegen Abtreibung sowie gegen gleichgeschlechtliche Partnerschaften auf. Die sozialistisch-feministische Initiative „Nicht mit mir“ organisierte eine Aktion am Stephansplatz. Rund zwei Stunden, bevor die der rechte Marsch dort vorbei kam, fand auf dem Platz eine Aktion für Frauen- und LGBTQI+-Rechte statt. RednerInnen forderten kostenlose Verhütung und Abtreibungsmöglichkeiten und stellten sich klar gegen die reaktionäre Politik der Bundesregierung. Mehrmals ertönte eine Sirene, die auf die tödlichen Folgen des – meist christlichen – Fundamentalismus hinwies: Menschen, die verfolgt und ermordet werden, weil sie gleichgeschlechtlichliche PartnerInnen haben, Frauen, die sterben müssen, weil ihnen der Zugang zu sicherer Abtreibung verwehrt wird. Mit Kreide gemalte Umrisse von Körpern symbolisierten diese Toten. Gemeinsam mit vielen, bunten Sprüchen wurde eine gut sichtbare Botschaft an die FundamentalistInnen hinterlassen. Diese traten wenig später – nicht nur symbolisch – elementare Menschenrechte mit Füßen!

Geht Regierung den polnischen Weg?

Weit über 100 Personen beteiligten sich – neben den unzähligen die bei der Regenbogenparade waren – an der Aktion von „Nicht mit mir“. Was klar ist: es wird nicht das letzte Mal gewesen sein. Am Freitag davor startete eine „parlamentarische Bürgerinitiative“, die den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen einschränken möchte. Diese „Initiative“ ist keineswegs „unabhängig“, sondern hier bündeln sich die Energien von katholischer Kirche, rechts-außen-Gruppen und frauenfeindlichen Organisationen. Die Erzdiözese Wien bewirbt das ganze bereits am Tag des Startes, was deutlich macht, dass die Kirche hier ihre Finger zumindest im Spiel hat. Wieder einmal wird unter dem Deckmantel des „Lebensschutzes“ versucht, Frauen auf eine Rolle als Mutter zu beschränken. Besonders verlogen ist es wenn genau dieselben Organisationen verantwortlich dafür sind, dass gerade in Österreich der Zugang und das Wissen über Verhütung gerade unter Jugendlichen besonders gering ist.

Ganz „zufällig“ passen die Punkte dieser Initiative auch zum Regierungsprogramm. ÖVP und FPÖ sind schon lange Bündnispartner der AbtreibungsgegnerInnen, stellen diesen Ressourcen zur Verfügung und unterstützen deren Aktivitäten. Die Regierung will den Zugang zu Abtreibung erschweren und Frauen aus dem Arbeitsleben in die Familie treiben – auch, um künftig noch mehr unbezahlte Arbeit zu verrichten, die durch die Kürzungen bei Bildung und Gesundheit anfällt. In Polen nutzte die Regierung eine solche „Initiative“, um dann gesetzliche Angriffe auf Frauenrechte durchzusetzen. Auch in Österreich ist zu beobachten, dass RegierungsvertreterInnen sich auf eine angebliche Stimmung in der Bevölkerung berufen (also ihnen genehme Postings etc.), um ihre reaktionären Pläne durch zu kriegen.

Bis 24. November sammeln die FundamentalistInnen für ihre „Initiative“. An diesem 24. November findet auch ihr nächster großer Aufmarsch statt. Der als „Marsch für das Leben“ bezeichnete Aufmarsch gegen Frauenrechte wird wohl noch mehr Unterstützung aus den Regierungsparteien und der Kirche bekommen als bisher.

„Nicht mit mir“, die SLP und viele andere Organisationen, die sich für Frauenrechte einsetzen und die verhindern wollen, dass in Österreich wieder Frauen auf Küchentischen verbluten, weil ihnen der Zugang zu einer sicheren Abtreibung verweigert wird, sind schon jetzt aktiv. Mach auch du mit – es geht um viel!

Hier gehts zu Nicht mit mir: https://www.facebook.com/nichtmitmir2014/