Schönwetterprojekt EU vor dem Aus?

Tilman M. Ruster

Mit der Wirtschaftskrise geriet die EU selbst in die Krise. Doch noch einmal zeigt die EU, wozu sie wirklich gut ist: Zum Durchdrücken von Wirtschaftsinteressen. Banken und Konzerne verstecken sich hinter EU und Euro, um absurde Schulden, z.B. aus Griechenland, selbst gegen den Willen der dortigen Regierungen, einzutreiben.

Der Flüchtlingsstrom bringt die EU jetzt noch mehr ins Schwanken. Mit dem Dublin III-Abkommen sollten Flüchtlinge spätestens in den ärmeren südeuropäischen Ländern aufgehalten werden. Dass dieses Abkommen zurzeit nicht funktioniert ist gut für Flüchtlinge, zeigt aber die politische Krise, in der die EU steckt. Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Krise stehen die verschiedenen herrschenden Klassen verstärkt in Konkurrenz um die kleiner werdenden Märkte. Die in Zeiten von Wachstum überdeckten Widersprüche brechen auf. Vor 2008 agierten die EU-Staaten stärker als Partner bei der Durchsetzung von gemeinsamen Kapitalinteressen außerhalb der EU oder gegen die ArbeiterInnen in der EU. Davon profitierten auch die Herrschenden in den ärmeren/schwächeren Ländern. Mit der Krise wurde die EU immer mehr ein Instrument der starken Staaten und ihrer herrschenden Klassen gegen die Schwächeren. Die Schließungen von Grenzen (gegen geltendes EU-Recht) gegen Flüchtlinge spiegelt die Zerrissenheit der EU und die unterschiedlichen Interessen wieder.

Doch während einerseits die EU zerfällt, arbeitet sie nach außen verstärkt militärisch zusammen. Gegen den IS oder Putin haben die Herrschenden gemeinsame Interessen. Spätestens wenn es um den lukrativen Wiederaufbau Syriens oder den Zugang zu russischem Gas geht werden diese Spannungen aber wieder aufleben.

Eine (Teil-) Auflösung der EU käme für MarxistInnen nicht überraschend. Denn der Kapitalismus kann – gerade wegen seiner Krisenhaftigkeit – die Nationalstaaten nicht überwinden. Wenn die Union der Herrschenden zerbricht bedeutet das aber keine automatische Verbesserung für die ArbeiterInnen Europas. Die nationalistischen „Lösungen“ der letzten Jahren brachten keine Verbesserungen - im Gegenteil. Wir brauchen eine neue Union, eine der ArbeiterInnen, geformt aus dem Widerstand. Wir brauchen die vereinigten sozialistischen Staaten von Europa!

 

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