Babler-Sommergespräch: erfrischender Ton und wachsende Herausforderungen

Christoph Glanninger

Nach Neos, Grüne und FPÖ war Andreas Babler gestern beim vorletzten ORF-Sommergespärch zu Gast und vor allem nach Kickls Auftritt, der die Identitären als "NGO von rechts" beschreibt und argumentiert, dass Frauen zuhause pflegen sollen weil das "billiger" ist, ist Bablers Interview eine willkommene Abwechslung zum etablierten Politikbetrieb. Natürlich wird im Zuge des Gesprächs auch eine parteiische Interviewführung deutlich, die versucht alles, was den Status quo der etablierten Politik in Frage stellt zu unterdrücken und gleichzeitig zeigt das Gespräch die wachsenden Widersprüche, in denen Babler als SPÖ-Vorsitzender gefangen ist.

Erfrischender Ton

Babler spricht im Zusammenhang der Regierungspolitik bzgl. Teuerung von unterlassener Hilfeleistung, betont einen massiven Ausbau der Infrastruktur als wichtigste Antwort auf die Klimakrise anstatt die Kosten auf die breite Bevölkerungsmehrheit abzuladen, betont die Bedeutung einer Arbeitszeitverkürzung für die Pflege und auch als frauenpolitische Forderung. Er fordert vehement eine Besteuerung von Vermögen und Erbschaften, was 96% der Bevölkerung zu Gute kommen würde. Er betont im Zusammenhang des Ukraine-Kriegs die Verflechtung des österreichischen Kapitals mit dem Putin-Regime und die Notwendigkeit, die Opposition in Russland zu unterstützen. Sämtliche dieser Punkte sind eine willkommene Abwechslung zum etablierten Politikbetrieb und eine Chance für Sozialist*innen, Bewegungen auf der Straße und in Betrieben. Endlich wird in der öffentlichen Debatte auch über linke Antworten auf die Krise des Kapitalismus geredet. Auch für Klassenkämpfe und soziale Bewegungen öffnen diese Diskussionen einen größeren Raum: Wenn im Herbst in der Sozialwirtschaft Österreich wieder für eine Arbeitszeitverkürzung gestreikt wird, sich am 15.9. Tausende am nächsten Klimastreik beteiligen werden oder bei den Protesten gegen Gewalt an Frauen und queere Personen am 25.11.

Wachsende Widersprüche

Die Rhetorik gibt Hoffnung, aber gleichzeitig ist das Interview auch geprägt davon, dass Babler bei vielen Themen strauchelt und es gibt eine Tendenz, dass er sich gemäßigter gibt als in vergangenen Interviews (z.B. bei der klaren Absage einer Koalition mit der ÖVP). Das liegt nicht an mangelnder Politiker-Rethorik oder den Schwächen von sozialistischen Ideen. Vielmehr liegt es daran, dass Babler als linker Politiker an der Spitze einer etablierten Partei steht, die in der Vergangenheit für Kürzungen, Pflegenotstand, Sozialabbau und rassistische Flüchtlingspolitik verantwortlich war. Ein Beispiel dafür ist die katastrophale Situation in den Spitälern oder im Sozialbereich in Wien, aber auch in anderen Bundesländern.

Das wird im Interview an unterschiedlichen Stellen deutlich. Wenn Babler vehement die Arbeitszeitverkürzung fordert (vor allem für die Pflege) ist es nicht nur ein Widerspruch, dass er sie nicht in der SPÖ einführt sondern vor allem, dass die SPÖ-Regierung in Wien gleichzeitig die Arbeitszeit von Ärzt*innen erhöht oder sich weigert, die Forderung der Gewerkschaften und Beschäftigten im privaten Gesundheits- und Sozialbereich nach einer 35-Stundenwoche zu erfüllen (obwohl sogar mehrmals Streiks dafür stattgefunden haben).

Offensichtlich wird es auch beim Umgang mit Politiker*innengehältern. Er kritisiert zwar die Erhöhung, aber nicht wirklich die Höhe der Gehälter insgesamt. Als ISA fordern wir einen durchschnittlichen Facharbeiter*innenlohn für alle gewählten Politiker*innen oder Funktionär*innen und auch die KPÖ setzt auf Bezüge, die einem durchschnittlichen Gehalt entsprechen.

