Streik bei der Berliner Charité

Streik im Krankenhaus: Erstmalig fordert Gewerkschaft ver.di Personalquoten per Kollektivvertrag
Sascha Stanicic, CWI Deutschland und aktiv im Bündnis „Berlinerinnen und Berliner für mehr Personal im Krankenhaus“

„Wir haben einen langen Atem, aber keine Geduld mehr!“ Mit diesem Satz sprach Carsten Becker den streikenden Beschäftigten von Europas größtem Universitätsklinikum, der Berliner Charité,

aus dem Herzen. Der Betriebsgruppensprecher der Gewerkschaft ver.di hatte vor 1.500 Beschäftigten und ihren UnterstützerInnen aus anderen Gewerkschaften, der Partei DIE LINKE etc. auf einer Demonstration am 28. April das Wort ergriffen, die den Abschluss von zwei historischen Warnstreiktagen darstellte.

Historisch, weil erstmals in einem deutschen Krankenhaus Beschäftigte streikten, um feste Personalquoten auf den Stationen und verbindliche Regelungen zum Gesundheitsschutz per Kollektivvertrag festzuschreiben. ver.di fordert, dass auf einer Normalstation eine Pflegekraft nicht mehr als fünf PatientInnen versorgen muss, im Intensivbereich nicht mehr als zwei, und dass keine Nachtschichten mehr alleine getätigt werden müssen.

Angesichts von 162.000 fehlenden Stellen in den Krankenhäusern der Republik, davon 70.000 in der Pflege, ist es höchste Zeit, dass solche Aktionen stattfinden. Die Gewerkschaft ver.di fordert, wie auch die Partei DIE LINKE, eine gesetzliche Personalbemessung in Krankenhäusern. Die Charité-Beschäftigten wollen nicht darauf warten, dass sich „die Politik“ bewegt und fordern einen entsprechenden Kollektivvertrag. Sie sind sicher, dass ein Erfolg ihres Kampfes auch dem Kampf für eine gesetzliche Regelung Rückenwind geben würde und sehen darin, zurecht, keinen Widerspruch.

Unterstützt werden die Charité-Beschäftigten wie schon bei früheren Streiks auch von außen, unter anderem vom Bündnis „Berlinerinnen und Berliner für mehr Personal im Krankenhaus“. Für dieses sprach auch SAV-Mitglied Lucy Redler auf der Demonstration. Sie zeigte überzeugend auf, dass das Dienstgeber-Argument des fehlenden Geldes zur Erfüllung der Forderungen vorgeschoben ist, angesichts von Milliardenausgaben für Bauruinen wie den neuen Berliner Flughafen BER oder die so genannte „Kanzler-Bahn“, einen Streckenabschnitt der Berliner U-Bahn, den niemand braucht. Schließlich ist die Charité eine Landesklinik und hängt es letztlich an politischen Entscheidungen, wie ihre finanzielle Ausstattung aussieht.

Der Dienstgeber wollte auch nach dem Ausstand, der zum Ausfall von fast allen Operationen und der Schließung von 500 Betten führte, die Forderungen nicht erfüllen. In einem typischen Versuch, die Belegschaft zu spalten, wurden nur Verbesserungen für die Intensivstationen angeboten. Die dort beschäftigten KollegInnen fallen darauf aber nicht herein und haben deutlich gemacht, dass sie bereit sind, so lange an Streiks teilzunehmen, bis Verbesserungen für alle Beschäftigten erreicht sind. Damit sind auch nicht nur die Pflegekräfte gemeint, sondern auch die vielen KollegInnen der nichtpflegerischen Bereiche, wie zum Beispiel der IT-Abteilung, die auch am Streik teilnahmen. Nun hat ver.di eine Urabstimmung über einen unbefristeten Ausstand eingeleitet. Unter den Gewerkschaftsmitgliedern besteht kein Zweifel, dass die Streikbereitschaft hoch ist. Das gilt auch für die Unterstützung unter PatientInnen und in der Bevölkerung. Der Kampagne-Slogan „Mehr von uns ist besser für Alle!“ bringt es auf den Punkt: hier geht es nicht nur um die Interessen der Beschäftigten, sondern auch um die Sicherheit für die PatientInnen.

Ein solcher Streik hätte zweifellos bundesweite, aber auch internationale Bedeutung. Viele gewerkschaftliche Betriebsgruppen aus dem Rest der Republik hatten Solidaritätserklärungen nach Berlin geschickt und deutlich gemacht, dass sie aus dem Kampf an der Charité Mut schöpfen, auch selber Kämpfe vorzubereiten. Da sich die Logik der Auseinandersetzung gegen die Kommerzialisierung des Gesundheitswesens und die Fallkostenpauschalen als Abrechnungsmechanismus wendet – was von den GewerkschafterInnen an der Charité bei jeder Gelegenheit betont wird – handelt es sich ohnehin um einen höchst politischen Kampf. Die Sozialistische Alternative (SAV) unterstützt seit vielen Jahren die Kämpfe der Charité-Beschäftigten. Über internationale Solidaritätsadressen, auch von der SLP, haben sich die Streikenden sehr gefreut und ihrerseits solidarische Grüße an die kämpfenden Pflegekräfte nach Österreich gesendet (siehe Foto).

www.sozialismus.info/category/themen/bundg/cfmstreik/ und www.mehr-krankenhauspersonal.de

 

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