So pseudo ist die „Kapitalismuskritik“ von Rechts

Auch die Rechte versucht von der wachsenden antikapitalistischen Stimmung zu profitieren.
Theresa Reimer

Neoliberale Kürzungspolitik, die steuerliche Entlastung von Unternehmen und Superreichen, Gewerkschaftsfeindlichkeit und Lobbyismus sind charakteristisch für rechte Politik. Doch auch die extreme Rechte versucht von der kapitalismuskritischen Stimmung, die v.a. seit Beginn der Wirtschaftskrise zunimmt, mitzunaschen. Z.B. versuchen die rechtsextremen „Autonomen Nationalisten“ Vorgangsweise, aber auch Erscheinungsbild und Auftreten von Teilen der Linken zu kopieren. Gerade die Neue Rechte nutzt das Potential kritischer Bewegungen, versucht linke Jugendkulturen oder Symbole der Linken zu kopieren. So finden sich auch auf der Facebook-Seite der neofaschistischen Identitären Zitate von Luxemburg, Liebknecht und Brecht.

Doch nicht nur in der Form, auch im Inhalt gibt sie sich kapitalismuskritisch. Ziel ist, an eine existierende Stimmung anzudocken und darauf rechte, rassistische bzw. völkische Antworten zu geben. Rechte Kapitalismus“kritik“ geht unter dem Label „Nationaler Sozialismus“ auf das Jahr 1890 zurück. Es war ein Versuch in die erstarkende ArbeiterInnenbewegung einzudringen und dem Internationalismus des Marxismus eine nationalistische Ideologie, verbrämt mit antikapitalistischer Rethorik entgegen zu setzen. Zentrales Instrument dafür war später bei den Nazis die SA von Strasser, Goebbels und Röhm. Diese war auch ein Versuch, ArbeiterInnen in die Partei mit einzubinden. Denn die ArbeiterInnen standen dem Faschismus ablehnend gegenüber und ein großer Teil war bis zum Verbot von SP und KP in diesen ArbeiterInnenorganisationen organisiert.

Eine Rhetorik, die Scheinantworten auf die soziale Frage gab, war notwendig für den Aufstieg der NSDAP (wie auch „Sozialismus“ im Namen), doch der Faschismus war immer eine arbeiterInnenfeindliche Ideologie. Auch im Betrieb galt das Führerprinzip, Betriebswechsel war nur mit Erlaubnis möglich, jede Form von Klassenkampf (und sei es nur die Forderung nach höheren Löhnen) wurde lebensgefährlich, alle Organisationen der ArbeiterInnenbewegung wurden zerschlagen. Der Faschismus dient als Handlanger des Kapitals.

Bis heute versuchen Nazis Strasser, die SA und andere als die „wahren“ Faschisten des Volkes, den „linken“ Teil des Nationalsozialismus darzustellen. Ein Mythos und eine Lüge! Die SA war eine Massenorganisation, doch setzte sie sich v.a. aus KleinbürgerInnen zusammen, der ArbeiterInnenanteil lag unter 20%. FunktionärInnen von KPD, SPD und Gewerkschaften standen auf den „Schwarzen Listen“ der brutalen Schläger der SA ganz oben. Beim Kampf zwischen SA und Hitler ging es nicht um einen Klassenkampf in der faschistischen Bewegung, sondern um einen Machtkampf zwischen verschiedenen Flügeln. Die SA wurde nicht entmachtet, weil sie „links“ gewesen wäre, sondern als Zugeständnis an die Heeresleitung, der die paramilitärische SA ein Dorn im Auge war. Die SA und die SS trennten keine ideologischen, sondern bestenfalls taktische Fragen.

Auch bei den heutigen, sich „antikapitalistisch“ präsentierenden Neonazis, werden nicht der Kapitalismus und seine Widersprüche kritisiert. Die Beantwortung der sozialen Frage ist auf nationaler Ebene nicht möglich, die Rechten liefern nur Scheinantworten. Da wird „ausländisches“ Kapital und der „Zins“ kritisiert, die die nationale Wirtschaft schwächen würden. V.a. seit Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise wird unverhohlen die „Ostküste“ und das „Finanzkapital“ kritisiert. Das sind rechte Kampfbegriffe, die eigentlich „die Juden“ meinen. Die (künstliche) Unterscheidung zwischen „raffendem“ und „schaffenden“ Kapital findet sich schon bei den Nazis. Und im Einklang mit diversen, meist antisemitischen, Verschwörungstheorien schreibt dann auch die Zeitung der NPD, dass Jüdinnen und Juden „in den privaten und staatlichen Machtzentren des Weltkapitalismus“ eine „Schlüsselstellung“ inne hätten.

Doch spätestens seit Anfang des 20. Jahrhunderts ist die Trennung in Bank- und Industriekapital nicht mehr möglich. Die Finanzmärkte sind das Schmiermittel des Kapitalismus und produzierender und finanzierender Sektor längst zu einer untrennbaren Einheit verschmolzen. Die sozialen Probleme und die Krisen sind nicht nur die Folgen eines „parasitären Finanzsektors“ sondern entspringen aus den Widersprüchen des Kapitalismus selbst. Es gibt keine „gute alte Marktwirtschaft“, der ein „böser, raffgieriger Kapitalismus“ entgegenstehen würde. Neben all ihrer „sozialen“ Rethorik greifen die Rechten daher auch weder das Privateigentum an Produktionsmitteln, noch die kapitalistische Produktionsweise, die von den ArbeiterInnen unbezahlte Arbeit in Form von Mehrwert stiehlt, an. Dafür lehnen sie aber Gewerkschaften ab und bekämpfen sie. Das „Volk“ soll die Klassen ersetzen, was bedeutet, die Interessen der ArbeiterInnenklasse unter jene des Kapitals unterzuordnen. Im Sinne eines angeblichen „Volks“ Interesses.

Es liegt an uns, ob RassistInnen und AntisemitInnen soziale Rhetorik als Mittel zum Aufbau nutzen können. Echter Antifaschismus braucht daher auch eine fundierte Kapitalismuskritik und eine daraus resultierende Praxis!

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