Bruch oder Scheitern 

Langfristig wird Babler diese Widersprüche zwischen einer etablierten und im Kern prokapitalistischen SPÖ und dem Anspruch linker Politik nicht vermitteln können. Babler hat sicher einen ehrlichen Wunsch nach Veränderung im Interesse der Vielen, aber das Hauptinteresse der SPÖ-Bürokratie ist es, mitzuregieren und das System zu verwalten. Babler wird einen Kampf um die grundsätzliche Veränderung der Partei gegen die existierende Bürokratie führen müssen oder er wird scheitern. Schon jetzt sehen wir, dass er für jeden “linkeren” Vorstoß (Arbeitszeitverkürzung, Mitgliederwahl des Parteivorsitz usw.) von den Landesorganisationen - sei das Wien oder Tirol - kritisiert wird. Leider zeigen seine Aussagen im Gespräch zur Trennung zwischen Bundes- und Landesebene, dass er sich hauptsächlich für die Linie auf Bundesebene zuständig fühlt und aktuell nicht bereit ist, diesen Kampf zu führen. Aber wenn er in Interviews von Arbeitszeitverkürzung und Anspruch auf gute Pflege redet, wenn gleichzeitig in Wien das Gegenteil passiert, macht er sich unglaubwürdig und wirkt wie ein etablierter Politiker, der Wasser predigt und Wein trinkt. 

Klassenkämpfe und Bewegungen sind entscheidend!

Er muss sich entscheiden: Setzt er auf die Interessen von Arbeiter*innen und Jugendlichen, auf die Unterstützung von Streiks, feministischen, antirassistischen und ökologischen Protesten auch in Zusammenarbeit mit anderen linken und sozialistischen Kräften (wie z.B. der KPÖ) oder auf die Interessen der SPÖ-Bürokratie. Ein Beispiel wäre z.B. Initiativen für den gemeinsamen Kampf um Arbeitszeitverkürzung bei den Lohnverhandlungen im Herbst - die z.B. auch von der KPÖ gefordert wird und von einer Bevölkerungsmehrheit unterstützt wird. Ein Beispiel: Der Autozulieferer Magna (Stmk.) hat eine sozialdemokratische Betriebsratsmehrheit und eine starke GLB- (also KPÖ-) Betriebsgruppe, dazu kommt eine KPÖ-Bürgermeisterin in Graz. Diese könnte hier einen gemeinsamen “Vorbildkampf” führen. 

Im Endeffekt sind in einer kapitalistischen Krise die Spielräume für Reformen immer begrenzter, gerade deshalb bekommen Bablers Vorschläge auch so viel Gegenwind von bügerlichen Medien, ÖVP und FPÖ, Wirtschaftskammer und sogar aus der eigenen Partei. Für echte Veränderung muss man sich auch grundsätzlich mit dem profitorientierten System anlegen und konkrete Kämpfe mit einer sozialistischen Alternative verbinden. Natürlich bedeutet das, genauso wie eine Verbindung mit Klassenkämpfen und Bewegung von unten, auch eine Konfrontation mit der SPÖ-Bürokratie, die sogar zu Brüchen in der Partei führen kann. Trotzdem könnte so ein Zugang die Grundlage für die Entstehung einer echten Kampfpartei legen, die wir angesichts von Teuerung, Pflegenotstand, Klimakrise, Sexismus und Rassismus so dringend brauchen. 

Gleichzeitig müssen wir auch in unseren Kämpfen bei Streiks, im Klimabereich, im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialbereich, rund um feministische und antirassistische Forderungen die Chance nutzen, um von unten Druck aufzubauen. Ein konkretes Beispiel: Viele Babler-Unterstützer*innen sind Betriebsrät*innen oder Beschäftigte im Sozialbereich, gleichzeitig sind einge SPÖ-Mitglieder und Babler-Unterstützer*innen auch Verhandler*innen auf der Arbeitgeber*innen-Seite. Wenn die SPÖ unter Babler tatsächlich für eine Arbeitszeitverkürzung und bessere Arbeitsbedingungen im Pflege- und Sozialbereich steht, wäre es ihre Aufgabe, rund um die Lohnverhandlungen aktiv zu werden und dabei zu helfen, die dringend notwendigen Forderungen umzusetzen. Das kann eine Chance für unseren Kampf sein. Als ISA werden wir versuchen genau das zu machen, das kann einerseits dabei helfen, die dringend notwendigen Verbesserungen zu erkämpfen und gleichzeitig Babler in Richtung der klassenkämpferischen, bewegungsorientierten Politik zu drängen, die wir brauchen.   

 

 

Bild: Facebook-Seite Andreas Babler