Lesetipp: „Fremde von Staats wegen“

Wie mit „Fremden“ kapitalistische Herrschaftspolitik gemacht wird.
Alexander Svojtko

Die derzeitige Debatte um „Obergrenzen“, „Flüchtlinge“ und „WirtschaftsmigrantInnen“ setzt die Frage des staatlichen Umgangs mit „fremden“ Menschen neuerlich auf die Tagesordnung. Das Buch „Fremde von Staats wegen – 50 Jahre `Fremdenpolitik´ in Österreich“ erscheint somit zur genau richtigen Zeit. Das umso mehr, als bisher eine „systematische und umfassende Untersuchung der … `Ausländer_innen´-Politiken … völlig fehlt“, wie die Autorin Lisa Grösel in ihrer Einleitung schreibt.

Diese Lücke schließt die Historikerin nun auf den rund 300 Seiten ihres mit 968 Fußnoten gespickten Bandes. Dabei nutzt sie in erster Linie parlamentarische Sachquellen wie stenografische Sitzungsprotokolle, Ausschussberichte etc., um zu zeigen, wie die österreichische „Fremdenpolitik“ seit jeher in ihrer „Spaltungs-, Disziplinierungs- sowie einer identitätspolitischen Konsensfunktion ein Herrschaftsinstrument bildet, das in erster Linie auf jenen Teil der ausgebeuteten und arbeitenden Klassen gerichtet ist, der als `eigene´ Staatsbürger_innen markiert ist“, schreibt Grösel.

LeserInnen, die eine Darstellung der zahlreichen Protest- und Widerstandsaktivitäten in Solidarität mit den „Fremden“ suchen, oder gar eine praktische Anleitung dazu, werden in diesem Buch allerdings nicht fündig werden, obwohl die Autorin derartige Mobilisierungen von unten für unabdingbar hält: „Offenbar können inklusive und solidarische Gesellschaftsentwürfe nur im Rahmen radikaler … sozialer Bewegungen entwickelt werden.“

 

Lisa Grösel: Fremde von Staats wegen

Mandelbaum, Wien 2016

ISBN: 978-3-85476-646-9

Erscheint in Zeitungsausgabe: