Die EU und die Linke

Griechenland zeigt: Gerade für Linke ist ein marxistischer Zugang zur EU wichtig!
Christoph Glanninger

Verzweifelt hat sich die griechische Regierung immer wieder an die europäischen Eliten gewandt, um ihnen einen vernünftigen, fairen bzw. menschlichen Kompromiss vorzuschlagen. Das hat die Vertreter der europäischen KapitalistInnen, Schäubl, Dijsselbloem und Co. nicht davon abgehalten, Griechenland ein brutales Sparpaket zu verordnen, das weiter das Leben hunderttausender GriechInnen zerstören wird.

Der Grund für dieses Scheitern liegt in einem völlig falschen Verständnis des Charakters der EU. Große Teile der europäischen Linken, z.B. die Führung von Syriza, aber auch die der deutschen LINKE und der österreichischen KPÖ, gehen davon aus, dass die EU ein neutraler „Gestaltungsrahmen“ ist, den man nur mit linken Inhalten füllen muss.

Aber schon die Geschichte der EU zeigt, dass sie dem europäischen Kapital dazu dient, seine gemeinsamen Interessen umzusetzen. Dazu wurden wirtschaftliche Schranken UND Errungenschaften der ArbeiterInnenbewegung abgebaut.

Durch die Einführung des Euros wurden Staaten gezwungen, zu Lohn- und Sozialabbau zu greifen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, da sie die Währung nicht mehr abwerten können. Die Haushaltskriterien zwingen, bei öffentlichen Ausgaben (Gesundheit, Soziales, Bildung) zu kürzen und zu privatisieren.

Zu Zeiten des Wirtschaftsaufschwungs gelang es der EU noch eher, ihren Charakter zu verbergen. Deshalb (und wegen massiver Propaganda) verbinden auch jetzt noch Menschen die EU mit Wohlstand, Stabilität und Frieden. Aber in der Krise wird die EU immer mehr gezwungen, ihr wahres Gesicht zu zeigen: neoliberal, undemokratisch und kriegstreiberisch.

Die Verhandlungen über das arbeiterInnenfeindliche Freihandelsabkommen TTIP werden unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt. Die meisten EU-Institutionen sind nicht gewählt und das gewählte EU-Parlament hat kaum Macht. Dafür tummeln sich in Brüssel Heerscharen an WirtschaftslobbyistInnen.

Die „Rettungspakete“ für Griechenland gingen zu 94% an den Finanzsektor, ca. 50% direkt an deutsche und französische Banken. Gleichzeitig ist die griechische Wirtschaftsleistung seit 2008 um 25% gesunken und über 60% der Jugendlichen sind arbeitslos. In Spanien sind zwei Millionen Kinder unterernährt und in Irland mussten 400.000 Menschen auswandern.

Von den 28 Nato-Mitgliedsstaaten sind 21 EU-Mitglieder. EU-Staaten führten in der Vergangenheit Kriege z.B. in Jugoslawien und Libyen. Aktuell schrecken sie, im imperialistischen Wettstreit mit Russland, nicht davor zurück FaschistInnen in der Ukraine zu unterstützen.

Im Zuge der Krise brechen auch die Widersprüche zwischen den Staaten der EU wieder auf. Der Versuch eines europäischen Wirtschaftsblocks zeigt die Tendenz des Kapitalismus, sich über die Grenzen des Nationalstaates hinaus zu entwickeln. Gleichzeitig zeigt das Scheitern der EU, dass er das nicht schaffen kann. Die KapitalistInnen brauchen weiterhin einen Nationalstaat, den sie gegen die heimische ArbeiterInnenklasse und ausländische Konkurrenten nutzen können. In ganz Europa nehmen deshalb auch nationalistische Strömungen zu. Rechte EU-kritische Kräfte (FPÖ, Front National, UKIP, AfD…) wachsen.

Die linke Strömung innerhalb von Syriza (nun Teil der neuen linken Formation) meint korrekt: „Die Eurozone und die EU lassen sich hier, wo sie angelangt sind, nicht reformieren, noch auf ein neues Fundament stellen: Sie lassen sich nur stürzen.“

Aber es ist genauso eine Illusion, zu erwarten, dass durch einen Euro- bzw. EU-Austritt die Probleme der kapitalistischen Krise gelöst werden können. Auf kapitalistischer Basis bleiben Staaten weiterhin der Willkür der Märkte ausgeliefert. Es gibt keine nationale, sondern nur eine sozialistische Lösung.

SozialistInnen haben von Anfang an auf den Klassencharakter der EU hingewiesen. Trotzdem haben sie klargemacht, dass die Lösung nicht im Rückzug auf den Nationalstaat liegt - sondern im internationalen Kampf gegen den Kapitalismus und seine Institutionen, egal ob EU-Kommission oder österreichische Bundesregierung.

So ein Kampf braucht ein sozialistisches Programm. In Griechenland hätte das u.a. bedeutet: Stopp der Schuldenrückzahlung an die Banken und starke Besteuerung der Reichen und der Kirche, um ausreichend Mittel für Gesundheit, Bildung und Soziales zu haben. Sabotage durch KapitalistInnen und Kapitalflucht müssten verhindert werden – Durch die Verstaatlichung der großen Banken und Konzerne unter demokratischer Kontrolle der Gesellschaft und der Beschäftigten. Außerdem braucht es Kapitalverkehrskontrollen und ein staatliches Außenhandelsmonopol.

Solche sozialistischen Maßnahmen würden wahrscheinlich zu einem automatischen Ausschluss aus EU und Euro führen. Klar ist, dass ein sozialistisches Programm nicht mit einer vom Kapital kontrollierten Währung umgesetzt werden kann.

Eine Regierung, die tatsächlich in der Lage ist, so ein Programm umzusetzen, hätte enorme Vorbildwirkung auch über die nationalen und europäischen Grenzen hinaus. Das könnte der Ausgangspunkt für eine europaweite Bewegung sein, die sich zum klaren Ziel setzt, mit dem Kapitalismus und seinen Institutionen zu brechen. Um so eine echte Alternative aufzubauen – ein sozialistisches Europa der Millionen statt eine EU der Millionäre.

 

 

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