Streik der Bergleute schockt Polen

Zu Beginn des Jahres 2015 wurde Polen von zwei Streiks der Bergleute erschüttert.
Paul Newbury & Wojciech Orowiecki

Seit der Restauration des Kapitalismus 1989 ging die Beschäftigung im Bergbausektor von 390.000 auf 100.000 zurück. Die größte Zahl – mehr als 100.000 - war zwischen 1998-2002 entlassen worden. Die Bergleute mussten sich ständig gegen Angriffe auf ihre Jobs und sozialen Errungenschaften („Privilegien“) sowie gegen Privatisierung wehren. Die Bergleute, konzentriert in der Industrieregion Oberschlesien, gelten als die bestorganisierten Schichten der ArbeiterInnenklasse. Sie sind für ihre Unterstützung von sozialen Protesten (inklusive Frauen- und LGBT-Demonstrationen) bekannt.

Am 7.1. kündigte die Regierung an, das größte Kohleunternehmen (Kompania Weglowa) zu sanieren, das zu diesem Zeitpunkt mehrheitlich noch im Staatsbesitz war. Es beschäftigt mehr als 50.000 ArbeiterInnen. Der Plan beinhaltete die Schließung von vier Minen, Abbau von 5.000 ArbeiterInnen, und Öffnung des Unternehmens für den Markt. Die BergarbeiterInnen in Brzeszcze besetzten ihre Mine. Die Besetzung weitete sich rasch auf andere Minen aus. Weibliche Beschäftigte besetzten oberirdische Gebäude der Kompania Weglowa und organisierten tägliche Demonstrationen. Eine nie dagewesene Solidaritätswelle ging durch die Bevölkerung. Die Bevölkerung verstand, dass der Plan der Regierung Massenarbeitslosigkeit und Massenarmut bedeuten würde. Die Demos umfassten tausende Menschen. Die Polizei wagte nicht, zu intervenieren. In Umfragen unterstützen 68% die BergarbeiterInnen. Beschäftigte anderer Sektoren nahmen an den Demonstrationen teil. EisenbahnerInnen halfen bei Schienenblockaden in Katowice.

Am 20.1. sollten sich GewerkschaftsvertreterInnen verschiedener Industrien treffen, um über eine Ausdehnung des Protestes zu entscheiden. Das Gespenst des Generalstreiks ging um. Die Gewerkschaftsbürokratie drohte die Kontrolle zu verlieren. Am 17.1. unterzeichnete sie einen Deal mit der Regierung. Am Papier sollte keine Mine geschlossen werden, aber die Einigung beinhaltete die Aufteilung und einen Teil-Verkauf der Minen. Das ebnet den Weg zur Privatisierung. Bis 2020 sollen 10.000 Jobs gekürzt werden. Nun kündigten die Beschäftigten einer der Minen eine weitere Demonstration an.

Auch im zweitgrößten Bergbauunternehmen JSW, das zu 55% im Staatsbesitz ist und mehr als 26.000 Menschen beschäftigt, ist die Stimmung explosiv. Der Streik paralysierte alle sechs Minen. Der Grund waren Angriffe auf Löhne und Arbeitsbedingungen. Auslöser war aber die Entlassung von neun GewerkschafterInnen für Solidaritätsaktionen mit den Protesten bei der Kompania Weglowa. Diesmal war der Staatsapparat repressiver. Während einer Demo setzte die Polizei Tränengas, Wasserwerfer und Gummigeschosse ein und verletzte 20 Menschen. Das Gericht verurteilte den Streik als illegal. Wieder gab es einen faulen Deal: Die entlassenen AktivistInnen wurden wieder eingestellt und der verhasste Präsident des Betriebs musste zurücktreten. Aber Gewerkschaftsspitzen hatten Lohnkürzungen und einer Arbeitszeitverlängerung zugestimmt. Viele fühlten sich betrogen. Der Streik bei Kompania Weglowa dauerte zehn Tage, der bei JSW von 28.1. bis 15.2..

Beide „Einigungen“ lösen nicht die Probleme der polnischen Bergbauindustrie. Ein weiterer Ausbruch ist nur eine Frage der Zeit. Beschäftigte der Post, EisenbahnerInnen, KrankenpflegerInnen und andere wurden radikalisiert und drohen nun auch mit Streiks.

Alternatywa Socjalistyczna (CWI in Polen) hat die Streiks und Proteste mit aller Kraft unterstützt. Wir verteilten Flugblätter bei verschiedenen Betrieben in mehreren Städten. Viele ArbeiterInnen unterstützen die Streiks und sagten, es brauche ähnliche Aktionen in ihren Betrieben. Als wir bei den Stahlwerken in Warschau Flugblätter verteilten, haben ArbeiterInnen ihre Gewerkschaftsfahne geschwungen, um ihre Solidarität zu zeigen. Unsere Forderungen lauten: „Nein zum ‚Reformplan‘ der Regierung für den Bergbausektor. Für die Vorbereitung eines regionalen Generalstreiks und Aufbau von Druck für einen Generalstreik im ganzen Land. Verstaatlichung der Minen, des Bergbau- und Energiesektors unter ArbeiterInnenkontrolle und –verwaltung. Für demokratisch gewählte Streikkomitees in den Betrieben - Entscheidungen wie Beendigung oder Weiterführung des Streiks müssen von den ArbeiterInnen selbst getroffen werden. Öffnung der Firmenbücher der Minen und Prüfung der Profite der Energiebetriebe. Für demokratische Kontrolle über Energiepreise. Für einen demokratischen sozialistischen Plan der Wirtschaft, der nachhaltige Energietechnologien fördert und die Jobs der betroffenen ArbeiterInnen garantiert.“

 

Alternatywa Socjalistyczna 

http://wladzarobotnicza.pl

Erscheint in Zeitungsausgabe: