Föderalismus oder Zentralismus?

Der zentralistische Umbau von schwarz-blau führt zu Konflikten mit eigenen föderalistischen Strukturen
Stefan Brandl

Schwarz-Blau setzt, um den aktuellen Bedürfnissen des Kapitals nachzukommen, auf Zentralisierung, Einsparungen und Personalabbau. Das bringt sie in Widerspruch zu den eigenen föderalistischen Strukturen, die um die finanzielle Basis ihrer Macht fürchten.

Die traditionelle Schwäche des österreichischen Bürgertums ist Grundlage des Föderalismus. Gibt es keine starke, tonangebende herrschende Klasse, welche die Macht zentralisieren kann, kommt es zu Föderalismus und Aufteilung der Macht zwischen verschiedenen Teilen der Herrschenden. Daher liegen viele Entscheidungsgewalten bei den Bundesländern und Gemeinden. Kurz’ Versuch, Staat und Volkspartei zu zentralisieren, führt v.a. in Gegenden, wo sie immer noch eine schwarze Regionalpartei ist, zu Widersprüchen. Interne Konflikte können die Stabilität auch der Regierung erschüttern.

Zentral oder dezentral ist auch oft die Frage beim Kampf um Verbesserungen/gegen Verschlechterungen. Auf regionaler Ebene ist der unmittelbare Gegner greifbarer – Bürgermeister, Gemeinderat – und man kann direkter Druck aufbauen. Aber die eigentlich Verantwortlichen, die den Zugriff auf das Geld haben, sind oft viel weiter weg, nämlich in Landes- oder Bundesregierung und die lokalen Strukturen sehen sich selbst nur als „ausführendes“ Organ der Regierung, welches nur das macht, was „die da oben“ wollen. So oder so reden sich die Verantwortlichen aber auf eine andere Ebene aus und setzen kapitalistische Kürzungen um. Die Lösung ist nicht föderal oder zentral sondern Klassenkampf gegen die Politik der Reichen.


Stadt gegen Bund

Die Bundesregierung versucht mit der Reform der Mindestsicherung, die Ausgaben zu senken. Die Wiener Landesregierung weigert sich, die Reform umzusetzen.

FPÖ-Vizekanzler Strache kündigte bereits an, Kompetenzen durch den “Rechtsstaat” vom Land auf den Bund zu überführen. Abgesehen davon, dass die Stadt Wien selbst  kürzt, hofft man auf eine Einigung am Verhandlungstisch. 1983 zeigte die sozialistische Stadtregierung in Liverpool unter der Führung unserer Schwesterorganisation, wie man Widerstand gegen den Bund leisten kann. Nach einer Ära der Kürzungen gewann sie mit einem sozialistischen Programm klar die Wahl. Statt Illusionen in Verhandlungen zu haben, weigerte sich Liverpool, Kürzungen mitzutragen, mobilisierte die Arbeiter*innenklasse und erkämpfte 60 Millionen Pfund für Wohnungen, Kindergärten und Schulen.


 

Zentral gegen Kapital

Zentralismus und Demokratie werden oft fälschlicher Weise in Widerspruch zueinander gebracht. Doch eine sozialistische Regierung braucht beides: Sie braucht eine zentrale Planung der Wirtschaft, die Übernahme der Banken und die Schlüsselindustrie muss vergesellschaftet werden. Eine sozialistische Regierung könnte sich nicht regional gegen den Druck von z.B. EU und Weltbank stellen, sondern braucht dazu internationale Unterstützung aus der Arbeiter*innenklasse. Und sie braucht dazu die demokratischen Strukturen von unten, wo bis in den letzten Winkel des Landes die Menschen die Wirtschaft und die Gesellschaft selbst übernehmen und lenken.

Bei “Föderalismus oder Zentralismus?” geht es also nicht um mehr oder weniger Demokratie, sondern es ist eine Frage von Kräfteverhältnissen und konkreten Wegen,  Klasseninteressen durchzusetzen.