Die Rolle des österreichischen Imperialismus am Balkan

Die österreichische Wirtschaft ist zentral verantwortlich für die Ausbeutung der Menschen auf dem Balkan, an der Produktion von Armut und Flüchtlingen
Sonja Grusch

„Österreich“ ist aktiv am Balkan. Und zwar wirtschaftlich, militärische und politisch. Es geht also nicht nur um Rolle des österreichischen Kapitals, der Unternehmen und Banken. Sondern es geht um die Rolle des österreichischen Imperialismus und hier ganz zentral um die Rolle des Finanzkapitals (siehe Hypo & Co.!). Und es geht um die politische Unterstützung der Interessen des Kapitals durch die österreichische Politik.

Die Geschichte des österreichischen Imperialismus ist eine lange

Die Rolle Österreichs am Balkan geht lange zurück. Die österreichische Monarchie hatte ja kaum Kolonien und auch deshalb wurden die Länder und Regionen des Balkan de facto als Kolonie genutzt bzw. missbraucht. In diesem Zusammenhang kam es 1908 zur Annexion Bosniens durch Österreichs – wodurch Österreich die Welt auch an den Rand eines Weltkrieges führte. Die Monarchie verfolgte politische und wirtschaftliche Interesse, Interessen die sie auch in Konflikt mit anderen imperialistischen Staaten brachte – wie z.B. mit Russland das seinerseits den Balkanbund rund um Serbien unterstützt hatte.

Diese Situation war auch eine der zentralen Ursachen für die sogenannten Balkankriege 1912/13 die am Vorabend des 1.Weltkriegs stattfanden. In Folge hatte Österreich auch die Entstehung des Staates Albanien unterstützt. Natürlich ging es schon damals nicht um das Selbstbestimmungsrecht der Nationen, sondern um eine Teile-und-Herrsche-Politik. Den Anspruch auf die ehemaligen Kronländer hat die herrschende Klasse in Österreich nie wirklich aufgegeben. So führten die Austrofaschisten den Doppeladler (der nun wieder auch nach Osten blickte) wieder als Staatswappen ein. Dieses Zündeln mit nationalen Spannungen war auch ein Charakteristikum der österreichischen Außenpolitik in den 1980er und 1990er Jahren.

Der Einfluss des österreichischen Imperialismus am Balkan wurde durch die Entstehung des titoistischen Jugoslawiens stark eingeschränkt. Zwar gab es umfangreiche Handelsverbindungen und -Verträge und auch sonst viel Austausch durch einerseits viele JugoslawInnen, die in Österreich arbeiteten bzw. viele ÖsterreicherInnen die in Jugoslawien Urlaub machten. Aber direkten und. v.a. auch politischen Einfluss hatte das österreichische Kapital keinen mehr – aus seiner Sicht ein schmerzlicher Verlust.

Das österreichische Kapital wittert seine Chance

Doch ab den 1980er Jahren verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage Jugoslawiens. Das stalinistische Modell von Jugoslawien stieß an seine Grenzen. Zwar war der Titoismus aufgrund des Partisanenkampfes weniger abgehoben und weniger importiert als der Stalinismus in den verschiedenen osteuropäischen Staaten, doch die die „ArbeiterInnenselbstverwaltung“ war mehr Propaganda und Verlagerung der wirtschaftlichen Probleme auf die betriebliche Ebene als eine echte Kontrolle und Verwaltung der Wirtschaft. Auch die Nationale Frage war nicht gelöst, sondern nur überdeckt worden. Und als die wirtschaftlichen Probleme zunahmen brach diese wieder verstärkt auf. (Mehr unter: http://www.slp.at/artikel/was-tun-mit-titos-erbe-4802)

Das österreichische Kapital sah seine Chance gekommen. Tatsächlich war die österreichische „Diplomatie“ eine der Ersten, die den Zerfallsprozess Jugoslawiens aktiv unterstützte und nationalistische Tendenzen vorantrieb. Alois Mock, damals führender österreichischer Politiker (ÖVP), preschte vor. Er war ein „guter“ Vertreter der Interessen des österreichischen Kapitals und war bestrebt, im kommenden Prozess der kapitalistischen Restauration dem österreichischen Kapital einen Startvorteil zu verschaffen. Die Hypo Alpen Adria Bank dürfte neben vieler anderer windiger Geschäfte auch in die Finanzierung von Waffenkäufen in den Balkankriegen der 1990er Jahre gespielt haben. Der damalige ÖVP-Verteidigungsminister Fasslabend stellte 1993 klar: „Mit der Zersplitterung des bisher weitgehend einheitlich agierenden ehemals kommunistischen Staatenverbandes in unterschiedliche Ziele verfolgende Nationalstaaten und als Konsequenz der Staatenteilung in der nordöstlichen, östlichen und südlichen Nachbarschaft erfährt Österreichs regionale Stellung in Mitteleuropa insgesamt eine nicht unbeträchtliche Veränderung. Daraus entsteht die Möglichkeit, dass Österreich politisch, kulturell und ökonomisch verstärkt in den ostmittel- und südosteuropäischen Raum hineinwirkt und dadurch seine vitalen sicherheitspolitischen Interessen – erstmals seit 1955 – aktiv bzw. präventiv in dieser Region zum Tragen bringt.“

