Feministischer Streik in der Schweiz

von Jan Millonig

Am 14. Juni 2023 haben in der Schweiz nach 1991 und 2019 erneut hunderttausende am feministischen Streik teilgenommen. Alleine in Zürich kamen über 120.000 zur Demo. Die feministische Bewegung in der Schweiz meldete sich nach der Pandemie eindrücklich zurück.

Ihre Forderungen hatten einen starken Fokus auf Umverteilung von unten nach oben, Einkommensgerechtigkeit und Verbesserungen im Pensionssystem (auch als Antwort auf die kürzlich verabschiedete Pensionsreform). Gewerkschaften und ihre Forderungen waren ein bestimmender Faktor in der Organisation des Streiks. Gleichzeitig spielten auch Basisinitiativen wieder eine wichtige Rolle - die 2019 zentral bei der Organisierung und Durchsetzung des Streiks gewesen sind. Z.B. hielt die Initiative „Kinderbetreuer*innen in der Trotzphase“ Streikversammlungen in Kindergärten ab.

Aufgrund der Forderungen und nicht zuletzt auch der Kampfform Streik wandten sich bürgerliche Organisationen von diesem ab und diffamieren ihn medial, linke Gruppen würden den Streik „kapern“. Doch schon der feministische Streik 2019 war hauptsächlich von gewerkschaftlichen Strukturen und linken feministischen Gruppen initiiert und organisiert.

Starke Mobilisierung ums Thema Pflege

Die „fehlende Breite“, die von bürgerlichen Kräften bemängelt wurde, tat dem Aktionstag keinen Abbruch. 351.850 Frauen und solidarischen Menschen über die ganze Schweiz verteilt war klar, dass Forderungen nach Umverteilung und Kampf am Arbeitsplatz mit dem Kampf gegen Sexismus und Gewalt verbunden werden müssen. So formierten linke Organisationen gemeinsam mit Basisinitiativen einen riesigen CareBlock auf der Demo, der Milliarden für Sorgearbeit, bezahlbaren Wohnraum, genügend Platz in den Frauenhäusern und emanzipatorische Gewaltschutzprojekte statt für Bankenrettungsprogramme forderte.

Der diesjährige feministische Streik in der Schweiz zeigte in einer großen Dimension den Unterschied zwischen bürgerlichem und kämpferischem Feminismus auf. Zweiterem geht es um reale Verbesserungen in den Lebens- und Arbeitsbedingungen für Frauen (und darüber hinaus). Ihnen ist klar, dass sie selbst dafür kämpfen müssen, auch gegen den Widerstand von oben. Die anderen bewegen sich in den engen Spielregeln der etablierten Politik und geben sich mit symbolischen Gesten zufrieden. Hier zeigt sich, dass uns eine scheinbare „Breite“ letztlich schwächt und es besser wäre, die Debatte um die richtige Kampfstrategie auszutragen, um letztlich stärker zu sein und zu gewinnen. Der feministische Streik in der Schweiz ist auch ein Vorbild für Österreich und andere Länder: Durch Organisierung an der Basis und Druck von unten auf die Gewerkschaften ist es gelungen, einen großen Protesttag mit zahlreichen Streiks aufzubauen.

Gleichzeitig zeigt uns das Beispiel Schweiz aber auch, dass wir nicht bei einzelnen Aktionstagen stehen bleiben können, um unsere Forderungen durchzusetzen. Wir brauchen feministische Streiks als Teil einer ganzjährigen Kampfstrategie, um unsere Forderungen an die Politik und in den Betrieben umzusetzen. Dazu gehört auch eine Ausweitung der Streiktage selbst, um durch langfristige Organisierung an der Basis in den Betrieben, Nachbarschaften und Gewerkschaften sicherzustellen, dass tatsächliche Arbeitsniederlegungen in vielen Betrieben wie möglich stattfinden. 

 

Für feministische Streiks in Österreich

In Österreich haben ISA und ROSA Anträge zum feministischen Streik in die Gewerkschaften eingebracht, 2022 den ersten Schulstreik am 8. März organisiert und 2023 gemeinsam mit anderen aus dem Gesundheits- und Sozialbereich öffentliche Betriebsversammlungen organisiert. Werde mit uns aktiv, um den 8. März auch in Österreich zu einem feministischen Streiktag zu machen.

 

Foto: Feministischer Streik in der Schweiz 2019, Meyer & Kangangi, CC BY 4.0 

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