Griechenland unter SYRIZA: Bilanz der ersten Monate

Arbeiterklasse und soziale Bewegungen müssen den Kampf aufnehmen, um ihre Rechte durchzusetzen
Andreas Payiatsos; Artikel aus der Zeitung von Xekinima (Schwesterorganisation der SLP und Sektion des CWI in Griechenland)

Am Mittwoch, dem 11. Februar, wie auch am Sonntag, dem 15. Februar, füllten hunderttausende DemonstrantInnen den Syntagma Platz in Athen sowie weitere zentrale Plätze in rund 40 anderen Städten Griechenlands. Mit diesen Mobilisierungen sollte das Signal ausgesendet werden, dass man Widerstand zu leisten bereit ist gegen die Drohungen der EU, des IWF und der herrschenden Klasse in Deutschland.

Am Freitag, dem 20. Februar, sind dann noch einmal 500 DemonstrantInnen auf dem Syntagma Platz in Athen und 150 weitere auf dem Lefkos Pyrgos in Thessaloniki zusammengekommen. Einige KommentatorInnen erklärten die wesentlich geringeren Teilnehmerzahlen damit, dass der darauffolgende Montag, der 23. Februar, ein arbeitsfreier Tag war und die Beschäftigten sich wahrscheinlich ein langes Wochenende gegönnt hätten. Dieser Erklärungsversuch ist eine Beleidigung unserer Intelligenz! Wir diskutieren hier nicht über eine wie auch immer geartete Verringerung von TeilnehmerInnenzahlen – wir sprechen über ein Paradebeispiel für völliges Versagen! Und dieses Versagen kann nur politisch erklärt werden: Die ArbeiterInnen hatten einfach keine Lust, sich schon wieder auf den öffentlichen Plätzen zusammenzufinden um zu demonstrieren! Natürlich bedeutet das nicht, dass es in Zukunft nicht möglich wäre, wieder ähnlich erfolgreiche Mobilisierungen mit ähnlichem Charakter hinzubekommen. Das hängt aber vor allem und in erster Linie davon ab, welchen Weg die neue SYRIZA-Regierung jetzt einschlagen wird.

SYRIZA wird von der großen Mehrheit der griechischen Bevölkerung weiterhin unterstützt. Und SYRIZA steht nach dem Desaster der Vorgängerregierung aus konservativer „Nea Demokratia“ und sozialdemokratischer PASOK weiterhin für die Hoffnung auf bessere Zeiten. Der Unterschied zwischen Freitag, dem 20. Februar, und Sonntag, dem 15. März, besteht allein darin, dass der Entusiasmus, den die Wahl SYRIZAs mit sich gebracht hat, buchstäblich und ohne Übertreibung in den ersten 20 Tagen an der Regierung verflogen ist.

Für den Verlauf der vergangenen Woche (beginnend mit Montag und Dienstag, dem 16. bzw. 17. Februar) gilt, dass die Psychologie der Massenbewegung an „AktivistInnen“ aber auch der Gesellschaft allgemein von zwei wesentlichen Faktoren beeinflusst ist.

Einerseits war da die schroffe Ablehnung Wolfgang Schäubles, des deutschen Bundesfinanzministers, sowie zahlreicher anderer, ähnlich denkender Politiker in der EU sowie die Erkenntnis, dass SYRIZA sich auf einen Prozess aus „blutigen“ Zugeständnissen und Kompromissen einlassen würde. Der zweite Faktor bestand aus der Wahl des rechts-konservativen „Nea Demokratia“-Mitglieds Pavlopoulos zum Präsidenten der griechischen Republik.

Natürlich ist der erstgenannte Faktor der wichtigere und entscheidende Grund. Es macht aber Sinn, sich in aller Kürze auch mit dem zweiten zu beschäftigen. Die Nominierung und letztendliche Wahl von Pavlopoulos hat nicht dazu geführt, dass sich noch mehr Menschen auf SYRIZA hin orientiert haben (wie der SYRIZA-Vorstand gerne glauben würde). Die Menschen haben sich deswegen stärker mit SYRIZA identifiziert, weil es zum Konflikt mit Schäuble und seinesgleichen gekommen ist. Der „Fall Pavlopoulos“ hat die Leute, die sich das alles nicht vorstellen konnten, ganz allgemein durcheinander gebracht. Doch vor allem die Menschen, die der Linken zuzurechnen sind, waren bitter enttäuscht, weil das für sie ein klares Signal für die Tendenz zu Zugeständnissen und eine Anpassung der Regierung war.

