Wie der FPÖ Einhalt gebieten?

Vor der Wienwahl wächst die Sorge vor einem neuen blauen Triumph - was kann man dagegen tun?
Fabian Lehr

Teil des Vorwärts Schwerpunkt zur FPÖ.

Kurz vor den Wienwahlen werfen viele Linke einen ängstlichen Blick auf die aktuellen Prognosen, nach denen die FPÖ diesmal noch stärker abschneiden könnte. Auch im "roten Wien" gewinnen die Blauen eine stabile und wachsende Basis: Auch in proletarisch geprägten Bezirken, die jahrzehntelang sichere Hochburgen der SPÖ waren. Der wohl wichtigste Grund für diese Entwicklung ist in der SPÖ selbst zu suchen. Während sie in der nachträglich glorifizierten Ära Kreisky wenigstens noch versuchte, sich als spezifische Interessenvertretung der ArbeiterInnen zu präsentieren, ist sie in den darauffolgenden Jahrzehnten immer weiter verbürgerlicht. Heute setzt die SPÖ ein hartes neoliberales Programm um, das sich oft nur noch in Details von der ÖVP unterscheidet. Je mehr die SPÖ in ihrer praktischen Politik neue Kürzungen durchsetzt und die realen Interessen von ArbeiterInnen ignoriert, desto gleichgültiger oder verärgerter stehen diese den leeren Festtagsparolen der SP-BürokratInnen am 1. Mai gegenüber.
Diese immer zahlreicheren ArbeiterInnen, die sich von der permanent schrumpfenden SPÖ enttäuscht abwenden, finden aber in der etablierten Parteienlandschaft keine linke Alternative - eine österreichische Linkspartei gibt es noch nicht und die Grünen positionieren sich endgültig als Partei gutsituierter BildungsbürgerInnen. In dieser Situation ist die FPÖ die einzige medial dauerpräsente Kraft, die wenigstens so tut, als würde sie die Probleme der ArbeiterInnen und Arbeitslosen ernstnehmen. Strache & Co möchten sich gerne als Vertreter des "kleinen Mannes" präsentieren, als FürsprecherInnen derer, die von SPÖ und ÖVP im Stich gelassen werden, als Anti-Establishment-Partei. Der größte Teil der ArbeiterInnen hat in dieser Situation bereits allen etablierten Parteien den Rücken zugewendet und wählt gar nicht - doch solange die FPÖ als einzige große Partei die soziale Frage aufs Tapet bringt, wird es auch hoffnungslose ArbeiterInnen und Arme geben, die bereit sind, über die ganzen Widerwärtigkeiten dieser Partei hinwegzusehen, ja, sich langsam an sie zu gewöhnen und sie zu akzeptieren: Ihren Rassismus, ihren Sexismus, ihre Homophobie usw.

Es wird diese Entwicklung nicht aufhalten, wenn alarmierte akademische Linke darüber moralisierend die Nase rümpfen oder sich gar in elitärem Dünkel über den "dumpfen FPÖ-Mob" lustig machen. Auf Facebook gibt es mittlerweile tausende Mitglieder zählende Gruppen, die Rechtschreibfehler von FP-SympathisantInnen sammeln, um sie auszulachen. Diese elitäre Abgrenzung verstärkt die Behauptung der FPÖ, die Vertretung der einfachen Leute gegen eine abgehobene, arrogante Elite zu sein.
Wenn man die aus Perspektivlosigkeit zu den Blauen übergegangenen ArbeiterInnen nicht beleidigen und endgültig in Straches Arme treiben, sondern zurückgewinnen will, braucht es eine ganz andere Strategie: Wir müssen aufzeigen, dass die FPÖ nur eine Scheinalternative ist und alles andere als eine Anti-Establishment-Partei. Dass die FPÖ dominiert wird von reichen, elitären Bürgerlichen, die, wo sie es können, eine noch viel unsozialere, arbeiterInnenfeindlichere Politik durchsetzen als SPÖ und ÖVP. Und genauso korrupt wie die anderen wollen sie die öffentlichen Kassen als Selbstbedienungsladen für sich und ihre FreundInnen nutzen. Dass der Versuch der FPÖ, die ArbeiterInnen und Armen in "ÖsterreicherInnen" und "AusländerInnen" zu spalten, nichts ist als ein Manöver zur Schwächung der ArbeiterInnenklasse und damit zur Stabilisierung der Herrschaft der Reichen.

Ganz praktisch müssen soziale Kämpfe vorangetrieben werden, in denen ArbeiterInnen sich gegen die Auswirkungen der Krise und die Kürzungspolitik wehren. In solchen Kämpfen wird nicht nur klar, wo die FPÖ tatsächlich steht (wie beim Metallerstreik 2011), sondern es werden auch bestehende Vorurteile anderen ArbeiterInnen gegenüber im gemeinsamen Kampf abgebaut.

Wir brauchen wieder echte, kämpferische Gewerkschaften wie die GdL in Deutschland, die den dem Kapital gegenüber versöhnlerischen GewerkschaftsbürokratInnen Dampf machen. Und es braucht, eine österreichische Linkspartei, die endlich laut hörbar Alternativen zum neoliberalen Konsens von SPÖ und ÖVP über die Grünen bis zur FPÖ formuliert. Solche kämpferischen Gewerkschaften und eine neue, echte ArbeiterInnenpartei sind die notwendige Basis, um der FPÖ das Wasser abzugraben, um wirkliche Verbesserungen für ArbeiterInnen zu erreichen und auch um den Kampf gegen das kapitalistische System selbst in Angriff zu nehmen, ein System, das notwendig immer wieder neue Krisen und unsoziale, arbeiterInnenfeindliche Lösungsvorschläge für diese Krisen schaffen wird.

 

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