Trump, China und das Elend des Kapitalismus

Franz Neuhold

Trumps angekündigter Protektionismus kann Wirtschaftswachstum verlangsamen und zu Rezession führen.

So plump Trumps strategische Neuausrichtung (Putin gut, China böse) scheinen mag; sie folgt bereits seit längerem laufenden Entwicklungen. Zwar befindet man sich mit Putin in mehreren Konflikten. Doch Russland droht nicht, die USA als wirtschaftlich UND militärisch führende Weltmacht abzulösen. China schon. In Teilbereichen ist dies bereits geschehen. Das US-Handelsdefizit gegenüber China beträgt 2016 satte 347 Milliarden US-$. Trump hat die chinesische Produktion von Konsumgütern und Industriewaren als Grund für den Verfall der US-Industrie genannt. Wesentlich ist jedoch, dass im kapitalistischen Konkurrenzkampf, welcher immer auf Kosten der ArbeiterInnen auf beiden Seiten geht, Chinas Diktatur mit (noch) niedrigeren Löhnen und schlechterem Lebensstandard die Nase vorn hat. Der US-Kapitalismus eifert dem nach und verstärkt die sozialen Widersprüche in den USA. Der vorhandene Unmut wird von oben mittels Nationalismus und anti-chinesischem Rassismus fehlgeleitet.

Die chinesische Währung Renminbi ist über einen automatisierten An- und Verkaufs-Mechanismus teilweise an den US-$ gebunden. Trumps Andeutungen bezüglich „Manipulationen“ mögen ein Versuch sein, sich für künftige Verhandlungen über eine Aufwertung des Renminbi in eine bessere Position zu bringen. Die chinesische Führung hat in letzter Zeit bereits verhindert, dass er zu stark fällt, was seine bislang gewonnene internationale Bedeutung untergraben hätte. Peking hat damit auf einen zusätzlichen Schub für Exporte verzichtet. Doch die von Trump gewollte deutliche Aufwertung der chinesischen Währung wird Peking nicht zulassen.

Während Trump den Scharfmacher gibt, versteht das chinesische Regime die vielfältigen Verstrickungen und gegenseitigen Abhängigkeiten der kapitalistischen Weltordnung besser. So hängt der Dollar maßgeblich von der Stabilität der chinesischen Wirtschaft ab. Nach der US-Notenbank matchen sich China und Japan als größte Gläubiger der USA. Der gigantische Berg an US-Staatsanleihen zwingt China andererseits, ein Absinken des Wertes dieser Schuldscheine verhindern zu müssen. Während der US-Präsident wirr twittert, ist Xi Jinping der besonnene Staatsmann und führend in der Verteidigung der kapitalistischen Globalisierung. Doch so abgeklärt China derzeit noch agiert; im Falle einer Eskalation eines Handelskrieges würden sich nach dem Motto „Auge um Auge“ Maßnahmen wie z.B. Strafzölle oder Importquoten auch gegen die US-Wirtschaft richten. Trump könnte mit seiner konfrontativen Politik einen Dominoeffekt bis tief in die globalen Finanzmärkte auslösen. Der vor einem großen Knall stehende Immobilien-Markt in den USA wird vermittels der Zinspolitik auch vom Volumen und Wert der chinesischen US-Anleihen beeinflusst. Ein Einbruch des ohnehin schon schwachen Wachstums der Weltwirtschaft (3,1% in 2016) könnte die Folge sein. Damit befände sich die uneingeschränkte Macht des US-Imperialismus endgültig in der Abwärtsspirale.

Europa steckt hier mittendrin. Laut Mercator-Stiftung bzw. ihrem auf China spezialisierten think-tank Merics, steigen die ausländischen Direktinvestitionen Chinas in Europa derzeit exponentiell an. Die aktuelle Studie prognostiziert die Zeitenwende: „Die neue Ära chinesischen Kapitals hat begonnen. Und die erste Welle trifft Europa bereits mit voller Wucht.“ Angesichts der Unwägbarkeiten mit Trump verwundert es auch nicht, dass das Institut im Interesse des EU-Kapitals den „Abschluss eines robusten bilateralen Investitionsabkommens“ fordert. Da wird Trump wohl wütend werden.

Größere militärische Konflikte zwischen USA und China bis hin zum offenen Krieg sind gegenwärtig (noch) unwahrscheinlich. Durchaus denkbar sind jedenfalls Stellvertretungs-Kriege in anderen Teilen der Welt, wo sich US-gestützte sowie chinesische Truppen gegenüberstehen. Auch darf die Dynamik der Aufrüstung in der Region nicht übersehen werden. Sechs der zehn wichtigsten Waffen-Importländer befinden sich im Umfeld Chinas. Die USA bereiten einen Ausbau der Kriegsschiff-Kapazitäten vor, welche besondere Bedeutung haben werden. Geographisch würden sich Kämpfe um einige von China beanspruchte winzige Inseln im Südchinesischen Meer oder Taiwan abspielen. Taiwan wird von China als abtrünniger Teil betrachtet. Trump hat hingegen mit mehreren Äußerungen die Akzeptanz dessen in Frage gestellt (und kurz danach alles wieder zurückgenommen). In jedem Fall würde jedoch eine kriegerische Auseinandersetzung bzw. die Mobilmachung im Südchinesischen Meer selbst die Kräfte der stärksten Militärmacht ausreizen.

Zum wiederholten Male beweisen die sich anbahnenden Krisen, dass im Rahmen des Kapitalismus keine dauerhaft friedliche und nachhaltige Entwicklung möglich ist. Selbst wenn eine Seite die andere besiegen würde, wäre dies für die ArbeiterInnen-Klassen auf allen Seiten fatal. Dementsprechend sollte man seine Anstrengungen nicht darauf richten, ob und wie die sogenannte Staatengemeinschaft eine weltweite kapitalistische Kernschmelze überhaupt managen könnte, sondern wie die arbeitenden Massen diesen Teufelskreis von kapitalistischer Ausbeutung und nationalistischer Aufwiegelung durchbrechen können.

Mehr Infos unter: http://chinaworker.info/en/

 

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