Harte Landung

Der Konflikt mit Schäuble und der Clique, die die EU dirigiert, hat die Führung von SYRIZA kalt erwischt, die ihre Verhandlungen mit der Troika auf sehr „entspannte“ Art und Weise – vielleicht sogar ein wenig „leichtfertig“ – beginnen wollte. Wie wir allerdings in einem unserer zahlreichen Artikel zu dieser Thematik prophezeit hatten, würden die Versuche der SYRIZA-Regierung, die Politik der Troika hinsichtlich Griechenlands zu verändern, vom Direktorium der EU nicht mit „freundschaftlichen Verhandlungen“ gutiert sondern wie eine „Kriegserklärung“ verstanden werden.

So haben wir wenige Tage vor den Wahlen, am 23. Januar 2015, in einem Artikel, der auf unserer Homepage www.xekinima.org nachzulesen ist, geschrieben:

„Der Vorstand von SYRIZA ist nicht der Auffassung, dass das gesamte System falsch ist, sondern glaubt, dass die EU und die Troika nur eine falsche Politik verfolgen, die sie durch den Druck von SYRIZA zu ändern in der Lage sind, damit letztere die Umsetzung eines sozialpolitisch heiklen Ansatzes wieder rückgängig machen kann. Diese Form von >Optimismus< teilen wir absolut nicht. Unserer Meinung nach werden umgekehrt die Troika, die griechische herrschende Klasse sowie >die Märkte< enormen Druck auf SYRIZA aufbauen, um sie zum Einknicken zu zwingen, dazu, dass die Wahlversprechen gebrochen werden und mit der alten Politik weitergemacht wird.

Und wenn die SYRIZA-Regierung diesem Druck weiterhin widerstehen sollte und eine Politik umsetzt, die sich gegen die Austerität richtet – womit sie aus Sicht der Troika zum >Negativbeispiel< für die Bevölkerungen im Rest Europas (sprich: für die SpanierInnen, PortugiesInnen, IrInnen, ItalienerInnen, ZypriotInnen etc.) würde -, dann wird die Gegenseite den >Krieg< gegen SYRIZA vollkommen ungehemmt zu führen beginnen. Dann wird es darum gehen, SYRIZA entweder gefügig zu machen oder die Partei des Amtes zu entheben.

Mit dem Begriff >Krieg< meinen wir Sabotageakte auf wirtschaftlicher Ebene: Ablehnung, die griechischen Staatsdefizite durch die Troika zu finanzieren; Ablehnung, mit den Mitteln der EZB für Liquidität zu sorgen (was mögliche Erleichterungen in Griechenland dramatisch einschränken würde); Abzug von Kapital aus Griechenland durch die Großkonzerne; Beendigung der Investitionen durch das Großkapital; Entlassungen (was die Wirtschaft in eine noch tiefere Krise stürzen wird)“.

Der Kompromiss vom 20. Februar

Und genau dies ist eingetreten. Das Direktorium Europas hat der SYRIZA-Regierung ein Ultimatum gestellt, dass man mit Beginn der 9. Kalenderwoche (ab dem 24. Februar) nicht mehr für die Liquidität der Banken sorgen wird. Das war der erste Schritt in Richtung Euro-Austritt. Was das angeht, haben wir keine „Verhandlungen“ bekommen sondern eine „Kriegserklärung“. Bleibt zu hoffen, dass die SYRIZA-Führung daraus ihre Lehren zieht und künftig anders an die Dinge herangeht.

Schäuble und der Rest der Clique, die Europa regiert, waren bereit, SYRIZA einige geringfügige Zugeständnisse zu machen. Im Gegenzug wollte man dafür aber von SYRIZA die Annahme der geballten Ladung ihrer Forderungen. Die SYRIZA-Regierung knickte ein und am Ende stand dann der Kompromiss vom Freitag, dem 20. Februar.

Hier die wesentlichen Punkte:

Die griechische Regierung erklärte sich bereit, jeden einzelnen Euro der Staatsschulden zurückzuzahlen. Damit ist die Position „Streichung des größten Teils der Schulden“ hinfällig geworden.