Was ist Imperialismus?

Mit dem Begriff Imperialismus wird oft recht inflationär umgegangen. Viele verwenden ihn v.a. dann, wenn es um den militärischen Einfluss bzw. die militärische Intervention großer Staaten (USA, Deutschland etc.) geht. Doch das „höchste Stadium des Kapitalismus“ (Lenin) ist mehr. Es geht beim Imperialismus im wesentlichen um die Konzentration des Kapitals, die Monopolbildung und die Verschmelzung von Bank- und Industriekapital zum Finanzkapital. Und es geht um die territoriale Ausbreitung des Kapitalismus – nämlich über die ganze Welt als vorherrschende Wirtschaftsform. Eine vollständige Aufteilung der Welt unter den imperialistischen Staaten – als Kolonien oder als Einflusssphären – ist abgeschlossen. Es gibt keine weißen Flecken mehr auf der Landkarte, die sich ein imperialistisches Land unter den Nagel reißen kann. Doch Kapital muss expandieren sonst geht es unter, das heißt es muss auch territorial expandieren, seine Einflusssphäre ausbauen. Das bedeutet dann praktisch auch den Export von Kapital, und dieser Kapitalexport wird zunehmend wichtiger als der Warenexport.

Österreich ist zwar klein, aber es ist dennoch ein imperialistisches Land. Und zwar sowohl historisch (auch wenn der österreichische Kapitalismus eine verspätete Entwicklung durchlaufen hat) als auch aktuell. Der österreichische Imperialismus tritt nicht primär militärische auf, sondern v.a. wirtschaftlich und politisch. So eben auch als treibende Kraft im Zerfallsprozess Jugoslawiens. Mock hatte 1991 auf die Anerkennung von Slowenien und Kroatien gedrängt. Die erste Einladung des neuen kroatischen Präsidenten Tudjman ins Ausland war nach Österreich. Es war zwar keine offizielle staatliche Einladung, aber de facto doch, da er quasi auf Einladung der Industriellenvereinigung kam. Und diese Industriellenvereinigung ist die Vertretung der offensivsten, modernsten und aggressivsten Teile des österreichischen Kapitals. Das österreichische Kapital hat seine Interessen immer auch militärisch vertreten: seit 1960 waren über 100.000 SoldatInnen in rund 100 Auslandsmissionen unterwegs. Für das österreichische Bundesheer ist der Balkan seit längerem „Schwerpunkt“. Der bei weitem größte Anteil der im Ausland stationierten österreichischen SoldatInnen sind auf dem Balkan, und zwar rund 900. In einigen Gebieten stellen die als „Friedenstruppen“ deklarierten österreichischen Interventionstruppen – trotz der Kleinheit des österreichischen Militärs – relativ und absolut die größten Kontingente. Und laut SPÖ-Verteidigungsminister Klug hat Österreich z.B. in Bosnien-Herzegowina (BIH) eine „besondere Verantwortung“. Das Ziel der Bundesregierung ist daher auch die Aufstockung der in den Balkan geschickten Truppen auf 1100.

Balkan als Rettungsanker fürs österreichische Kapital

Was war der wirtschaftliche Rahmen vor dem das österreichische Kapital intervenierte? Seit den 1980er Jahren war der Nachkriegsaufschwung vorbei. Die profitablen Investitionsfelder für das Kapital wurden rar. Es kam zu einer Überakkumulation – d.h. es war zu viel Geld da, um es profitabel zu investieren. Für das Kapital stellte sich die Frage: wo investieren? Hier war eines der neu zu erschließenden Felder in den jeweiligen Heimatstaaten – konkret wurden bisher staatliche Bereiche im Zuge der neoliberalen Wende privatisiert und so boten Gesundheit, Bildung etc. neue Anlagemöglichkeiten. Außerdem mussten auch außerhalb, in anderen Ländern, neue Märkte gefunden werden. Und so kam es zu einem Wettrennen darum, wer als erster in den neuen Märkten in Südost- und Osteuropa seine Marker setzen konnte. Dieses Wettrennen ist auch der Hintergrund für die unterschiedlichen Interessen von z.B. Österreich, Frankreich, Britannien, USA etc. am Balkan.

