Di 01.09.1998
Während immer mehr Frauen von Arbeitslosigkeit betroffen sind, wurden den Frauenberatungsstellen die finanziellen Mittel gekürzt. Ein Interview mit Anneliese Erdemgil-Brandstätter von der Beratungsstelle Kassandra.
Vorwärts: Was war das besondere an der Beratungsstelle Kassandra?
Das besondere an Institutionen wie Kassandra ist ihr frauen- und mädchenspezifischer Ansatz mit dem Hintergedanken, daß Probleme, die da sind, nicht individualisiert werden, sondern als gesellschaftliche und strukturelle Probleme gesehen werden. Nämlich daß Frauen eigentlich durchgehend in allen Lebensbereichen benachteiligt werden und daß sie tagtäglich Gewalt erfahren. Dieser Blick hinaus, das ist meine persönliche Erfahrung aus Beratungsgesprächen, ist für Frauen sehr entlastend, weil sie oft zu hören bekommen, daß sie selber schuld sind. Wichtig in diesen Einrichtungen ist auch, daß alle Frauen und Mädchen Zugang haben, daß es offene Einrichtungen sind.
V: Was hat sich verändert in der Arbeitsmarktpolitik?
Das AMS (Arbeitsmarktservice) wurde 94 aus der Bundesverwaltung ausgegliedert, das heißt es ist ein öffentlich rechtliches Unternehmen, das in etwa 4000 MitarbeiterInnen hat. Wir haben den Eindruck, daß das AMS ein Riesenkonzern ist, der anfängt, zu rationalisieren und das dort tut, wo sie denken, daß der Widerstand nicht so groß ist. Das AMS sagt zwar immer, es sind Umschichtungen oder Optimierungen, real sind es aber Kürzungen . Das jetzige AMS kürzt insbesondere im Bereich Frauen, Mädchen und Migrantinnen. Früher war es so, daß die Beratungsstellen in ihrer Gesamtheit finanziert worden sind. Jetzt kauft das AMS nur ganz bestimmte Leistungen und alle anderen Anliegen der Frauen werden nicht mehr finanziert.
V: Wie haben sich die Kürzungen ausgewirkt?
Bei Kassandra hat es einen Bereich gegeben für Mädchen in nicht traditionellen Berufen im handwerklich technischen Bereich. Das war der erste Bereich, wo die finanziellen Mittel gestrichen wurden, der zweite war dann in der arbeitsmarktpolitischen Beratung für Frauen und dann war im letzten Jahr alles weg. Zusätzlich gibt es immer mehr Kontrolle und Einflußnahme. Wir hatten Auseinandersetzungen über Datenschutz und Freiwilligkeit. Das sind beides Kriterien der Einrichtung. Wir wollen nicht, daß die Frauen und Mädchen unter Zwang zur Beratung kommen, weil sie sonst keine finanzielle Unterstützung mehr bekommen. Es ist eine Machtfrage, wenn uns das AMS vorschreibt, eure Vermittlungsquote muß so und so hoch sein und Informationen über die Frauen will. Sie bestimmen, was Effizienz ist, sie bestimmen, was Qualität ist und das heißt auch, daß die Frauen mit diesen Vorgaben nicht mehr freiwillig kommen können und wir sie nicht mehr umfassend beraten können. Von Regierungsseite wird ständig betont, wir müssen die Benachteiligung und Diskriminierung von Frauen abbauen, das widerspricht dem allen ja, diese Worte werden zu einer Farce. Es wird eine Sparpolitik auf dem Rücken der Frauen ausgetragen, die Frauen immer mehr in die Armut drängt.
Wir sind nicht hier, um Pflaster zu sein für eine fehlgeleitete Politik, die eigentlich ignorant ist in vielen politischen Entscheidungen. Es nützt nichts, wenn wir still sind mit dem Glauben wir kriegen dann finanzielle Mittel. Denn wenn wir nicht laut sind und kämpfen für das, was uns zusteht, bekommen wir letztendlich gar nichts.