Die Troika ist „abgeschafft“ aber … die Institutionen, die die Troika bilden (EU, EZB, IWF), bestehen weiter. Sie werden auch künftig diskutieren und kontrollieren, was in Griechenland geschieht. Von jetzt an werden sie dies allerdings unter einem neuen Namen tun. Sie werden nun nicht mehr „die Troika“ sondern „die Institutionen“ genannt.

Die „Kredit-Vereinbarung“ (bei der es im Grunde um das Memorandum geht, auch wenn der Begriff nicht mehr bemüht wird) ist nicht aufgehoben sondern um vier Monate verlängert worden. In diesen vier Monaten soll das nächste „Programm“, das die Regierung umsetzen wird, beschlossen werden (wenn es denn beschlossen wird).

Die „Institutionen“ werden dann die genaue Umsetzung dieses Programms überprüfen (im Grunde auf dieselbe Art und Weise, wie die Troika die Umsetzung der Memoranden überwacht hat).

Die griechische Regierung hat zugestimmt, dass sie keine unilateralen Maßnahmen ergreifen wird. Folgt man der Lesart der „Institutionen“, so wird alles, was zuvor nicht diskutiert und beschlossen worden ist, als unilaterale Maßnahme bezeichnet. Mit anderen Worten: Die SYRIZA-Regierung kann nichts tun ohne die Zustimmung der „Institutionen“. Damit können auch die Maßnahmen zum Wohlergehen der Bevölkerung nicht in Angriff genommen werden oder die Maßnahmen aufgehoben werden, die durch die alten Memoranden vorgegeben worden sind. Dasselbe gilt für die Austeritätsgesetze und die Politik der Kürzungen.

Was hat SYRIZA erreicht?

Das Wesentliche, was SYRIZA bei dieser Verinbarung hinbekommen hat, ist, dass die „Institutionen“ Entgegenkommen zugesichert haben, hinsichtlich des Problems der „Primär-Überschüsse“ flexibel reagieren zu wollen. Wie wir in früheren Artikeln erklärt haben, hat die SYRIZA-Regierung darum gebeten, die „Primär-Überschüsse“ der kommenden Jahre (2015 bis 2020), die ursprünglich durchschnittlich vier Prozent betragen sollten, auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts abzusenken.

Dies kann als Bemühen der SYRIZA-Regierung ausgelegt werden, jährlich einige Milliarden Euro einsparen zu wollen, die sie in Maßnahmen zu Gunsten der ärmsten Schicht stecken wird. Die Summen, die die Regierung damit einfordert, belaufen sich grob gerechnet auf rund sechs Milliarden Euro pro Jahr. Wenn wir einmal davon ausgehen, dass es in diesem Punkt zwischen griechischer Regierung und den „Institutionen“ zu einem Kompromiss kommt (was möglich ist), dann könnte die SYRIZA-Regierung jedes Jahr irgendwas in Richtung zwischen 2,3 Milliarden bis vier Milliarden Euro „gewinnen“. Diese Summen würden dann aufgewendet, um damit die schlimmsten Folgen der humanitären Krise zu lindern und einigen Bevölkerungsschichten, die von der Rezession am stärksten in Mitleidenschaft gezogen worden sind, etwas Luft zu verschaffen. Diese Kosten zur Linderung der humanitären Krise belaufen sich – geht man von den Angaben aus, die SYRIZA in ihrem „Programm von Thessaloniki“ vor den Wahlen zu Papier gebracht hat – auf rund zwei Milliarden Euro.

Was nun?

Dass die humanitäre Krise angegangen werden soll, ist natürlich alles andere als unwesentlich. Der Regierung wird allerdings nicht eingeräumt, dabei besonders weit gehen zu können.

Wenn das „Programm von Thessaloniki“ in vollem Umfang umgesetzt worden wäre, dann hätte das der Arbeiterklasse und den anderen, von der Krise betroffenen Schichten eine allgemeine Erleichterung verschafft, für bessere Renten gesorgt, den Mindestlohn auf das Vor-Krisen-Niveau angehoben und so weiter. Dieses Minimal-Programm hätte laut Berechnungen von SYRIZA Kosten in Höhe von 12 Milliarden Euro verursacht.