Krieg verzögert den Prozess

Die ungelöste Nationale Frage, neu angeheizt auch durch den Imperialismus, führte in den 1990er Jahren zu den blutigen Balkankriegen. Österreich hatte den Zerfallsprozess beschleunigt und forciert und damit auch den Krieg provoziert bzw. in Kauf genommen. Neben den unzähligen Toten führte das auch zu einer Fluchtwelle, die teilweise, aufgrund der völligen Zerstörung mancher Regionen bzw. den ethnischen Säuberungen, bis heute anhält. 115.000 Flüchtlinge kamen damals nach Österreich und über 60.000 sind auch geblieben. Heute wird argumentiert, das Flüchtlinge vom Balkan kein Recht auf Asyl hätten, weil ja kein Krieg mehr herrschen würde. Dass es massive Diskriminierung von z.B. Roma, ethnisch gesäuberte Regionen, Arbeitslosenraten von bis zu 80-90% gibt, und dass daran der österreichische Imperialismus zumindest eine Mitschuld hat, wird von jenen verschwiegen, die z.B. Kinder, die in Österreich geboren wurden auf den Balkan „zurück“ abschieben (wollen).

Diese Kriege waren – abgesehen von der Kriegsindustrie – natürlich nicht im direkten Interessen des Kapitals, auch weil der Privatisierungsprozess, der Restaurationsprozess des Kapitalismus insgesamt, dadurch verzögert wurde. Am dramatischsten zeigte sich das in Bosnien und Herzegowina (BIH). Der Privatisierungsprozess begann 1989 noch in Jugoslawien unter Ministerpräsident Ante Markovic. Unter seiner Regierung wurde 1989 das neue Unternehmensgesetz erlassen, dass die Abschaffung der „Grundstrukturen gemeinschaftlicher Arbeit“ vorsah und die Privatisierungen in den unterschiedlichen Teilen Jugoslawiens begann. Durch die Kriege, teilweise auch durch die folgende Isolation Serbiens, wurde dieser Prozess aber teilweise verzögert und z.B. in BIH erst nach der Jahrtausendwende wieder aufgenommen.

Aber das Kapital, das österreichische wie das internationale, hatte von Anfang an Pläne für den Balkan.

Re-Kolonialisierung des Balkan

In schönen Reden und Hochglanzfaltern erklären die österreichischen Firmen und PolitikerInnen wie sehr ihnen daran liegt, am Balkan zu helfen. Geradezu selbstlos präsentieren sie sich dabei. Doch das ist alles nur Propaganda. Es geht ausschließlich um Geld und Einfluss. Und dabei ist das österreichische Kapital ebenso brutal wie jedes andere. Es geht noch nicht einmal darum, auf dem Balkan eine gleichberechtigten starken Kapitalismus aufzubauen, sondern der ganze Prozess hat starke Elemente einer Re-Kolonialisierung. Verstärkt wird dieser Prozess durch die Krise der Weltwirtschaft.

Von Anfang an hatten die Organisationen des internationalen Kapitals ihre Finger im Spiel und konkrete Pläne für neoliberale „Reformen“, also die Umsetzung von für das internationale Kapital optimalen Rahmenbedingungen: Weltbank, UNO, OECD und EU. Die EU z.B. gründete 1991 die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD). Deren Ziel war es, den Übergang zur Marktwirtschaft, also zum Kapitalismus, zu „unterstützen“. Auch hier ging es nicht darum, den Lebensstandard der Menschen, die soziale Sicherheit bei Gesundheit, Job, Wohnen, Pensionen, Bildung etc. zu erhalten und auszubauen. Sondern es ging um die Interessen des ausländischen Kapitals. Österreichs Unternehmen gehören zu den größten Profiteuren der Tätigkeit dieser Bank und haben 2008-13 Aufträge über 348 Millionen Euro durch die EBRD lukriert.

Auch beim EU-Beitritt (z.B. von Slowenien oder Kroatien) oder bei den Verhandlungen über einen EU-Beitritt der anderen geht es darum, diese Märkte und Investitionsfelder für die EU zu sichern.

Hinzu kommen scharfe Kreditbedingungen (ähnlich wie in Griechenland) gegenüber den Balkanstaaten, wo das internationale Kapital über die Kreditebene seine Interessen durchdrückt. So muss z.B. Serbien aktuell mindestens 500 Firmen privatisieren (bzw. in die Insolvenz schicken) um weitere IWF-Kredite zu erhalten. Berater der konservativen Regierung in Serbien bei den Angriffen aufs Sozial-, Gesundheits- und Pensionssystem in Serbien sind übrigens die „Sozialdemokraten“ Blair und Gusenbauer...

