Satire zwischen unten und oben

Die Herrschenden haben einen – ihren Bedürfnissen angepassten – Umgang mit der Pressefreiheit.
Sebastian Kugler

Islamische Fundamentalisten richteten im Jänner ein Blutbad in der Redaktion der französischen Satirezeitung Charlie Hebdo an. Die SatirikerInnen waren aber nicht jene, die für die Unterdrückung von Muslimen verantwortlich sind. Der Grund liegt in der systematischen Diskriminierung von Muslimen durch den französischen Staat und das Kapital. Wären Charlie Hebdos Mohammed-Karikaturen nicht erschienen, hätte sich die aufgestaute Wut über die Unterdrückung mangels einer linken Alternative anders, aber nicht weniger blutig, entladen. Dafür werden Muslime nun unter noch mehr Repression und Hetze leiden müssen.

Charlie Hebdo versteht sich als linke Zeitung. Der ermordete Chefredakteur „Charb“ illustrierte u.a. auch ein Buch des französischen Marxisten Daniel Bensaid. Die Zeitung wurde von den Herrschenden unzählige Male wegen ihrer Kritik der herrschenden Politik und der etablierten Religion angegriffen. Nun wird sie im Namen der „Meinungsfreiheit“ genau von jenen vereinnahmt, die sonst kein Problem mit Zensur haben. Am Beispiel des linken deutschen Satiremagazins Titanic: Seit 1979 wurden 35 Ausgaben der Monatszeitschrift verboten, zuletzt ließ der Papst 2012 eine Ausgabe verbieten!

Auch Satire ist Teil der Gesellschaft und ihrer Kämpfe. Wenn Charlie Hebdo, Titanic & Co Ideologien und Institutionen der Herrschenden angreifen, stellen sie sich damit auf die Seite jener, die unter diesem System leiden und dagegen ankämpfen. Wenn sie sich über ohnehin schon unterdrückte Schichten, wie Muslime, lustig machen, tragen sie damit zur Beibehaltung der Ungerechtigkeit bei oder verschärfen sie sogar. SozialistInnen haben die Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen kritisiert – Nicht, weil sie prinzipiell der Meinung wären, Religion dürfe nicht kritisiert werden. Sondern weil diese Veröffentlichungen nicht im luftleeren Raum stattfinden, sondern in einem Klima der rassistischen Hetze. Schon der sozialistische Satiriker Kurt Tucholsky wusste: „Eine Satire, die zur Zeichnung einer Kriegsanleihe auffordert, ist keine.“

 

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