Afrika: Ein Kontinent im Elend - Hunger und Kapitalismus

Wie kann es sein, dass es im 21. Jahrhundert noch Hunger gibt?
Tilman M. Ruster

Afrika ist der fruchtbarste Kontinent der Welt und bietet mehr Agrarfläche als jeder andere. Dennoch leiden ständig ca. 500 Millionen Menschen Hunger. Nach einer mehrjährigen Dürre ist Ostafrika (Äthiopien, Somalia, Dschibuti, Kenia) derzeit besonders betroffen: mehr als 12 Millionen Menschen sind akut betroffen, zehn Millionen auf der Flucht, weil sie nichts mehr zu Essen haben. Hunderttausende sind bereits tot, Millionen weitere davon bedroht. Die täglichen Katastrophen sind Medien und Politik hierzulande kaum noch Randnotizen wert. So brutal es klingt: Ob in Afrika Millionen Menschen verhungern bedeutet im Kapitalismus nichts. Sie produzieren nichts was dem Weltmarkt wichtig ist. Und sie sind arm – und damit als Absatzmarkt unbrauchbar.

Krieg, Aids, Hunger, Elend: das sind die Begriffe die den meisten einfallen, wenn sie an Afrika denken. Bilder von abgemagerten Kindern, ausgebrannten Dörfern und verdorrten Feldern. Zurecht meinen viele Menschen: „Wir müssen helfen!“ Und tatsächlich: Unzählige private Spenden gingen in den letzten Jahrzehnten nach Afrika – für Brunnenbauprojekte, Schulen, Saatgut... Dazu wurden in den letzten 50 Jahren alleine zwei Billionen Dollar an staatlicher Entwicklungshilfe nach Afrika gezahlt. Trotzdem wird die Situation immer schlimmer: Lebten 1970 noch ca. 10% der AfrikanerInnen in Armut sind es heute 50%. Trotz des Engagements prominenter Figuren wie Bill Gates oder Bono gegen Aids sind alleine in Südafrika fünf Millionen Menschen mit HIV infiziert und täglich sterben ca. 1.000 SüdafrikanerInnen in Folge des Virus. Unbeachtet von „Live Aid“ und hunderter anderer Benefizkonzerten für Afrika versinkt der Kontinent in Armut und Krieg.

Es ist kein Wunder, dass Millionen AfrikanerInnen alles aufgeben, was sie haben. Sie lassen ihre Heimat und alles was sie kennen zurück und flüchten. Sie wollen kein „besseres“ Leben, sie wollen überhaupt ein Leben. Nicht einmal dieses kann ihnen ihre Heimat geben. Nur die wenigsten schaffen es in reichere Länder. Die meisten scheitern und viele sterben auf dem Weg, in Flüchtlingslagern, bei dem Versuch, auf überfüllten Booten übers Meer zu kommen oder in den Elektrozäunen der „Festung Europa“.

Doch wie kann es sein, dass ein so fruchtbarer Kontinent hungert? Was Bodenschätze angeht ist Afrika reicher als alle anderen Kontinente. Öl, Diamanten, das begehrte Kupfer, Gold...sollten eigentlich helfen Armut auszuschließen. Warum gehen die meisten leer aus, obwohl sie sich zu Tode schuften? Sind die Regierungen schuld? Ist Afrika unfähig sich selbst zu regieren? Ist „die afrikanische Kultur“ oder „Rückständigkeit“ für Krieg, Diktatur und Korruption verantwortlich?

“Irgendwie schon“, meint sinngemäß Dambisa Moyo, neoliberale Vordenkerin aus Sambia. Die afrikanischen Regierungen verließen sich auf die Entwicklungshilfe und seien faul. Man müsse die Zahlungen an strikte Bedingungen knüpfen und so Afrika zu wirtschaftlicher Stabilität zwingen. Die Märkte sollten regulieren. Solche letztlich rassistischen Denkmuster haben ihren Ursprung noch in der Kolonialherrschaft der alten, mächtigen Imperien Europas. Dass sie heute von WEF, EU und anderen erneut als „Hoffnung für Afrika“ gefeiert werden verrät viel.

Der Hunger ist Afrika ist weder das Ergebnis von „Rückständigkeit“ noch selbst verschuldet. Auch die Dürre ist in einer globalisierten Welt nur eine Ausrede. Dieser „Vorwärts Schwerpunkt“ widmet sich der Frage nach den Ursachen für das Elend Afrikas und wo die Verantwortung dafür liegt.

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