Daraus ergeben sich zwei Fragen: Woher will die Regierung den Fehlbetrag nehmen, um die Maßnahmen aus dem „Programm von Thessaloniki“ wirklich umsetzen zu können? (Übrigens: Natürlich nur zu den Bedingungen, die „die Institutionen“ zur Finanzierung einer Politik erlauben, mit der SYRIZA die humanitäre Krise anzugehen gedenkt). Und: Welche Garantie gibt es dafür, dass „die Institutionen“ eine Politik umsetzen, die im Sinne der Menschen ist und die die Regierung tatsächlich vor hat umzusetzen?

Hier einige der Maßnahmen, die SYRIZA versprochen hat, unmittelbar nach den Wahlen umzusetzen, und bei denen betont wurde, sie seien „nicht verhandelbar“:

  • Wiedereinführung der Tarifautonomie (einschließlich der Anerkennung von Tarifverhandlungen und -verträgen) wie vor der Krise üblich
  • Wiedereinstellung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst, die „illegaler Weise und entgegen der Verfassung entlassen worden sind“ (schätzungsweise 4.000 bis 10.000 KollegInnen)
  • Abschaffung der sogenannten „Beurteilung“, die von der Troika eingeführt wurde und nach der jährlich 15 Prozent der Beschäftigten im öffentlichen Dienst zwangsläufig als „ineffizient“ bewertet und folglich als zu entlassen deklariert worden sind.
  • Rückführung des Mindestlohns auf 751 Euro brutto monatlich (rund 670 Euro netto)
  • Weihnachtsgeld für Niedrig-Renten (unter 700 Euro netto)
  • Für Niedriglohn-BezieherInnen: Abschaffung der Grundsteuer, Beendigung von Zwangsräumungen und Schutz des Erstwohnsitzes; Anhebung des Steuerfreibetrags auf 12.000 Euro Jahres-Nettoeinkommen.
  • Beendigung von Privatisierungen

Das sind nicht alle Maßnahmen, die im „Programm von Thessaloniki“ (vor den Wahlen beschlossen) stehen, aber einige der grundlegendsten und wichtigsten.

Konflikt mit der Troika unumgänglich!

Wie wir oben ausgeführt haben, werden für das „Programm von Thessaloniki“ von SYRIZA selbst rund 12 Mrd. Euro veranschlagt. Woher aber wird SYRIZA die fehlenden acht Mrd. bis 10 Mrd. Euro nehmen (immer unter der Voraussetzung, dass „die Institutionen“ die nötigen zwei bis drei Mrd. Euro genehmigen, die nötig sind, um die humanitäre Krise anzugehen)?

SYRIZA sagt (ausgehend vom „Programm von Thessaloniki“), man werde gegen die Korruption und Steuerflucht vorgehen sowie die Reichen besteuern und darüber die nötige Finanzierung des eigenen Programms hinbekommen.

Wird SYRIZA dies wirklich tun?

JedeR, die/der sagt, dass sie das „natürlich machen werden“, hat noch nicht ganz umrissen, was zur Erreichung dieser Zielsetzung alles nötig ist. SYRIZA müsste sich mit dem Großkapital und den Reichen anlegen, ihnen einen Teil ihres Reichtums wegnehmen und diese Gelder an die abhängig Beschäftigten und die Mittelschichten transferieren.

Wie werden sich Kapital und die Reichen in so einem Fall verhalten? Glaubt irgendjemand, dass sie im Fall eines Angriffs auf ihre Reichtümer einfach „abwarten und Tee trinken“ werden? Wäre es nicht viel logischer für sie, ihr Vermögen, ihre Kapitalien und Investitionen einfach irgendwo anders hin umzuleiten, in neue „Profit-Paradiese“, und somit die Volkswirtschaft Griechenlands zu sabotieren?

Vielleicht noch wichtiger ist ein anderer Aspekt: Für die EU sind die allermeisten der o.g. Maßnahmen ein rotes Tuch – nicht nur aus unmittelbar finanziellen Überlegungen heraus sondern auch aus politischen Gründen.

Die EU vertritt die Interessen des in Europa ansässigen multinationalen Kapitals, das Griechenland als Ziel auserkoren hat, um die Vorteile aus Niedriglöhnen für sich zu nutzen, sich den enormen Reichtum des Landes für „Peanuts“ anzueignen (z.B. die bisher in öffentlichem Besitz befindlichen Versorgungsunternehmen, Naturressourcen, Landbesitz etc.) und dabei auf ArbeiterInnen zurückgreifen zu können, die unter „Bedingungen wie in China“ arbeiten.

