Lohnsteuer: Schaut gut aus (?) - das dicke Ende kommt noch

Fünf Thesen nach einer ersten Betrachtung
Sonja Grusch

Nach vielen Monaten und Verhandlungen ist es soweit: Die Steuerreform steht. Die Regierung feiert sie ab, die Gewerkschaft ist zufrieden, die Opposition kritisiert. Doch wie sieht sie wirklich aus? 

  1. Ziel der Steuerreform war es nicht, die 900.000 Menschen, die für eine Lohnsteuerreform unterschrieben haben zufrieden zu stellen. Ziel war es, der gerade im letzten Jahr schwächelnden Wirtschaft, die grade mal stagniert, einen Turbo zu verpassen. Die SPÖ hat nicht ArbeitnehmerInneninteressen verteidigt, sondern im Sinne dessen, was „für die Wirtschaft“ gut ist Maßnahmen eingesetzt, die die Kaufkraft steigern sollen. Ein bisschen mehr Keynes also als bisher?! Tatsächlich entfällt der größte Teil der Steuerentlastung auf Lohnabhängige, wobei es dann mit der Gerechtigkeit auch schon wieder vorbei ist, da BezieherInnen höherer Einkommen viel mehr profitieren als jene mit niedrigen Einkommen (nicht nur in Euro, sondern auch prozentual profitieren die NiedriglohnbezieherInnen am wenigsten). Zur Armutsbekämpfung wird angesichts von Niedriglöhnen von unter 1000.-/Monat, Working poor und Mindestpensionen nicht reichen. Von einer Mindestpension z.B. von 872,31 kann man nicht leben. Eine Steuergutschrift von 110.-/Jahr (9,2 Euro pro Monat) sind nett, aber reichen nicht einmal, um die Heizkosten im Winter zu zahlen.

  2. Mehr als schwammig ist die Frage der „Gegenfinanzierung“. Wenig bis gar nichts müssen wirklich Vermögende und Unternehmen beitragen. Das große Jammern der WirtschaftsvertreterInnen darf nicht täuschen: Unternehmer bekommen ganz offiziell 500 Millionen des 4,9 Milliardenpaketes plus einem zusätzlichen Wirtschaftspaket von 200 Millionen. D.h.: schon in den letzten Jahren wurde die Wirtschaft „gefördert“ und „entlastet“ während wir ArbeitnehmerInnen für eine Krise zahlen mussten und müssen, die wir nicht verursacht haben. Die Steuerreform ändert an diesem Trend nichts. Die angebliche „soziale Heimatpartei“ FPÖ zeigt auch wieder deutlich, auf wessen Seite sie steht: FPÖ Hainbucher bekrittelt, dass nicht mehr in der Verwaltung (lies: bei den Beschäftigten im Öffentlichen Dienst) eingespart wird. Und beschwert sich dass der Versuch, Steuerbetrug zu reduzieren nur Unternehmen „drangsaliert“. Dass die wirklich Reichen und die Unternehmen kaum zur Kasse gebeten werden stört sie erwartungsgemäß nicht. Die Forderungen nach Reichensteuern hat die SPÖ wie eine heiße Kartoffel fallen lassen. Schon jetzt ist bekannt, dass Unternehmen Steuern und Sozialversicherungsabgaben in Milliardenhöhe hinterziehen – dagegen getan wurde nichts. Unklar ist z.B. ob zur Bekämpfung des Steuerbetrugs durch Unternehmen zusätzliche SteuerprüferInnen eingestellt werden. Wenn nicht, dann ist die Maßnahme das Papier nicht wert auf dem sie steht. Und der ganze Bereich der legalen Steuervermeidung – Stiftungsrecht etc. - bleiben unangetastet. Österreich ist auch nach dieser Steuerreform ein Steuerparadies für Reiche.

