Di 30.01.2007
Nachdem der "Banker" Muhammad Yunus den Friedensnobelpreis erhalten hat, ist sein Konzept der Mikrokredite endgültig zum Darling der Entwicklungspolitik geworden. Menschen, die sonst keinen Zugang zu Krediten haben, erhalten Kleinstkredite, die über ein straff organisiertes Netzwerk von anderen KreditnehmerInnen verteilt, verwaltet und kontrolliert werden. NGOs, Regierungen und internationale Organisationen wie die UNO setzen auf Mikrokredite - das macht misstrauisch. Auffallend ist, dass es zwar eine Reihe herzerweichender Geschichten über Einzelschicksale gibt (Frau kriegt Mikrokredit, kauft Kuh, verkauft Milch, ist weniger arm und selbstbewusster) aber keine größere Bilanz des Konzepts.
Pyramidenspiel in die Schuldenfalle
Letztlich funktionieren Mikrokredite wie ein Pyramidenspiel. Oft müssen neue “Mitglieder” angeworben werden, um selbst einen Kredit zu bekommen. Kreditwürdig sind nur Menschen, die eine Chance haben, den Kredit zurück zu zahlen – wer z.B. arbeitsunfähig ist, kriegt keinen Kredit. Da die Kredite häufig aufgenommen werden, um ein akutes Finanzloch zu stopfen (Tod eines Angehörigen, Missernte) entstehen Schulden, denen keine künftigen Einnahmen gegenüberstehen. Oft wird die Kreditvergabe an Bedingungen geknüpft – z.B. in Indien daran, einen "Shop" zu eröffnen. Menschen werden angehalten, sich aus der Landwirtschaft zurückzuziehen und in den Dienstleistungssektor zu wechseln. Scheitert das Projekt – was oft genug der Fall ist, da es nicht mehr KundInnen gibt als bisher – dann stehen die KreditnehmerInnen ohne Land/Ernte aber mit Schulden da.
Mikrokredite als Geschäft für Banken
Mikrokredite sind eine gute neue Investitionsmöglichkeit für Banken. Die Zinsen liegen meist bei 30, 40 oder mehr Prozent pro Jahr. Der Großteil der Arbeit wird von den KreditnehmerInnen selbst geleistet. Das Risiko für die Bank ist gering, da das Pyramiden-System für Rückzahlungsraten von über 90% sorgt und es noch Ausfallshaftungen der jeweiligen Regierung gibt. Da wundert es auch nicht, dass sich profitorientierte Banken wie die Bank of India, die Weltbank-Tochter FTC, der Soros Economic Development Fund oder der resonsAbilityGlobal Microfinanc Fund (ein Fond an dem diverse schweizer Banken beteiligt sind) auf das offensichtlich lukrative Geschäft stürzen.
Trügerische Hoffnung
Die kritischen Untersuchungen zeigen, das Mikrokredite keinesfalls Armut beseitigen. Gerade Frauen werden häufig in die Verschuldung getrieben, an ihrer Abhängigkeit in patriachal geprägten Gesellschaften ändert sich nichts. Mikrokredite sind v.a. ein Propagandainstrument, um die sinkende "Entwicklungshilfe" der Staaten zu argumentieren und die Verantwortung des Kapitalismus mit dem zynischen Argument "Mikrokredite bieten jedem/r den Weg aus der Armut" zu leugnen.