Warum sollte die EU (oder eine andere der „Institutionen“) die Wiederherstellung der Tarifautonomie und Tarifverträge, die Anhebung des Mindestlohns, ein Ende der Privatisierungsmaßnahmen und die Besteuerung der Reichen oder das Ende der Ausbeutung der Naturressourcen des Landes akzeptieren, wenn sie all diese Forderungen ganz einfach mit einem „Nein“ von Schäuble abtun kann? Schließlich gesteht die oben beschriebene Vereinbarung, die die Regierung unter SYRIZA unterschrieben hat, Schäuble, der herrschenden Klasse in Deutschland und dem EU-Direktoriat genau diese Macht doch zu!

Die Zugeständnisse, die SYRIZA gemacht hat, sind so weitreichend, dass das „Programm von Thessaloniki“ in Wirklichkeit untergraben und ausgehöhlt wird. Es geht immerhin um das Programm, von dem SYRIZA immer gesagt hat, es sei nicht verhandelbar und die Finanzierung dieses Programms sei leicht und ohne Rücksicht auf irgendeine „Vereinbarung“ mit den Gläubigern hinzubekommen (übrigens ein Punkt, bei dem wir von Anfang an betont haben, dass diese Annahme falsch ist).

Die Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs bringen

Es ist durchaus davon auszugehen, dass „die Institutionen“ es SYRIZA erlauben werden, ein Päckchen an Maßnahmen zu finanzieren, mit dem man dem Armutsproblem und dem Elend, das durch die Memoranden verursacht worden ist, teilweise begegnen kann (indem man z.B. zugesteht niedrigere Primärüberschüsse anzustreben und sich grundsätzlich der Abbezahlung der Schulden verpflichtet).

Mit diesen Summen kann das Problem der „Unter-Entwicklung“ und der Wirtschaftskrise aber nicht gelöst werden. Dazu werden die Finanzmittel nicht ausreichen, mit denen man die Wirtschaft nicht zurück auf Wachstumskurs bringen können wird. Und ohne Wachstum werden die Probleme aus Erwerbslosigkeit, allgemeiner Verarmung und das Fehlen eines sozialen Netzes nicht gelöst werden können.

Was das angeht, kann der Vorstand von SYRIZA das, was bei der Vereinbarung mit der EU, der EZB und dem IWF herausgekommen ist, nicht als Erfolg feiern. Es wurden umfangreiche Zugeständnisse gemacht und ihre Unterschrift unter ein Dokument gesetzt, dass es „den Institutionen“ weiterhin erlaubt, über alles zu entscheiden, was die Regierung an Gesetzen einbringen will.

Natürlich müssen wir feststellen, dass sie die EU dazu gebracht haben, etwas Raum für Maßnahmen zu lassen, die die Situation der Ärmsten und am schlimmsten betroffenen Schichten in Teilen lindern werden. Den ärmsten Bevölkerungsschichten, den Erwerbslosen, ärmsten RentnerInnen und den Beschäftigten aus dem Niedriglohn-Sektor gibt das Hoffnung und verschafft der Regierung daher etwas Zeit zum Durchatmen bzw. eine Schonfrist. Diese Phase wird allerdings nicht lange andauern.