  3. Bestenfalls ein kurzes Aufatmen wird es durch Steuererleichterungen geben da dem Kürzungen gegenüber stehen. Im Visier sind u.a. der „ungerechtfertigte Bezug von Arbeitslosengeld“, das soll Millionen bringen. Auch die Mehrwertssteuererhöhung dient zur Finanzierung und ist extrem unsozial: Menschen mit niedrigem Einkommen trifft es besonders hart, wenn Kultur, Freizeit und Urlaub teurer werden – hier sollen 500 Millionen hereingeholt werden. Das größte Einsparungspotential wird bei Bildung und Verwaltung geortet (1 Milliarde). Das bedeutet im Klartext: Kürzungen durch die öffentliche Hand. Denn „Verwaltung“ ist ein Begriff, der zum Feindbild hochstilisiert wurde, aber doch v.a. Leistungen betrifft, die wir alle brauchen: bei Bildung, Gesundheit, Jugendschutz, Umwelt etc. Dieses Einsparungspotential wird durch zweierlei Ebenen erreicht werden: Erstens durch direkte Kürzungen bei Leistungen z.B. weniger Geld für Frauenhäuser, fürs Gesundheitswesen (siehe Spitalsreformen mit Betten- und ÄrztInnenkürzungen) etc. Das nicht bei der Anzahl und dem Einkommen der Spitzen der jeweiligen Institutionen, ihren Beraterfirmen und angeblichen „ExpertInnen“ gespart wird hat sich ja immer wieder gezeigt. Und zweitens durch Verlagerung der Aufgaben vom Bund auf die Länder wie es gerade im Bildungswesen diskutiert wird. Das spart kein Geld ein sondern verlagert das Problem nur auf eine andere Ebene. Schon jetzt liegt die Verantwortung für Soziales in weiten Bereichen bei Ländern und Gemeinden, die schon jetzt immer weniger Geld dafür haben. D.H. es mag zwar sein, dass der Bund dann weniger Ausgaben hat, doch Ländern und Gemeinden haben dann halt mehr – oder haben das Geld dafür eben nicht (was durch Hypo und Heta noch verstärkt wird) und kürzen. Das fällt dann halt nur im jeweiligen Bundesland auf und Widerstand soll so auch aufgesplittert werden.

  4. Das dicke Ende kommt aber noch – nämlich wenn klar wird, dass die diversen „Gegenfinanzierungen“ nicht halten und die Regierung die nächsten Sparmaßnahmen beschließt. Und die kommen mit Sicherheit (wenn sie nicht durch Bewegungen verhindert werden). Denn die Hoffnung, dass durch die Steuerreform die Wirtschaft angekurbelt werden wird ist eine trügerische. Die Krise des Kapitalismus ist eine grundlegende, nicht nur das Ergebnis einer falschen Wirtschaftspolitik. Abgesehen davon dass es fraglich ist, ob die minimal erhöhte Kaufkraft dazu überhaupt ausreicht, oder nicht eher zum Bezahlen von Schulden verwendet wird, reicht eine Konsumsteigerung alleine nicht um diese Krise zu bekämpfen. Der weltweiten Krise des Kapitalismus kann sich Österreich nicht entziehen – nicht mit, aber auch nicht ohne Steuerreform. Die Banken (und nicht nur die Hypo) sind nicht nur aufgrund ihres Osteuropa Geschäftes angeschlagen und die Exportabhängigkeit der heimischen Wirtschaft bleibt weiter ein Risikomoment.

  5. Der ÖGB erklärt „Ziel erreicht“ und lügt damit die eigene Mitgliedschaft an. Denn den steuerlichen Entlastungen stehen unmittelbare (Verwaltungsreform, Mehrwertsteuererhöhung) und kommende Kürzungen (bei Bildung, Gesundheit, Pensionen...) gegenüber. Über 900.000 Menschen haben für die Steuerreform unterschrieben – und nicht für ein neues Belastungspaket. Sie hätten mobilisiert werden können für eine echte Umverteilung. Und sie können auch noch mobilisiert werden, wenn die Kürzungen losgehen. Damit die Steuerreform nicht zum Sparpaket wird.