China vs. USA - Wer kann den Krieg verhindern?

Langfristig schwächt der Konflikt die herrschenden Klassen – was sie noch gefährlicher macht.
Christine Franz, Franz Neuhold, Jan Millonig, Karma Melt, Manuel Schwaiger, Serafina Reisinger

Das Wachstum des imperialistischen Staatskapitalismus Chinas darf nicht als Zeichen der Stärke des Regimes missgedeutet werden. Denn es sind innere Widersprüche, die die Expansion antreiben, und die sich dadurch langfristig noch verschärfen werden. Während Chinas Kapital auf der Suche nach profitablen Anlagemöglichkeiten ins Ausland drängt, lebt der Großteil der chinesischen Arbeiter*innen in bitterer Armut. Die Einkommensverteilung in China ist immer noch mit Kasachstan oder Mexiko vergleichbar. Obwohl es durch die wirtschaftliche Entwicklung gelungen ist, in den letzten Jahrzehnten massenhaft in extremer Armut lebende chinesische Bäuer*innen zumindest zu minimal konsumfähigen Arbeiter*innen zu heben, schlagen die sozialen Verheerungen der kapitalistischen Anarchie zunehmend zu. In Zhengzhou etwa – einem Produktionsstandort des Apple-Zulieferers Foxconn – beträgt die durchschnittliche monatliche Miete 4500 RMB, das Monatseinkommen der Arbeiter*innen liegt bei 5000 RMB. Die Folge: Während die Arbeiter*innen unter Elendsbedingungen hausen müssen, finden die Immobilienfirmen keine Mieter*innen. Solche Zustände bleiben nicht ohne Folgen. Zunehmend kommen rund um Themen wie demokratische Rechte, Feminismus, nationale Unterdrückung, Umwelt- und natürlich um soziale Fragen, Proteste und Streiks auf. Eine größer werdende Schicht an Arbeiter*innen und Studierenden erkennt die Kluft zwischen offizieller Staatsdoktrin und der kapitalistischen Realität. Sie suchen auch nach sozialistischen Antworten, worauf das Regime mit Verfolgung, Inhaftierung und Folter reagiert. Der Konflikt mit den USA stellt in diesem Kontext, etwa durch die Nutzung des „äußeren Feindes“ als Ablenkung, auch eine Art sozialen Puffer dar. Diese Strategie des Regimes von Diktator Xi Jinping ist auch innenpolitisch nicht ohne Risiko. Im Corona-Jahr 2020 wurden sowohl seine Außen- als auch Sozialpolitik von führenden Parteifunktionär*innen ungewöhnlich offen kritisiert. Zudem kommt es verstärkt zu nationalen Aufständen in Regionen wie Hong Kong, Tibet und Xinjiang, welche eine überaus große wirtschaftliche oder geostrategische Bedeutung haben.

Umgekehrt stellt ein aggressiver Kurs gegen China einen der wenigen Punkte dar, in denen sich Vertreter*innen der US-amerikanischen herrschenden Klasse, bei Demokraten wie Republikanern, einig sind. Der US-Imperialismus ist in einer Phase der Schwächung. Während Chinas Anteil am weltweiten BIP von 7% (2000) auf 19% (2019) stieg, sank jener der USA im selben Zeitraum von 30 auf 24%. Zentrale Elemente, die den Aufstieg des US-Imperialismus ermöglichten, wie technologische Überlegenheit, damals im Bereich der Fließbandproduktion, sowie erhebliche Wachstumsmöglichkeiten auf dem Binnenmarkt, sind längst verloren. Zudem führen innenpolitische Konflikte und eine militärische Überlastung durch die verlorenen Kriege der letzten Jahrzehnte zu einer Verminderung der Aktionsfähigkeit. Von der für eine weltweite Dominanz notwendigen politischen Einheit sind die USA weit entfernt. Während Trump die Spaltung sogar aggressiv vorantrieb, kann keine Maßnahme von Biden die tiefen sozialen Gräben und die massiven sozialen Probleme im reichsten Land der Welt lösen.

Für uns Marxist*innen ist klar, dass die Lösung bei keiner der „Seiten“ liegt, weil sie zur selben kapitalistischen Medaille gehören. Während China abgesehen von Hammer-und-Sichel-Folklore hardcore-kapitalistisch ist, tragen die USA Demokratie nur als hohle Phrase vor sich her, die fallen gelassen wird, sobald gute Geschäfte mit einer Diktatur gemacht werden können. Die geschädigten durch die Regime, den Kapitalismus und den Konflikt sind jeweils die Arbeiter*innen beider Seiten, sowie aller Länder dazwischen. Sie tragen die Kosten für Handelszölle vermittels Preisanstiege ebenso wie die Kosten für die Verschwendung von Ressourcen im Militär, die dringend etwa zur Bekämpfung von Klimawandel und sozialer Not gebraucht würden. Auch wenn ein voller direkter Krieg zwischen den beiden Großmächten unwahrscheinlich ist so betrifft ihr politisches, wirtschaftliches und auch militärisches Eingreifen jede Region der Welt. Direkt oder indirekt prallen sie in Myanmar, in Hong Kong etc. aufeinander.

Nur eine internationale Organisierung der Arbeiter*innenklasse kann der Konflikt- und Kriegstreiberei der herrschenden Klasse eine solidarische Alternative entgegensetzen. Die Internationale Sozialistische Alternative ISA ist nicht nur in Österreich, sondern in den USA, China und in über dreißig anderen Ländern aktiv. Während die Socialist Alternative der USA solidarisch für die Demokratiebewegung in Hong Kong marschierte, marschierte Socialist Action in Hong Kong solidarisch für die Black-Lives-Matter-Bewegung. Weltweit organisieren wir eine Kampagne gegen Repression und für demokratische und soziale Rechte in Hong Kong. Es sind nicht die Gipfeltreffen der Herrschenden und nicht die UNO, die Armut und Krieg beseitigen werden. Der Kern für ein menschliches, friedliches und sozialistisches Miteinander aller Menschen der Erde liegt in den Massenprotesten in Myanmar, den Streiks im Iran und den Straßenblockaden in Kolumbien. Schließ dich uns an! Weitere Infos unter: chinaworker.info/en und socialistalternative.org 

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