Irgendwann (wahrscheinlich früher als gewünscht) wird sich die Regierung der zentralen Herausforderung stellen müssen. Sie wird die Wirtschaft zurück in die Wachstumszone bringen müssen, um – wenn auch nur schrittweise – Lösungen für die enormen sozialen Probleme anbieten zu können, die in der Vergangenheit angehäuft worden sind. Die politischen Maßnahmen, die dazu nötig sind, werden in großen Teilen der Linken und sogar von weiten Teilen der allgemeinen Bevölkerung längst diskutiert. Fakt ist, dass diese notwendigen Maßnahmen größtenteils schon ihren Niederschlag in Parteitagsbeschlüssen von SYRIZA gefunden haben (auch wenn sie nicht mit ins „Programm von Thessaloniki“ aufgenommen worden sind). Es geht dabei grundsätzlich um Maßnahmen wie die folgenden: Verstaatlichung der Banken, Übertragung der Kontrollfunktionen und Geschäftsführungsfunktion in Unternehmen aber auch der Gesellschaft allgemein an die abhängig Beschäftigten, Verstaatlichung der Schlüssel-Sektoren der Wirtschaft, Bildung demokratisch gewählter Gremien zur Organisierung bestimmter Teile der Industrie bzw. der Wirtschaft insgesamt, demokratische Planung der Wirtschaftsabläufe, um den Interessen der Bevölkerungsmehrheit gerecht zu werden etc. Das sind sozialistische Maßnahmen/Politikansätze, und sie sind absolut notwendig und stellen für die Wirtschaft aber auch die griechische Gesellschaft die einzige Möglichkeit dar, aus der katastrophalen Abwärtsspirale wieder herauszukommen. Und: Die Durchführung solcher Maßnahmen muss einhergehen mit internationalistischen Aufrufen an die Arbeiterklassen im Rest von Europa, damit wir auf dem gesamten Kontinent alle zusammen auf dasselbe Ziel hinarbeiten und einen gemeinsamen Weg einschlagen in Richtung des Aufbaus eines „anderen Europas“, das am Ende nur auf ein „sozialistisches Europa“ hinauslaufen kann.

Selbstverständlich bedeuten diese Maßnahmen die direkte Konfrontation mit dem inländischen und dem ausländischen Kapital wie auch mit „den Institutionen“. Und das bedeutet, dass Griechenland aus der Eurozone geworfen wird, was die Kontrolle über die Kapitalströme und die öffentliche Kontrolle über den Außenhandel nötig macht, um die Volkswirtschaft vor den Angriffen „der Märkte“ zu schützen.

Die sozialen Bewegungen

Soll es für die Bevölkerung in Griechenland Hoffnung auf Licht am Ende des Tunnels geben, dann ist dies die Art von Kampf, der dazu erforderlich ist.

Der Vorstand von SYRIZA behauptet, dass ein Konflikt nicht nötig ist und es ausreiche, mit der EU und „den Institutionen“ zu „Verhandlung in beiderseitigem Interesse“ zu kommen. Der gerade erst geschlossene „Kompromiss“, den die Regierung am 20. Februar eingegangen ist, ist der Beweis dafür, dass dies in der Praxis nicht möglich ist.

Es ist allerdings Zeit, den bereits eingeschlagenen Kurs noch zu ändern. In den bevorstehenden Wochen und Monaten wird die SYRIZA-Regierung weiterhin die Unterstützung von der Masse der griechischen Bevölkerung für die direkte Auseinandersetzung mit „den Institutionen“ bekommen. Wird sie diesen Weg aber auch gehen?

Diese Frage betrifft nicht so sehr den Vorstand von SYRIZA sondern vielmehr die Gesellschaft als solche: die Arbeiterklasse und die sozialen Bewegungen. Die Massenbewegungen sollten nicht nur darauf warten, dass die Regierung „ihre Schlussfolgerungen zieht“ und dann die richtige Entscheidung trifft. Die Arbeiterklasse und die sozialen Bewegungen müssen vielmher den Kampf aufnehmen, um ihre eigenen Rechte durchzusetzen. Für den Anfang sollten die Dinge umgesetzt werden, die SYRIZA ja bereits zugesagt hat: Mindestlohn von 750 Euro, Beendigung von prekärer Beschäftigung und Leiharbeit, dauerhafte und unbefristete Beschäftigungsverhältnisse, Wiedereinstellung der entlassenen KollegInnen, Beendigung der Privatisierungen, Beendigung des Ausverkaufs von öffentlichem Eigentum und Naturresourcen, Rausschmiss des Konzerns „Eldorado Gold“ aus der Region Halkidiki (wo sich die Goldminen im Norden des Landes befinden) und Abschaffung der Grundsteuer für niedrige Einkommen, um nur einige zu nennen.

Auf diese Weise kann die Massenbewegung SYRIZA nach links drängen. Und je nach dem, in welchem Umfang dies gelingt, wird dann die Frage des Euro geklärt werden müssen. Die Entscheidung darüber wird von der Bevölkerung Griechenlands gefällt werden müssen. Entweder muss dies durch ein Referendum geklärt werden oder durch Neuwahlen. In beiden Fällen haben wir nicht den geringsten Zweifel, wie das Ergebnis aussehen wird.