Die neoliberalen Angriffe auf die ArbeiterInnenklasse werden mit massiver Aggressivität vorangetrieben: aufgrund der hohen Abhängigkeit von westlichen „Partnern“ werden Bedingungen durchgedrückt und damit auch eine Dumpingspirale zwischen den verschiedenen Balkanstaaten angetrieben.

Die Weltbank listet Mazedonien unter den Top 5 der weltweiten Reformstaaten. Es gibt die unternehmens- und reichenfreundliche Flat Tax, die z.B. bei der Körperschaftssteuer im Fall einer Reinvestition wegfällt. Auch haben diverse Balkanstaaten verschiedene Freihandelsabkommen abgeschlossen. Damit stellen sie auch ein Sprungbrett in andere Märkte dar. So haben z.B österreichische Unternehmen, die am Balkan aktiv sind, durch Freihandelsabkommen dieser Staaten leichteren Zugang zu einem Markt von bis zu 650 Millionen KonsumentInnen. Und zwar ohne lästige Beschränkungen, wie es sie in Österreich gibt. Firmengründungen sind laut Werbung in Mazedonien in gerade einmal vier Stunden möglich! Hier gibt es „mehr Chancen, größere Möglichkeiten und viel mehr Freiraum“ wird zum Anlocken von Unternehmen gepriesen. Freiraum z.B. in Bezug auf Arbeitsschutzbedingungen, aber auch in Bezug auf Umweltschutz.

Der Konflikt EU-Russland (u.a. um die Ukraine) führt dazu, dass z.B. die Energiefrage zentraler wird: Der Balkan präsentiert sich als zunehmend wichtiger Energielieferant für Europa. Es werden neue Wasserkraftwerke errichtet, in Fracking investiert und in Öl- und Gasfelder in Albanien. Vorhaben, für die in Westeuropa die gesetzlichen Grundlagen fehlen würden. Auch hier ist Österreich führend, z.B. durch den „Hohen Repräsentanten“ in BiH – ein Österreicher, der de facto Stadthalter mit diktatorischen Rechten ist.

Das österreichische Kapital ist dominant am Balkan

Wie eingangs angeführt leidet das Kapital am Problem der Überakkumulation. Der Balkan bot hier einen (scheinbaren und bestenfalls vorübergehenden) Ausweg: 2003 lag die Rendite von Investitionen am Balkan bei knapp 10%, in Österreich bei knapp 4%. Österreich war und ist in vielen Bereichen der größte Investor: In Slowenien stammen 47,8% der Investitionen aus Österreich, im Gegenzug ist das Land der größter Abnehmer pro Kopf von österreichischen Produkten – insgesamt kommen 12% der slowenischen Importe aus Österreich. In Kroatien liegt der Investitionsanteil bei 34,3% und es sind ca. 750 österreichische Firmen involviert. In BiH stellt österreichisches Kapital 23,8% und in Serbien 17,4% der Investitionen, in zweiteren haben rund 470 Firmen ihre Finger im Spiel.

Und es geht auch klassisch imperialistisch zu, denn es herrscht ein ungleicher Wirtschaftsaustausch: Während der Balkan ein extrem wichtiger Wirtschaftspartner fürs österreichische Kapital ist, dort investiert und Gewinne macht gehen nur 0,8% aller österreichischen Warenexporte auf den Balkan. Das liegt nicht nur an der Kleinheit des Marktes „Balkan“, sondern v.a. auch an der Form der Wirtschaftsbeziehungen. Es ist nämlich v.a. der österreichische Finanzsektor, der hier investiert.

Österreich hält 85% des Finanzsektors in BiH (z.B. Raika 30%, Erste 8%). Das Beispiel Hypo zeigt wie hier überschüssiges Finanzkapital angelegt und mit welchen Mitteln. Dabei geht es nicht um Investitionen zum Aufbau der Wirtschaft. Das wäre aus Sicht des ausländischen Kapitals auch widersinnig: wozu auch Konkurrenz aufbauen, wo doch ohnehin schon Überproduktion herrscht! Die Finanzinvestionen hatten neben der Aufgabe, eine Anlagemöglichkeit für überschüssiges Kapital zu schaffen v.a. auch die Aufgabe, den Konsum vor Ort anzukurbeln. Die Vergabe von Konsumkrediten machte einen wichtigen Geschäftsbereich der Banken aus und wurde mit allen möglichen Mitteln betrieben. Die Hypo mag hier besonders korrupt vorgegangen sein (und zwar sowohl in Österreich als auch am Balkan). Doch Korruption gehört(e) zum Handwerkszeug aller involvierten Firmen.

