Belgien: Keine Gewinne auf Kosten unserer Leben!

Auf Basis mehrerer Berichte der ISA in Belgien PSL/LSP – www.socialisme.be

In Brüssel demonstrierten Beschäftigte für bessere Arbeitsbedingungen im Gesundheitsbereich

Am 13.9. nahmen in Brüssel mehr als 7.000 Menschen an einem Protest teil, der vom Aktivist*innennetzwerk „La santé en lutte“ (Gesundheit im Kampf) initiiert wurde. Es ging um die Arbeitsbedingungen im Gesundheitsbereich, die unter der Pandemie noch schlechter geworden sind. Diese Initiative entstand aus Aktionen in Spitälern, sowohl im öffentlichen, als auch im gemeinnützigen Sektor und organisiert Beschäftigte in- und außerhalb der Gewerkschaften sowie gewerkschaftsübergreifend. Dabei gelang es La santé en lutte, Betriebsrät*innen aus unterschiedlichen Sektoren des Gesundheitsbereichs, Beschäftigte, unter anderem Pflegekräfte, Hebammen, Ärzt*innen, Reinigungspersonal, Techniker*innen, Laborangestellte, Sanitäter*innen, Fachkräfte der häuslichen Pflege und Patient*innen zu erreichen und unter der Führung der kämpferischsten Schichten zusammenzubringen. Auf Druck aus dieser Basisstruktur musste auch die Gewerkschaftsführung zur Demonstration am 13.9. aufrufen, wenn auch ihre Mobilisierung zu wünschen übrigließ.

Karim Brikci ist Krankenträger im Spital, Vertreter der sozialdemokratischen Gewerkschaft in seinem Spital und einer der Koordinatoren von La santé en lutte (Gesundheit im Kampf). Er ist Mitglied der belgischen Schwesterpartei der SLP, Linkse Socialistiche Partij (LSP)‎/ Parti Socialiste de Lutte (PSL) und war auch einer der Koordinatoren der Demonstration am 13.9.. Für LSP/PSL hat diese Mobilisierung enorme Bedeutung und sie hat auch mit ihrer sozialistisch-feministischen Kampagne ROSA und der sozialistischen Studierendenorganisation ALS aktiv für die Großdemonstration mobilisiert. Z.B. bei den Streikposten einer Pflegeeinrichtung in Lüttich, wo es einen großen Corona-Ausbruch gab und Beschäftigte tagelang für sichere Arbeitsbedingungen streikten.

Die Behörden, allen voran der sozialdemokratische Bürgermeister Brüssels, wollten den Protest wegen Corona zuerst untersagen. Ein Brief, der von über 1.000 Beschäftigten aus dem Gesundheitsbereich unterzeichnet wurde, baute aber innerhalb weniger Tage Druck auf die Verantwortlichen aus, so dass die Demonstration unter Einhaltung von Sicherheitsmaßnahmen durchgeführt werden konnte. In Blocks zu je 400 Personen protestierten Beschäftigte aus dem Gesundheitsbereich: Die Frage von zu niedrigen Gehältern, schlechten Arbeitsbedingungen und steigender psychischer Belastung ist wenig überraschend auch in Belgien präsent.

Die Demonstration fand vor dem Hintergrund der tiefsten Wirtschaftskrise seit 100 Jahren statt. Es wird versucht, diese Krise auf die Beschäftigten abzuwälzen und die bereits schlechten Arbeitsbedingungen nochmals zu verschärfen. Aber nicht erst seit Corona ist der Gesundheitsbereich chronisch unterfinanziert. Die letzten 5 Jahre wurden in Belgien 2,3 Milliarden Euro im Gesundheitsbereich eingespart. Nach der Demonstration versprach die Regierung eine zusätzliche Milliarde. Ein Erfolg, aber in Anbetracht der vorangegangenen Kürzungen zu wenig!

Anlass für die Proteste waren auch die Pläne der flämischen Regierung, die plant, Personal auszugliedern und die Jobs zu prekarisieren. (Kommentar der Übersetzung: Wir erinnern uns an die Ausgliederung der Reinigungskräfte bei der Caritas in Österreich, die mit u.a. massiven Gehaltseinbußen für die betroffenen Kolleg*innen einherging). Die Basisinitiative La santé en lutte erreichte während des Lockdowns global Aufmerksamkeit für dieses Thema: Als im Mai die belgische Premierministerin ein Krankenhaus besuchte, drehten ihr die Beschäftigten demonstrativ den Rücken zu. Diese Aktion zwang die Regierung dazu, zwei angekündigte Verordnungen, die die Arbeitsbedingungen der Kolleg*innen weiter drastisch verschlechtert hätten, zurückzuziehen. Diese Dekrete hätten einerseits zur Folge gehabt, dass medizinisches Personal bei Engpässen jederzeit zur Arbeit gezwungen werden kann - unter Androhung von Geld- und sogar Haftstrafen. Andererseits war geplant, Aufgaben an nicht qualifizierte Berufsgruppen auszulagern.

La santé en lutte tritt für den Stopp der Kommerzialisierung ein, damit zu pflegende Menschen nicht fließbandmäßig versorgt werden. Weitere Forderungen sind eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn und Personalausgleich, ein Ende der Verwaltung, die Beschäftigte und Patient*innen nur als Zahlen und Statistiken sieht, die Senkung des Pensionsantrittsalters und Zugang zu angemessener Gesundheitsversorgung für alle, unabhängig ihrer Herkunft.

Die Demonstration vom 13.9. ist erst der Beginn dessen, was nötig sein wird, um einerseits die Angriffe des Kapitals, das uns für die Wirtschafts-, Gesundheits- und Klimakrise zahlen lassen will, zurückzuschlagen und andererseits in die Offensive zu gehen und auf allen Ebenen einen sozialistischen Wandel zu erkämpfen. Besonders die letzten Monate haben gezeigt, wer die Welt am Laufen hält. Nicht die, die die Gewinne einstreichen, sondern wir Beschäftigten.

 

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