Mi 01.05.2002
Die Wurzeln der extremen Rechten reichen auch in Frankreich bis weit in die Zeit vor 1945 zurück. Nach dem Sieg Deutschlands wurde das Land geteilt und im Süden eine “eigenständige” Regierung unter Marschall Petain mit Sitz in Vichy eingerichtet. Diese Regierung machte sich schlimmster Verbrechen gegen JüdInnen und Linke mitschuldig und wurde auch von nicht unwesentlichen Teilen der französischen Bourgeoisie gestützt.
Nach der totalen Niederlage des Faschismus in Europa, war Frankreich aber offiziell plötzlich eine Nation, die geschlossen in der “Resistance” gewesen war. General De Gaulle – der auch von den Kommunisten – unbestrittene reaktionäre Führer der französischen Exilregierung, baute nicht zuletzt auf diesem Mythos seine Macht auf. Es ist kein Zufall, dass der Neogaullist Chirac diese Traditionslinie “von der großen Nation und ihren republikanischen Werten” jetzt aufrgreift. An Vichy und Faschismus auch nur anzustreifen, war deshalb lange Zeit für Frankreichs Rechte fast unmöglich. Obwohl in den 50er Jahren rechtsextreme Bewegungen auftauchten, blieben sie ein politisch und zeitlich isoliertes Phänomen. General De Gaulles autoritäre, nationalistische und populistische Politik, war der breite Konsens der französischen Bourgeoisie, der keine Konkurrenten zuließ. Die damalige Zeit bedeutete trotzdem auch den Ursprung für das Wirken von Jean Marie Le Pen, der mit 51 weiteren Abgeordneten der “Poujade”-Bewegung 1956 ins Parlament einzog.
Diese Bewegung verschwand zwar nach ihrem relativen Mißerfolg (5,2%) bei den Präsidentschaftswahlen 1965 wieder in der Versenkung. Le Pen selbst war sowohl in den damaligen Kolonien Indochinas, wie vor allem in Algerien aktiv an Gemetzeln gegen die Zivilbevölkerung beteiligt. Für ihn und die extreme Rechte ist die Entlassung Algeriens in die Unabhängigkeit (nach einem Referendum 1962) bis heute der schlimmste Verrat. Die Front National wurde 1972 mit dem Anspruch gegründet, die Zersplitterung der nichtgaulistischen Rechten zu überwinden. Doch auch in Frankreich fand in den 70er Jahren die Polarisierung praktisch ausschließlich von Links statt: 1981 kam schließlich eine linke Koalitionsregierung unter Mitterand an die Macht, welche die Verstaatlichung der Schlüsselindustrien und Sozialismus versprach. Le Pen brachte damals nicht einmal die Unterschriften für seine Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen zusammen. Erst die Entäuschung über nichtgehaltene Versprechen dieser Regierung verhalf Le Pen zum Durchbruch: 1983 erhielt Le Pen bei der Regionalwahlen in Paris im 20. Bezirk 11.3 Prozent der Stimmen, 1983 in der Stadt Dreux 16.7 Prozent, 1986 bei Parlamentswahlen 9.8 Prozent und 1988 bei den Präsidentschaftswahlen 14.4 Prozent. Tatsächlich zeigt sich dadurch, dass Le Pen zwar ein alter Politiker ist; sein politischer Aufstieg fand aber durchaus im Gleichklang mit der extremen Rechten im übrigen Europa statt. Die Front National war immer eine Sammlungsbewegung der extremen Rechten, in der das Spektrum von Royalisten bis faschistischen Schlägertrupps (dem Parteiordnerdienst) reicht. In den 90er Jahren kam es in der Partei durch ihre relative Stagnation auf nationaler Ebenen (bei rund 10 Prozent) auf der einen und Regionalerfolgen (FN-Bürgermeister in mehreren Städten) auf der anderen Seite, zur Spaltung der Partei.
Einige Regionalpolitiker wie Mégret bevorzugten eine Strategie der Zusammenarbeit mit den Neogaullisten – auf nationaler Ebene lehnten das Le Pen (wie auch Chirac) allerdings ab. Gleichzeitig wurden die inhaltlichen Grenzen zwischen Le Pen und den Neogaullisten fließend. Vor allem der neugaullistische Innenminister Pasqua versuchte sich durch eine extrem rechte Politik gegen MigrantInnen und antieuropäische Aussagen als der besserer Le Pen zu präsentieren. Le Pens Durchbruch mag deshalb vielleicht jetzt überraschend kommen – angekündigt hat er sich schon lange. Die Ausgrenzung seiner Person wird in diesen Tagen von Versprechen Chiracs begleitet, Le Pens Forderungen nach innerer Sicherheit und Kampf gegen Migration zu erfüllen. Noch hat Front National weniger als 100.000 Mitglieder, davon einige hundert gewalttätige Schläger, professionelle Streikbrecher und ähnlichen Abschaum. In der Vergangenheit kam es bereits zu einzelnen Anschlägen und auch Morden gegen MigrantInnen und Linke. Die Front National ist eine Gefahr. Aber sie kann durch entschlossenes Handeln der AbeiterInnenbewegung jetzt gestoppt und zerschlagen werden.