Der Kapitalismus in Osteuropa und am Balkan ist ein „Mafiakapitalismus“, besonders korrupt, diktatorisch, inhuman. Die Ursache dafür liegt in einer schwachen Bourgeoise in Folge einer verspäteten kapitalistischen Entwicklung (mehr dazu bei Trotzki: Die permanente Revolution). Es ist nicht, wie gerne behauptet wird eine „Mentalitätsfrage“. Das zeigt sich schon daran, das ausländische Firmen, und dazu gehören in vorderster Front auch österreichische, nicht nur nicht mitmachen oder dagegen vorgehen, sondern im Gegenteil aktiver Teil dieses besonders mafiösen Kapitalismus sind. Z.B. zeigen Untersuchungen sehr deutlich, dass in den Firmen mit westlichen Besitzern oder ManagerInnen nicht etwa die (noch) höheren westlichen Standards (beim Umgang mit den Beschäftigten, Zahlungsmoral, Umweltschutz etc.) übernommen werden, sondern man sich an den niedrigeren Standards erfreut bzw. sie eingefordert.

Die Friedrich-Ebert-Stiftung weißt z.B. darauf hin, dass in BiH in den meisten privatisierten bzw. ausländischen Betrieben gewerkschaftliche Rechte und grundlegende Rechte der Beschäftigten nicht respektiert werden.

All das hat dramatische sozialen Folgen in der Region: In BiH leben rund 60% leben um oder unter der Armutsgrenze von mageren 250.- Euro, Viele verdienen sogar weniger als 50.- Euro/Monat. Nur 60% haben hier noch eine Krankenversicherung, Viele bekommen monatelang ihre Löhne nicht ausbezahlt bzw. kommen nach Jahren darauf, dass die Firma Sozialversicherungsbeiträge einfach nicht abgeführt hat.

In Kroatien hat sich der Anteil von Kindern, die in Armut leben von 2008-12 fast verdoppelt auf 27,6%. In Serbien arbeiten 500.000 Menschen für den Mindestlohn von 1 Euro pro Stunde (liegt unter der Armutsgrenze). Die Beispiele der sozialen Notlage ließen sich fortsetzen, doch am dramatischsten ist die Lage für Minderheiten, insbesondere für Roma. Angesichts einer solchen Situation lapidar von „Wirtschaftsflüchtlingen“ zu reden ist mehr als zynisch.

Durch den „Transformationsprozess“, also die Wiedereinführung des Kapitalismus mit all seinen Folgen hat der Balkan seit 1991 die unglaubliche Zahl von sieben Millionen Menschen weniger – durch Krieg, Flucht, Emigration und niedrigere Geburtenraten. Das alles ist die Folge der imperialistischen Politik und der noch weiteren Verschärfung der Ausbeutung als Folge der kapitalistischen Krise. Und das österreichische Kapital ist und war hier führend dabei.

Diese Verantwortung von Firmen und Politik, von Staat und Wirtschaft aus Österreich aufzuzeigen ist zentral. Die Lösung der immer stärkeren Probleme am Balkan selbst aber auch in Österreich liegt nicht in einem „unsere Leute zuerst“ Nationalismus, sondern muss die gemeinsamen Interessen von österreichischen und KollegInnen vom aber auch auf dem Balkan hervor streichen. Könnte die österreichische ArbeiterInnenklasse nicht durch die aus den Menschen am Balkan heraus gepressten Extraprofite mehr Geld für die ArbeiterInnenklasse in Österreich haben? Eine kurzsichtige Betrachtung, da die Abwärtsspirale bei Löhnen, Arbeitsschutzbestimmungen und Umweltauflagen nicht vor der österreichischen Grenze halt macht. Wird jenseits der Grenze gedumpt steigt der Druck auch hierzulande billiger zu Arbeiten – um „Konkurrenzfähig“ zu bleiben. Gerade auch deshalb ist es oberste Aufgabe der Gewerkschaften sowohl KollegInnen mit Migrationshintergrund aktiv in die Gewerkschaften einzubinden sondern auch Kontakt zu den kämpferischsten Gewerkschaften und Bewegungen am Balkan aufzubauen und diese zu unterstützen. Nicht nur wegen der oft zitierten „Solidarität“ (u.a. Name der ÖGB-Zeitung) sondern auch aus schlichtem Eigennutz.